Alarmzustand in Athen

Das Familienfoto, hier das der Innenminister, ist zeitaufwändige Pflicht. Bild: W. Aswestopoulos

Informelles Treffen der Justiz- und Innenminister der EU - Ein Erlebnisbericht

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Informelle Ministertreffen heißen die Veranstaltungen der EU, bei denen sich Fachminister über ihre Ressorts und deren Einbettung in den europäischen Kontext austauschen. Am Ende solcher Veranstaltungen gibt es dann immer ein nettes Familienfoto für die nächsten Wahlkampfveranstaltungen im heimischen Wahlkreis sowie eine abschließende Pressekonferenz. Bei dieser sollten dann die Ergebnisse präsentiert und die offenen Fragen geklärt werden.

Mit einem auf zwei Tage angesetzten, informellen Treffen der Justiz- und Innenminister startete am Donnerstag für die Regierung in Athen nach dem feierlichen Beginn der Ratspräsidentschaftsperiode am 8. Januar der Arbeitsteil der Präsidentschaft. Organisatorisch stellte dieses Treffen eine weitere Herausforderung an das finanzschwache Land. Für die Minister aus den übrigen 27 Mitgliedstaaten mussten Staatskarossen beschafft werden.

Aufgrund ernstzunehmender Terrorwarnungen des entflohenen Terroristen Christodoulos Xiros mussten zudem verschärfte Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Für den deutschen Innenminister Thomas de Maizière gab es eine extra gepanzerte Limousine. Das Zentrum Athens wurde erneut weitgehend gesperrt. Somit lag am an beiden Tagen das öffentliche Leben im Zentrum weitgehend lahm.

Die zeitraubende und mühselige Prozedur der EU-Ministertreffen

Der Alarmzustand in der Hauptstadt begann sowohl am Donnerstag als auch am Freitag bereits vor acht Uhr morgens. Zu dieser Zeit mussten sämtliche Pressevertreter und Mitarbeiter der Veranstaltung bereits im Zappeion-Kongresszentrum eingetroffen sein. Erschwerend zu der für griechische Verhältnisse ungewöhnlich frühen Zeit hinzu kam das faktische Verbot der Anfahrt im eigenen PKW, mit dem eigenen Motorrad oder gar einem Drahtesel. Gegen neun Uhr begann die Begrüßung der jeweiligen Minister. Einzeln stellten sie sich zusammen mit ihrem als Gastgeber fungierenden griechischen Pendant vor eine extra Fotowand.

Bereits an diesem Detail zeigt sich jedoch, woran solche Treffen kranken. Bis alle 27 Minister samt der ebenfalls angereisten Vertreter der EU-Kommission begrüßt waren, war der Vormittag vorüber. Zudem stand direkt anschließend ein weiterer Fototermin an. Die so genannte Tour de Table. Auch hier vergeht in der Regel einiges an Zeit, bis die Minister alle an ihren Plätzen sind und bis die Journalistenschar den Saal verlassen hat.

Michelakis und Dendias zusammen mit Opstelten. Bild: W. Aswestopoulos

Der Freitag brachte zudem eine weitere Erkenntnis. Die griechische Regierung verfügt über mehr Minister als andere Staaten. Während die Niederlande an beiden Tagen vom für Justiz und Inneres zuständigen Ivo Willem Opstelten vertreten wurden, gab es für den gleichen Zweck gleich vier griechische Minister. Den Donnerstag über betreute Justizminister Charalambos Athanasiou die Besucher, während am Freitag Bürgerschutzminister Nikos Dendias und Innenminister Giannis Michelakis als Gastgeber fungierten. Ergänzt wurde das Duo durch den ebenfalls mit Fragen eines typischen Innenministers befassten Handelsmarineminister Miltiadis Varvitsiotis.

Gruppenbild mit Dame – Innenminister Michelakis, die britische Innenministerin Theresa May und Bürgerminister Dendias. Bild: W. Aswestopoulos

Offenbar aus Proporz und Prestigegründen mussten daher für die Journalistenschar zwei Tour de Tables eingeplant werden, eine für Nikos Dendias und eine für seinen Parteifreund Giannis Michelakis. Miltiadis Varvitsiotis, der wegen des in sein Ressort fallendes Flüchtlingsdramas vor Farmakonisi (Das griechische Lampedusa) unter Druck stand, blieb ein Präsentationstermin als Tagungspräsident verwehrt. Tatsächlich weilte Varvitsiotis den Vormittag über nicht im Sitzungssaal. Vielmehr sah man ihn mit einem Mobiltelefon im zweiten Atrium des Zappeions umher laufen. Der Minister gab den griechischen Medien pausenlos Interviews.

Miltiadis Varvitsiotis - immer am Telefon. Bild: W. Aswestopoulos

Während der Donnerstag bis zum Abend mit Presseterminen, Diskussionen, gemeinsamem Mittagessen, dem obligatorischen Familienfoto und der Pressekonferenz gefüllt war, musste es am Freitag besonders schnell gehen. Um halb zwei Uhr stand das Familienfoto an, um zwei die Pressekonferenz, an der die griechischen Minister und die Vertreter der EU teilnahmen. Parallel dazu nahmen die Übrigen ihr Mittagessen ein.

Auch das muss nebenbei sein: Innenminister Thomas de Maizière in Akten vertieft. Bild: W. Aswestopouls

Die Ergebnisse der Tagung?

Der erste Tag stand theoretisch unter dem Zeichen des europäischen Datenschutzes. Gemeinsam wollten Minister und EU-Kommission Lösungen für den Spagat zwischen Bürgerrechten und staatlichen Kontrollnöten suchen.

Die anschließende Pressekonferenz brachte hierzu jedoch kaum neue Erkenntnisse. Vielmehr uferte diese Veranstaltung in eine innergriechische Regierungskrise aus. Justizminister Athanasiou musste sich Fragen nach seiner Verantwortung für die Flucht des Terroristen Xiros gefallen lassen. Xiros war aus einem Hafturlaub nach Neujahr, seinem insgesamt siebten, schlicht nicht zurückgekehrt. Der ehemalige oberste Richter Athanasiou befand, dass daran nicht sein Ressort, sondern vielmehr der für Polizeifragen zuständige Bürgerschutzminister Dendias schuld sei. Denn dieser habe nicht für eine ausreichende und lückenlose Überwachung von Xiros und dem ihn unterstützenden Umfeld gesorgt.

Justizminister Athanasiou weist jegliche Schuld von sich. Bild: W. Aswestopoulos

"Hafturlaube werden von einem Staatsanwalt, der Gefängnisleitung und einem Sozialarbeiter gemeinsam gewährt", erklärte Athanasiou seine Sicht und beklagte sich: "Ich dachte, dass alles überwacht wird." Dass er damit eine vollkommen ausreichende Antwort über die staatliche Sicht zum Datenschutz gegeben hatte, war ihm offensichtlich nicht bewusst.

Die Ergebnisse des Folgetags, bei dem es ebenfalls über innere Sicherheit und die Frage des "Counter Terrorism" ging, waren ebenfalls eher dünn. EU-Kommissarin Cecilia Malström versuchte bei der Pressekonferenz mit ihrer Einlassung noch, die eigentlichen Themen hervorzuheben. Sie erklärte, was sie unter Terrorbekämpfung versteht, nämlich die Wiedereingliederung von in den Untergrund abgerutschten Systemgegnern in die Gesellschaft. Trotzdem stand am Ende erneut das aktuelle, griechisch-europäische Problem im Vordergrund. Das Drama von Farmakonisi und die Fragen nach einem Grundrecht auf Asyl überdeckten den kurzen Arbeitstag.