Alte irakische Chemiewaffen in den Händen des Islamischen Staats?

In Kobane soll der IS bereits im Juli Chemiewaffen eingesetzt haben, sie könnten, wie die New York Times berichtet, aus nicht vernichteten Beständen des Chemiewaffenprogramms von Hussein stammen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Vor ein paar Tagen hatte die Middle East Review of International Affairs (MERIA Journal) einige Fotos veröffentlicht, auf denen die Leichen von 3 kurdischen Kämpfern zu sehen sind, die im Juli bei Kämpfen mit dem IS gestorben sind. Hingewiesen wurde darauf, dass keine Schussverletzungen und andere Wunden zu sehen sind, sondern nur Verbrennungen und weiße Flecken. Vermutet wurde von Experten, dass der IS Chemiewaffen, wahrscheinlich Senfgas, eingesetzt haben könnte. Vermutet wurde überdies, dass die Chemiewaffen aus alten irakischen Beständen stammen, die in versiegelten Bunkern von al-Muthana gelegert wurden und in die Hände des IS fielen (Chemiewaffen in der Hand des Islamischen Staats?).

Erst nachdem nun die New York Times den Bericht aufgegriffen hat (The Secret Casualties of Iraq’s Abandoned Chemical Weapons), ist nun die Aufmerksamkeit groß. Nach dem Einmarsch in den Irak, den die Bush-Regierung mittels der Lüge von vorhandenen Massenvernichtungswaffen legitimierte, waren die US-Soldaten auch damit beschäftigt, die Reste der nach dem Ende des mit westlicher Technik entwickelten Chemiewaffenprogramms 2001 bereits weitgehend zerstörten chemischen Waffen zu suchen und endgültig zu vernichten. Viele der Tausenden von Artilleriegeschossen und Raketen mit chemischer Munition, die gefunden wurden, waren verrostet, unbrauchbar oder leer. Aber viele enthielten noch Sarin und Senfgas, teil mit hoher Konzentration. In der Regel waren die Geschosse in den USA (M110) oder nach US-Entwürfen in Europa hergestellt worden. Die chemischen Agenten wurden mit Anlagen produziert, die von europäischen Firmen gekauft worden waren.

US-Soldaten und irakische Sicherheitskräfte wurden Nerven- oder Senfgas ausgesetzt und teilweise nicht richtig behandelt, weil das Pentagon auf Geheimhaltung setzte und nicht einmal die eigenen Soldaten und Militärärzte informierte. Die Fundstellen wurden ebenfalls geheim gehalten. Aufgrund der Geheimhaltung wurden manche Fundorte nicht registriert, blieben chemische Waffenlager ungesichert oder wurden gesprengt, ohne die Menschen und Soldaten zu warnen. Auch Sprengsätze an Straßen wurden mit chemischen Waffen gebaut, wie ein Navy-Offizier der NYT berichtete, der 2006 einen solchen mit Senfgas gefunden hatte.

Die meisten Chemiewaffen waren in der Muthana-Anlage gelagert, wo das größte Chemiewaffenprogramm Husseins bis 2001 seinen Ort hatte und das sich seit Juni in der Hand des Islamischen Staats befindet. Die irakische Regierung sprach von 2.500 dort gelagerten Chemiewaffen, die jedoch korrodiert seien, die US-Regierung erklärte, von den Waffen gehe keine Gefahr mehr aus. Klar ist, dass in Bunkern noch chemische Waffen mit Senfgas und Sarin gelagert waren. Bevor die irakische Regierung die Bunker versiegeln konnte, hatte der IS die Anlage bereits erobert. Es könnte also durchaus richtig sein, dass IS-Kämpfer in Kobane chemische Waffen aus der irakischen Anlage eingesetzt oder mit diesen experimentiert haben. Und es wäre dann damit zu rechnen, dass sie dies auch weiterhin machen.