Amerikas Wutproblem: Warum Linke keine Antwort darauf finden
- Amerikas Wutproblem: Warum Linke keine Antwort darauf finden
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Trump und die Republikaner setzen auf Wut. Sie haben damit die Herzen und Köpfe vieler US-Amerikaner erobert. Wie Progressive die gesellschaftliche Spaltung überwinden können.
Es scheint, dass die Amerikaner zunehmend ein Wutproblem haben. Allzu viele von uns haben jetzt den Drang, Beschimpfungen, gewalttätige Posts in den sozialen Medien, Drohungen, Baseballschläger und Waffen zu benutzen, um das zu tun, was wir früher mit Überzeugungsarbeit und Wahlen erreicht haben.
Im Jahr nach dem Einzug von Donald Trump in das Oval Office haben sich beispielsweise die Gewalt- und sogar Todesdrohungen gegen Parlamentarier und Regierungsvertreter beider Parteien mehr als vervierfacht. Und allzu oft scheint der Aufruf zu Gewalt von ganz oben zu kommen. In letzter Zeit haben Angeklagte in Fällen extremistischer Gewalt behauptet, dass ein gewählter Führer oder Experte sie dazu "aufgefordert" habe.
In einem Land, in dem sich ein amtierender Präsident aus Wut auf sein eigenes Sicherheitspersonal stürzen würde, ist das wohl nicht mehr so überraschend. Die amerikanische Politik wird von Emotionen beherrscht, und viele neigen heute dazu, aus der Hüfte zu schießen, ohne zu wissen, warum.
Immer mehr von uns reagieren jedoch auf die zunehmende Dramatik des Augenblicks, indem sie politische Schlagzeilen und politisches Engagement meiden, aus Angst, traumatisiert zu werden, selbst wenn sie "die Nachrichten" sehen. Als Psychotherapeutin, die mit Veteranen und Militärfamilien arbeitet, spreche ich oft mit Menschen, die beschlossen haben, ihren Nachrichtenkonsum einzuschränken oder die Nachrichten gar nicht mehr zu verfolgen. Wiederholte Massenerschießungen an Orten wie Schulen oder Kirchen in Verbindung mit der zunehmenden Sichtbarkeit und dem Einfluss von Milizen bei an sich friedlichen Demonstrationen können mehr Narben hinterlassen als die Wunden, die Soldaten einst in Kampfgebieten erlitten haben.
Ich muss zugeben, dass meine Familie und ich manchmal eine ähnliche Form der Politikvermeidung praktiziert haben. Kürzlich plante ich, mit meinen beiden kleinen Kindern an der Veranstaltung "March for Our Lives" zu Waffenkontrolle auf der National Mall in Washington teilzunehmen. Mein Mann, ein aktiver Soldat, riet mir jedoch dringend davon ab. Wenn Extremisten auftauchen würden, könnte es für mich allein schwierig werden, unsere Kinder aus der Gefahrzone zu bringen. Ich habe es mir anders überlegt und bin zu Hause geblieben.
In einem Land, in dem ein republikanischer Senatskandidat einen Werbespot schalten kann, in dem er mit einer bewaffneten Militäreinheit auf einer Wohnstraße zu sehen ist und die Amerikaner auffordert, "RINOS" – "Republicans in Name Only" bzw. diejenigen, die Trump kritisieren – zu jagen, ohne dafür von seiner Partei gerügt zu werden, halte ich die Ängste meiner Familie für begründet.
Die Frage "Was, wenn etwas passiert?" bei einer Demonstration wäre weder meinem Mann noch mir in den Sinn gekommen, als wir uns vor mehr als zehn Jahren zum ersten Mal trafen.
Als Menschenrechtsaktivistin, die jahrelang in Wladimir Putins Russland gearbeitet hat, kann ich sagen, dass ich jetzt mehr Angst vor den Reaktionen rechtsgerichteter Amerikaner habe als vor der weitaus gezielteren Gewalt des Kreml-Machthabers. Ich schätze, die Erinnerung an den Aufruhr, den Aufstand, den Putschversuch (oder wie auch immer man das bezeichnen will) am 6. Januar im Kapitol durch einen Mob wütender Trump-Anhänger lastet immer noch schwer auf mir.
Der Teufel steckt im Detail
Heutzutage sind es alltägliche Dinge wie die Treffen der republikanischen Partei, die Details zutage fördern, auf die wir achten sollten. Solche Konferenzen offenbaren ein neues Maß an Kampfeslust, da die Parteiführer versuchen, staatliche und lokale Gesetze und Politiken nach ihren immer weniger demokratischen Wünschen zu gestalten. So erhielt Politico vor kurzem Mitschnitte von Mitarbeitern des Republican National Committee (RNC), das nationale Organisationsgremium der Republikanischen Partei, die Tausende von freiwilligen Wahlbeobachtern ausbilden, um künftige Wahlen in von Demokraten gehaltenen Bezirken in sogenannten Swing States wie Michigan zu stören, indem sie die Wahlberechtigung von Wählern aktiv in Frage stellen.
