Algorithmus zur geografischen Lokalisierung von Straftätern

Bei der Suche nach dem geheimnisvollen Scharfschützen in Maryland soll ein Computerprogramm helfen

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Bei der Identifikation und Ergreifung des Scharfschützen, der im US-Staat Maryland und Umgebung sieben Menschen wahllos erschossen und zwei weitere verletzt hat, soll jetzt ein Computerprogramm helfen. Die Software Rigel Analyst von Environmental Criminology Research arbeitet nach dem Prinzip des "geographic profiling" und wurde entwickelt von dem ehemaligen kanadischen Police Officer Kim Rossmo, der jetzt Forschungsdirektor bei der in Washington ansässigen Police Foundation ist und die Ermittlungsbehörden im vorliegenden Fall berät.

Bild: ECRI

"Die Koordinaten jedes Verbrechens werden in das System eingegeben und das geographische Muster anschließend von einem Algorithmus analysiert", erklärt Rossmo. Dabei berücksichtigt das System alle bis dato zur Verfügung stehenden Informationen über den Täter, wie beispielsweise, Örtlichkeiten der Tat, Tathergang, Spuren und Zeugenaussagen, wie in diesem Fall ein weißer Lieferwagen am Tatort. Das System schließt daraus, dass der Täter motorisiert ist und bindet diese Information in die Analyse mit ein. Anschließend vergleicht ein Algorithmus die Daten mit dem über Jahrzehnte angesammelten kriminologischen Fachwissen, wie sich Serientäter in der Regel verhalten. Auch wenn es bei dem Scharfschützen so aussieht, als ob er wahllos und zufällig umherschießt, so Rossmo, so folgen doch die meisten Fälle normalerweise einem Muster, das auch auf diesen Fall passt und so einen entscheidenden Hinweis auf den Aufenthalt des Täters geben könnte.

Ein Grundprinzip hierbei ist das "nearness principle". Forschungen haben ergeben, dass die meisten Einzeltäter ihre Taten nicht weit von ihrem Wohnort verüben. "Kriminelle verhalten sich nicht viel anders wie normalen Menschen", so Rossmo. Sie bleiben in der Regel in dem Terrain, in dem sie sich mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Transportmittel bewegen können. Die Software berücksichtigt deshalb bei der Analyse auch Entfernungen, die der Täter zurücklegen könnte, wenn er sich zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Bus oder der U-Bahn bewegt. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: So nehmen ältere Täter im Gegensatz zu jüngeren auch schon mal weitere Strecken zum Tatort in Kauf, ebenso scheinen Weiße im Vergleich zu dunkelhäutigen Amerikanern für ihre Taten größere Strecken zurückzulegen. Normalerweise aber lassen alle Täter eine Pufferzone zwischen dem Tatort und ihrer Wohngegend, um dort anonym agieren zu können.

Bild: Kim Rossmo

Diesen "Jägerbereich" vom "Wohnbereich" zu unterscheiden, ist die Aufgabe der Software. Als Ergebnis der Analyse erhält die Polizei eine geografische Karte des Falles, anhand derer sie nach Aussage Rossmos auf 800 Meter genau erkennen kann, wo der Täter möglicherweise wohnt, in welche Gebiete entsprechend besonders die weiteren Ermittlungen ausgedehnt werden sollten und welche Polizei-Datenbanken auf bestimmte Hinweise hin abgefragt werden müssen, wie beispielsweise nach dem beobachteten Täterfahrzeug: "Das ermöglicht eine optimale Suchstrategie".

Das Prinzip des Geographic Profiling ist nicht neu und hat seine Leistungsfähigkeit bereits mehrfach unter Beweis gestellt. So konnte beispielsweise die Polizei in St. Louis den "South Side Raptist", der innerhalb von elf Jahren mehr als ein Duzend Frauen vergewaltigt hatte, mit dieser Methode auf die Spur kommen, indem das System mit den Aussagen der Opfer und Zeugen gefüttert wurde. Auch Scotland Yard, das FBI, die Royal Canadian Mounted Police und viele andere Polizeistationen weltweit arbeiten bereits mit dem rund 50.000 Euro teuren Programm. Laut einer Untersuchung von Geographic Profiling-Experten von 450 Straftaten, Vergewaltigungen und Morden, bei denen die Methode bei der Tätersuche eingesetzt worden war, konnte in jedem zweiten Fall der Polizei dadurch erfolgreich geholfen werden. Allerdings, so Rossmo, den Ort des nächsten Verbrechens vorhersagen, das kann auch Rigel nicht.