Airpocalypse in Peking
Wegen des schweren Smogs sei die Hauptstadt "fast unbewohnbar", hieß es in einem Bericht, der zu Zensurmaßnahmen führte
Die Luftverschmutzung in Peking, der chinesischen Hauptstadt, ist gewaltig. Schon viele Tage schwankt die Feinstaubbelastung, die auch von der US-Botschaft gemessen wird, zwischen gefährlich (PM2,5 über 300), sehr ungesund und gelegentlich ungesund. Im Januar wurden schon Werte von zwischen 400 und 500 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erreicht, Kindern und alten Menschen wurde geraten, Zuhause zu bleiben, und es wurden zeitweise Autobahnen gesperrt. Gerade sind die Werte nach der schweren Luftverschmutzung der letzten Tage, wo wieder Werte über 500 erreicht wurden, gesunken und liegen nun bei 70 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Der Grenzwert für das Jahresmittel in der EU wurde auf 25 Mikrogramm pro Kubikmeter festgelegt. Nach der WHO sollten die PM2,5-Werte während 24 Stunden nicht 25 Mikrogramm pro Kubikmeter übersteigen. PM2,5-Feinstaub dringt bis in kleine Bronchien und Bronchiolen ein und gelangt in die Blutbahn. Die Menschen nehmen das immer weniger gelassen hin, die Regierung fürchtet Probleme, weil sie die Luftverschmutzung nicht in den Griff bekommt. Allein in Peking sollen 300 weitere Dreckschleudern geschlossen und viele Milliarden investiert werden, um die Luftverschmutzung zu bekämpfen.
Am vergangenen Mittwoch kam es zu einem Eklat, als staatliche Medien aus einem Bericht der Shanghaier Akademie der Sozialwissenschaften zitierten, dass die schwere Luftverschmutzung die chinesische Hauptstadt "fast unbewohnbar" gemacht habe. Peking wurde in einem ökologischen Ranking von 40 Global Cities nach Moskau als zweitschlechteste eingestuft, was die Umweltbedingungen betrifft. "Die schwere Luftverschmutzung Pekings ist viel schlimmer als der Durchschnitt", stand in dem Bericht weiter. "Die Umwelt weit davon entfernt, die Sicherheitsstandards einzuhalten." Letztes Jahr gab es in Peking an 189 Tagen Smog, der auch andere Städte wie Shanghai und Industriegebiete, allen voran die Provinz hebei, im Griff hat. Auch Shanghai und Hongkong kamen in dem Bericht nach den Umweltbedingungen schlecht weg.
Die Regierung handelte schnell und wies alle Medien an, den Bericht "Report Says Pollution in Beijing Approaching Level Unsuitable for Human Habitation" umgehend zu löschen. Zwar wird auch von den staatlichen Medien über die schwere Luftverschmutzung berichtet, die Formulierung ging aber der Regierung zu weit. Gelegentlich wird auch schon von Airpocalypse gesprochen. Dafür sprangen andere staatlichen Medien ein. So erklärte die Global Times, der Bericht sei "übertrieben". Allerdings blieben manche Artikel wie im Shanghai Daily online.
Doch die Zensur kann nicht mehr so ohne Weiteres ausgeübt werden, zumal bei so offensichtlichen Missständen, die sich nicht wegreden lassen. So berichtete People's Daily gestern, dass viele Bewohner Pekings die Tatenlosigkeit der Stadtverwaltung wegen des tagelang anhaltenden schweren Smogs kritisierten. Der Staatssender CCTV beschwert sich darüber, worüber auch die anderen Medien wie Global Times berichten, dass keine Notfallmaßnahmen eingeleitet wurden. Die waren letztes Jahr im Oktober in Kraft getreten, aber die Stadtverwaltung hatte es trotz gefährlichem Smog unterlassen, sie auch nur einmal anzuordnen. Vorgesehen wäre die Reduzierung des Verkehrs, indem abwechselnd nur die Autos mit geraden oder ungeraden Nummern fahren dürfen, die Schulen und Industrieanlagen geschlossen werden.
Das Thema ist sehr brisant, weil der Ärger wächst. Zudem wächst die Zahl der wohlhabenden und gut ausgebildeten Chinesen, die das Land wegen der Umweltprobleme, der Luftverschmutzung und der schlechten Qualität des Trinkwassers verlassen oder in kleinere Städte ziehen, in denen es sich besser leben lässt. Chinas Regierung setzt aber weiterhin auf das Wachstum der Städte. Die vom Staat geförderte Landflucht könnte sich bald umdrehen, wenn sich nicht schnell etwas ändert. Der Staat hat begonnen, mehr Daten über die Luftverschmutzung und die verantwortlichen Industrien zu publizieren, aber der Druck ist hoch. Mehr als eine Million Menschen sollen jährlich vorzeitig aufgrund der Luftverschmutzung sterben, der saure Regen schadet der Landwirtschaft, schreibt die Washington Post, die Touristen bleiben weg und die Studenten ziehen ein Auslandsstudium vor. Und es wird schwierig, ausländische Fachkräfte nach China zu holen.