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"Mank": David Finchers sehr aktueller Rückgriff auf das Jahr 1940 auf Netflix
What is Fascism? . . . In essence it is nothing more than the original sin of civilization, the celebration of power for its own sake.
Orson Welles
Die Macht der Medienmogule ist ein zeitloses Thema. Von Charles Foster Kane führt eine klare Linie zu J.P. Morgan, William Randolph Hearst und Henry Luce, Howard Hughes und von dort zu Rupert Murdoch und von dort hinüber zu Donald Trump, dem modernen König, der sein eigener Hofnarr wurde und wieder zurück zu Joseph McCarthy, J. Edgar Hoover, der "American Liberty League" zu Frank Merriam, dem republikanischen Gouverneur von Kalifornien, der mit heimlicher Unterstützung durch den demokratischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und mit Hilfe einer offenen Kampagne der Hearst-Presse und der Hollywood-Studios gegen seinen "sozialistischen" Herausforderer und demokratischen Kandidaten Upton Sinclair wiedergewählt wurde.
Die Parallelen zwischen Gegenwart und Geschichte liegen klar auf der Hand: Die Übermacht rechter Medien, "Sozialismus" als größter Trumpf in einer Lügenkaskade, das "Volk" und "Volkes Stimme" als Fake der Fake News. Dies alles bildet nun den Kern von David Finchers, als Historien-"Film-im-Film"-Film maskiertem Gegenwartsportrait "Mank".
Filmische Medien-Matrjoschka oder Zwiebel-Struktur?
Die Beobachtung des Medientheoretikers Marshall McLuhan, dass Medien vor allem von Medien berichten, belegt weniges so gut, wie die Geschichte von "Citizen Kane", die eine Mediengeschichte ist. Zum Mythos der Film-Industrie und Hollywoods Selbsterzählung wurde der vor allem dadurch, dass hier ein Medium (der Film) von Medienmachern (Journalisten) erzählte, wie sie die Geschichte eines Medienmachers recherchieren.
Mank (12 Bilder)
Bei Welles geschieht das zudem in Form des Multiperspektivismus - im Effekt zerstört der Film eher unsere Vorstellung von irgendeiner Wahrheit, die durch Medien enthüllt oder geschaffen würde, als dass er Wahrheit erzeugt. Die Fakten, die der Film ähnlich anhäuft, wie Kane die diversen wertvollen Sammelobjekte, die je mehr sie werden, ein um so konfuseres Gesamtbild ergeben, materiell wenig wert sind und am Ende im Feuer landen, stehen nur lose nebeneinander. Wenn News draus werden sollen, muss man erfinden: "Print the legend!" (John Ford) statt "all the news that's fit to print".
David Fincher setzt hier noch einen drauf: Er macht einen zweiten Film über den ersten, der sich damit auch wie die äußere Hülle einer Matrjoschka-Puppe über alle anderen in ihm enthaltenen Geschichten stülpt. Aber was ist der Kern? Was verbirgt sich im Innersten der Puppe? Oder ist da gar nichts? Stimmt eher das Bild der Zwiebel-Struktur, wo alle Hüllen nichts enthüllen: "When there are no facts, print the legend!"
Xanadu und der Populismus, David Fincher und das "Lincoln Project"
Gewalt und Gewalttätigkeit in der Familie sind vielleicht das eigentliche Leitmotiv von "Citizen Kane". In einem seiner allerfrühesten Filme, in dem Musikvideo zu Madonnas "Oh Father", das von überdeutlichen "Citizen Kane"-Referenzen strotzt, arbeitet er diesen Zusammenhang klar heraus.