Das RNC und seine Mitgliedsorganisationen bringen diese "Wahlbeobachter" mit Hotlines und Websites in Verbindung, auf denen parteifreundliche Anwälte, Polizeibeamte und Staatsanwälte aufgelistet sind, die bereit sein könnten, während der Wahl und der Stimmenauszählung in Echtzeit einzugreifen. Die von der rechtsgerichteten Organisation Amistad Project rekrutierten Staatsanwälte sind beispielsweise in der Lage, immer schneller Ermittlungen einzuleiten und Vorladungen zu erlassen.
Die Republikaner-Initiative bei den Wahlen beruht natürlich auf der unbegründeten Behauptung, dass die Wahl 2020 vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump gestohlen wurde. Die Identifikation dieses Ausschusses mit einer solchen Lüge sollte jede Vorstellung davon, dass solche Möchtegern-Wahlbeobachter fair handeln könnten, sofort widerlegen. Die Rolle von Wahlbeobachtern und Wahlanfechtern muss rechtlich eigentlich getrennt sein, und nur Wahlanfechter sind in den meisten Bundesstaaten, darunter auch Michigan, befugt, in den Wahlprozess einzugreifen – und das auch nur auf der Grundlage von Fakten.
Doch wir befinden uns eindeutig in einer Welt, in der die republikanische Parteispitze begonnen hat, die Wahllokale wie Kriegsgebiete zu behandeln. In diesem Geiste beschrieb Matthew Seifried, ein RNC-Beauftragter für Wahlintegrität in Michigan, seine zukünftigen Wahlhelfer und die sie unterstützenden Beamten so: "Es wird eine Armee sein." Er fügte hinzu, dass seine Partei "mehr Anwälte haben wird, als wir je rekrutiert haben, denn seien wir mal ehrlich, dort wird der Kampf stattfinden, richtig?"
Seifried und seine Kollegen aus Michigan sind mit ihrer kämpferischen Rhetorik alles andere als allein. Eine derart militarisierte Sprache ist längst Teil unserer politischen DNA. Erst kürzlich veröffentlichte die Republikanische Partei in Texas eine Erklärung, in der sie sich weigerte, die Legitimität von Joe Bidens Wahlsieg 2020 anzuerkennen. Die Führung rief die Republikaner in diesem Bundesstaat auf, "in die Offensive zu gehen und den Kampf für unser Land zu gewinnen!"
In Texas und anderswo werden Personen, die diese Wut (und manchmal auch die Vision eines zukünftigen weißen Ethnostaats) zum Ausdruck bringen, gewählt. Erstaunlich viele republikanische Kandidaten und Amtsträger, die die Ansicht teilen, dass die Wahl 2020 gestohlen wurde, äußern sich ebenfalls regelmäßig zur rassistischen "Great Replacement Theory" (Theorie der Umvolkung) der Weißen. In der Zwischenzeit werden im ganzen Land von den republikanisch kontrollierten Landesparlamenten mehrere Wahlgesetzentwürfe geprüft, die es ihnen in Zukunft ermöglichen würden, Wahlen zu annullieren.
Nach Angaben des "International Center for Not for Profit Law" haben 45 Bundesstaaten 230 Gesetzesentwürfe in Erwägung gezogen, die die "Bedrohung" durch gewalttätige Proteste von Linken oder Schwarzen unter Strafe stellen würden. Und leider sind rechtsextreme Aktivisten alles andere als eine Randgruppen-Bewegung, da sie die Idee friedlicher Wahlen und öffentlicher Proteste (die nicht die ihren sind) in Frage stellen.
Gewiss, linke Gewalt und kämpferische Rhetorik gibt es in diesem Land, wenn auch nur in geringem Umfang. Die Erschießung eines Trump-Anhängers durch einen Antifa-Demonstranten in Portland, Oregon, während einer Black-Lives-Matter-Demonstration im August 2020 ist das einzige Beispiel für einen tödlichen Angriff durch diese linke Gruppe oder andere Antifaschisten in den letzten 25 Jahren. Von den 450 Morden, die in den letzten zehn Jahren von politischen Extremisten begangen wurden, entfielen etwa vier Prozent auf linke Gruppen und etwa 75 Prozent auf rechtsgerichtete (weiße, an die Vorherrschaft der weißen Rasse glaubende und regierungsfeindliche) Gruppen.
In meiner eigenen Großfamilie mit Eltern, Geschwistern, Tanten und Onkeln, von denen die meisten Trump unterstützen, hat etwa die Hälfte aufgehört, mit mir zu sprechen, während einige mich in den sozialen Medien als "schwach" und "Feigling" bezeichnet haben, weil ich in Aufsätzen wie diesem die US-Regierung und ihr Militär offen kritisiert habe. (Anzumerken ist, dass meine unmittelbare militärische Familie und meine Freunde unseren Differenzen weitaus freundlicher begegnen).