Am Abend der Niederlage der Rechten beginnt der Kampf um 2027

Seite 2: "Anti-Europäisch zu sein, macht keinen Sinn"

Macron sagte bei seiner Siegesrede auf der Bühne des Champ-de-Mars: Es gehe um "Verbundenheit mit republikanischen Werten" und um "Humanismus". Er wolle Frankreich zu einer "ökologischen Nation" machen, die "Unabhängigkeit" des Landes stärken und ein "mächtigeres Europa" aufbauen.

Im Fernsehen sekundierte später sein ehemaliger Bürochef und heutiger Landwirtschaftsminister, Julien Denormandie: Es sei eine klare Wahl für ein Programm und für den Fortschritt. Der Wahlkampf sei von einem "Geist der Revanche" dominiert gewesen.

"Aber es sind nicht die Probleme unseres Landes, die die 'Front National' (sic!) adressiert. ... Wie macht man Lage besser? Nicht durch ausgrenzen, sondern Lösungen. Im Programm Le Pens existiert das Wort 'Arbeitslosigkeit' nicht."

Und zu Europa:

"Wer könnte sich vorstellen, dass die Antwort auf den Ukraine-Krieg nicht eine europäische ist, sondern eine nationale? Anti-Europäisch zu sein, macht keinen Sinn. Wir wollen ein Europa, das nicht die Demokratien schwächt, aus denen es geformt ist, sondern sie stärkt."

Eine interessante Frage ist, was der Präsident nun im bevorstehenden Parlamentswahlkampf tun wird? Um eine starke rechte Opposition ebenso zu verhindern wie den um das Amt des Premierministers verzweifelt buhlenden Jean-Luc Melanchon, dürfte er sich nach links neigen, um diesem genügend Stimmen abzunehmen.

Das ließe zugleich den rechtsliberalen Republikanern den Spielraum, den sie brauchen, um zwischen Macron und Le Pen wieder Profil zu gewinnen. Zumal angesichts der notwendig kommenden Selbstzerfleischung des rechtsextremen Lagers. Nach der Wahl könnte Macron dann mit den relativ erstarkten Republikanern gemeinsam regieren.

Medienblindheit

Und die Deutschen? Die deutschen Mainstreammedien bleiben für all das blind und negieren die Fakten noch dann, wenn sie von diesen widerlegt wurden. Am 22. April zitierte die DLF-Presseschau beispielhaft für viele andere die Frankfurter Rundschau, die raunte, "wie trügerisch Umfragen sind, zeigte sich nach dem TV-Duell der französischen Präsidentschaftskandidat:innen. Emmanuel Macron ging für 59 Prozent der Befragten als Sieger hervor."

Trügerisch? Macron bekam 58,5 Prozent.

Und die Pforzheimer Zeitung bedient Le Pens Narrativ: "Frankreich ist gespalten in die da oben und die da unten, in die Pariser Elite – repräsentiert von Macron – und das einfache Volk, das sich im Zuge der Globalisierung und zahlreicher Krisen in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht fühlt. Le Pen bedient diese Angst, indem sie gegen Ausländer hetzt, gegen die EU, gegen Deutschland." Fast zwei Drittel stimmten also für die "Pariser Elite".

Tatsächlich hatten sich diese ganzen klugen FAZTAZSZ-Zeitungen geirrt. Sie hatten Le Pen groß gemacht, ihre Präsidentschaft an die Wand gemalt, behauptet, wie gefährlich das jetzt werde, dass Le Pen eine reelle Chance habe. Das war alles Bullshit. Von Anfang an. Sensationshascherei, Emotionalisierung, teils aus Dummheit, teils aus Kalkül. Marine Le Pen sammelt zwar die Unzufriedenen aller Lager. Für die deutliche Mehrheit der Franzosen bleibt sie aber auch 2022 unwählbar.

Das muss die Analyse nach diesem Wahltag sein.