"Citizen Kane" ist nicht zuletzt ein Film über die "Lincoln Republic", also ein Generationen-Epos über die Gründerzeit des modernen Amerika in den Jahrzehnten nach 1860: Kane ist ein verlorener kleiner Junge, der von einer Bank aufgezogen wird und den fehlenden prügelnden Vater (man vergleiche die Story von "Oh Father") und die Mutter, die ihn verkaufte, durch politische Macht kompensiert, aber den Verlust innerlich nie loswird. Ein Mann ohne Freunde, ohne Liebe. Eine Allegorie auf den modernen Selfmademan, eine Allegorie auf die USA, deren Aufstieg zur Weltmacht - der spanisch-amerikanische Krieg, der Erste Weltkrieg - mit dem Aufstieg Kanes zur Verlegermacht parallelisiert wird.
"The Union forever" ruft Kane im Moment seines Abschieds von den Eltern. Sein Schlachtruf der Freiheit. Der Weg, der ihn "From Log Cabin to Xanadu" (Laura Mulvey) führen wird, ist auch der Amerikas. Er endet in der "Konfusion der Kulturen" von Xanadu/ Hearsts San Simeon, der der populistischen Politik entspricht, die "jenseits von Rechts und Links" zu stehen behauptet, und darin doch nur barbarisch ist.
Es ist diese Politik und ihre Verwurzelung in der Kultur des modernen Amerika, gegen die sich Herman Mankiewicz und Orson Welles zu ihrer Zeit verbündeten, und die David Fincher und das nicht umsonst so benannte "Lincoln Project" heute angreifen.
Genies unter sich
Irgendwo im amerikanischen Westen, im Februar 1940, noch vor dem deutschen Westfeldzug gegen Frankreich, noch vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg: Von Anfang an durchzieht die Atmosphäre dieses Schwarzweiß-Films etwas Geheimnisvolles und Mysteriöses - wie in einem Film Noir.
Ein Mann wird mit dem Auto auf eine Ranch gefahren, nach einem schweren Auto-Unfall geht er an Krücken. Mit ihm kommen auch seine Krankenpflegerin, eine Assistentin und ein Agent. Die nächsten Wochen wird er hier verbringen. Aber dies ist keineswegs ein reiner Erholungsaufenthalt - eher ähnelt alles einer privilegierten Gefangenschaft, dem erzwungenen Rückzug in ein Kloster, in kontrollierte Konzentration. Der Mann, die Hauptfigur dieses Films ist "Mank", Herman Mankiewicz (1897-1953), Bruder des aufkommenden Regisseurs Joseph L. Mankiewicz, ein bekannter und erfolgreicher, wenn auch etwas aus dem Tritt geratener Drehbuchautor des legendären Hollywood-Studios RKO.
Mankiewicz ist schrullig und auf seine Art genial, aber er ist auch ein schwerer Alkoholiker und sozial derart unerträglich, dass es außer seiner Ehefrau niemand auf Dauer mit ihm aushält. Und er auch nicht mit seinen Mitmenschen. Aber Mankiewicz ist eben auch sehr gut, darum soll er das Kinodebüt für einen schreiben, der ebenfalls den Ruf eines Genies hat, wie eines schwierigen Zeitgenossen: Als erfolgreicher Theatermacher und Autor des Radioknallers "Krieg der Welten", der halb Amerika für ein paar Stunden an die Invasion von Außerirdischen glauben ließ, war Orson Welles berühmt geworden.
Im Kino aber musste er sein Können erst noch beweisen. Darum stellte man ihm mit Mankiewicz einen erfahrenen Könner zur Seite. Die beiden kommunizierten vor allem über Telefon und über Notizen zu den jeweiligen Drehbuchfassungen, die per Kurier hin und her geschickt wurden. Das Ergebnis war ein Film, der nicht nur die Filmwelt erschüttern sollte: "Citizen Kane", eines berühmtesten Werke der klassischen Studio-Ära Hollywoods und für viele bis heute der beste Film der Filmgeschichte.
Allemal ist er einer sagenumwobensten und von vielen Anekdoten und Unklarheiten umrankten. Unter anderem umstritten ist auch, welchen Anteil Orson Welles überhaupt am Drehbuch hatte, das unter dem von Mankiewicz auch seinen Autorennamen trägt.