Alles streng geheim

Seite 3: Gammelfleisch und lockere Kontrolle nicht nur in Bayern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Tiefe Einblicke in die Niederungen der Kontrollpraxis lieferte zuletzt ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtages zum Gammelfleischskandal. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei das Verhalten der Kontrollbehörden bei verschiedenen Firmen, darunter "Berger Wild" und "Kollmer Fleisch", denen in den Jahren zuvor der Handel mit verdorbenem Wildfleisch bzw. nicht für den menschlichen Verzehr geeignetem Fleisch, sogenanntem K3-Material, nachgewiesen wurde. Bei "Kollmer Fleisch" sei K 3-Material in großem Stil eingelagert worden. Firmenchef Berger, so heißt es, habe sich der persönlichen Freundschaft eines bayerischen Landesministers erfreut und entsprechend ungehalten auf behördliche Kontrollen reagiert.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Herbert Müller sah nach zwei Jahren Arbeit als stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses "eine Kultur der Wegschauens bayerischer Behörden" deutlich nachgewiesen. Es habe ein Verhalten der Kontrollbehörden gegeben, "das jenseits von Gut und Böse war. Die Aufsichtsbehörden sind ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden".

Müller zufolge sind nicht die zuständigen Veterinäre gegen kriminelle Firmen eingeschritten, sondern es waren Zollbeamte, die angesichts des Gestanks von verdorbenem Fleisch in Kühlhäusern "den Braten im wahrsten Sinne des Wortes gerochen haben". Auch der verbraucherpolitische Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag, Adi Sprinkart, MdL, zog aus dem Untersuchungsausschuss den Schluss, dass mancherorts Kontrollen aus politischen Gründen unterblieben: "Behörden haben bewusst weg geschaut."

So hätten Veterinäre bezogen auf den später geschlossenen Wildfleischhandel den Spruch geprägt "Willst Du Ärger, geh zu Berger". Firmenchef Berger gilt als "Spezi" des damaligen bayerischen Finanzministers und CSU-Vorsitzenden Erwin Huber. Doch auch in anderen Bundesländern zeichnen sich Lebensmittelkontrolleure durch gezieltes Wegschauen und Rücksichtnahme auf große Firmen aus. Nur so konnten etwa in Niedersachsen jahrelang Arbeiter in der Fleischindustrie systematisch ausgebeutet werden und so lange arbeiten, bis sie am Fließband zusammenbrachen – ohne dass die stets im Betrieb anwesenden Veterinäre darüber berichteten (Lohndumping für billiges Fleisch).

Die Geschäfte mit der Ausbeutung der Beschäftigten gehen bis heute ebenso fast ungehindert weiter, wie auch der Handel mit dem so genannten K 3-Material. Schließlich ist das Umdeklarieren von Schlachtabfällen als "lebensmitteltauglich" auch weiterhin ein lohnendes Geschäft. Ermittler schätzen, dass mit einer LKW-Ladung über 20.000 Euro verdient werden können. Schlachtabfälle werden nach Angaben von Zollermittlern häufig nach Russland exportiert und finden in Form von weiterverarbeiteten Lebensmitteln (zum Beispiel Fertiggerichte oder Wurst) ihren Weg zurück in die EU und die Mägen der Verbraucher.