Amnesty beschuldigt die Türkei, illegal hunderte Flüchtlinge festzunehmen und unter Zwang abzuschieben

Der EU wird vorgeworfen, die Haftzentren mit zu finanzieren, nachdem die Türkei zum "Türwächter" wurde

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Seit den Vereinbarungen der EU mit der Türkei ist der Zustrom an Flüchtlingen, die über die Türkei in die EU kommen, etwas geringer geworden - aber es kommen täglich weiterhin bis zu 3000 Flüchtlinge in Griechenland an. Dort spitzt sich die Lage derweil zu, nachdem Mazedonien die Grenze geschlossen hat (Flüchtlinge in Griechenland: Messerstechereien und Prügeleien).

Die EU hat sich das Wohlwollen des türkischen Präsidenten Erdogan vor allem teuer politisch erkauft. Die Einschränkung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Vorgehen gegen die PKK, die syrischen Kurden und vor allem die Kurdengebiete im Land (Ausnahmezustand in den kurdischen Städten in der Türkei), die poröse Grenze zu dem vom IS kontrollierten Gebiet, die Eskalationspolitik gegenüber Russland und zuletzt die Mitgliedschaft in der von den Saudis aufgestellten Militärallianz wird zumindest nach außen hin stillschweigend geduldet, um den Flüchtlingsdeal nicht zu gefährden.

Dazu kommt nun der Vorwurf, den die Menschenrechtsorganisation amnesty international erhebt. Seit den Gesprächen zwischen der EU und der Türkei im September, um das Land zum "Türsteher" machen, so der Bericht mit diesem Titel "Europe's Gatekeeper", hätten türkische Sicherheitskräfte dutzende, wahrscheinlich sogar hunderte Flüchtlinge und Asylsuchende aufgegriffen, in Busse gesteckt und in mehr als 1000 km entfernte Haftzentren in Erzurum oder Düziçi verbracht, wo sie bis zu zwei Monaten in Isolationshaft festgehalten werden. Manche hätten davon berichtet, über Tage gefesselt gewesen und geschlagen worden zu sein, um dann mit Gewalt in die Länder zurückgebracht zu werden, aus denen sie kamen. Zudem mussten sie in türkischer Sprache verfasste Dokumente unterzeichnen, die sie nicht verstanden.

Man habe mehr als 100 willkürliche Festnahmen und gewaltsame Abschiebungen dokumentiert. Man müsse aber davon ausgehen, dass die wirkliche Zahl viel höher liege. Die neue Praxis müsse untersucht werden, um die Flüchtlinge zu schützen. AI fordert die Türkei auf, illegale Festnahmen und Abschiebungen einzustellen, und verlangt von der EU und der Türkei die Einrichtung unabhängiger Prüfmechanismen zur Einhaltung der Menschenrechte.

Menschen dazu zu zwingen, in Länder wie Syrien oder den Irak zurückzukehren, verstoße direkt gegen internationales Recht, so John Dalhuisen von Amnesty International. Bislang seien die türkischen Behörden im Allgemeinen humanitär mit den Flüchtlingen umgegangen. Bis zum September dieses Jahres habe es keine illegalen Festnahmen und Abschiebungen gegeben. Amnesty vermutet, dass die Kehrtwende mit der neuen Rolle der Türkei als "Türhüter" zu tu habe. Damit stehe die EU selbst in der Gefahr, schwere Menschenrechtsverletzungen zu fördern.

In dem im November unterzeichneten Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei (Aktionsplan) bietet die EU 3 Milliarden Euro an, wenn die Türkei den Flüchtlingsstrom begrenzt und die Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei verbessert. Amnesty sieht hier einen direkten Zusammenhang : "Es ist schockierend, dass das EU-Geld dazu verwendet wird, ein illegales Inhaftierungs- und Abschiebeprogramm zu finanzieren", so John Dalhuisen.

Tatsächlich scheint die EU zumindest zuzulassen, dass Gelder für Ausstattung und Infrastruktur von Inhaftierungszentren verwendet werden, in die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak festgehalten werden. So hätten Flüchtlinge AI-Mitarbeiter Etiketten von Betten und Schränken gezeigt, die belegen, dass diese unter einem EU-Beitrittsprogramm gekauft worden seien. EU-Mitarbeiter in Ankara hätten gegenüber AI erklärt, dass die sechs im Aktionsplan genannten Aufnahmezentren in Wirklichkeit Haftzentren werden.