Amri: Bundesregierung blockiert Aufklärung

Seite 3: Mindestens fünf Spitzel im Umfeld von Amri

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Besonders hartnäckigen Widerstand gegen die Fragen der Ausschussmitglieder leistete die Regierungsbank, wenn es um weitere islamistische Gefährder und mögliche Erkenntnisse des BfV geht. Darunter Bilel Ben Ammar und Habib Selim, die mit Amri im Juli 2015 nach Deutschland eingereist sein sollen. Ben Ammar stand nach dem Anschlag unter Mordverdacht, er wurde inhaftiert und im Ermittlungsverfahren "City" des Bundeskriminalamtes als Beschuldigter geführt. Jedoch: Aus diesem Verfahren heraus hat ihn die Bundesanwaltschaft am 1. Februar 2017 nach Tunesien abschieben lassen. Sein Aufenthaltsort soll nicht bekannt sein.

Von der BfV-Zeugin erfährt man, dass Ben Ammar, Selim und eine dritte Person ebenfalls auf der Tagesordnung im GTAZ standen. Das war bisher nicht bekannt. Von sich aus haben die vielen Behördenvertreter, die in den Untersuchungsausschüssen zum GTAZ befragt wurden, das nicht mitgeteilt.

Auch die Nennung weiterer Namen wie beispielsweise Sabou S., Sabri Ben H. oder Ahmed J. wollten die Regierungsvertreter im Bundestagsauschuss am liebsten unterbinden. Der mögliche Grund: Sie führen zu zwei Operationen von Sicherheitsbehörden, über die bisher wenig bekannt ist: Einem Ermittlungsverfahren des BKA mit dem seltsamen Namen "Eisbär" sowie einem "Gefahrenabwehr-Vorgang" namens "Lacrima". "Lacrima" ist Italienisch und bedeutet "Träne".

Das könnte darauf hindeuten, dass es Spuren des mutmaßlichen Attentäters Amri gibt, die nach Italien führen. Dort hatte der Tunesier nach seiner Flucht vier Jahre in Haft gesessen. Von dort kam er im Juli 2015 nach Deutschland. Mit falschen italienischen Personalpapieren wurde er im Juli 2016 an der deutsch-schweizer Grenze erwischt. Nach Italien begab sich Amri nach dem Anschlag in Berlin. In Italien fand er den Tod. Und von Italien aus war auch der Lastwagen gestartet, den Amri zur Tatwaffe machte.

Was wussten polizeilicher Staatschutz und Verfassungsschutz über Anis Amri? Die Zahl der Spitzel, unter denen er sich bewegt hatte, wird größer: Da ist die "V-Person 01/Murat" des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, die derart eng an ihm dran war, dass sie ihn mindestens einmal von NRW nach Berlin gefahren hat. In der Fussilet-Moschee in Berlin agierten der jetzt entlarvte V-Mann des BfV sowie ein V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Berlin.

In der fundamental-islamistischen Gruppe der DIK-Moschee in Hildesheim um den Prediger Abu Walaa, zu der sowohl Amri als auch die VP 01 in Kontakt standen, hatte, wie im August 2018 die Bundesanwaltschaft mitteilte, außerdem ein "jordanischer Geheimdienst" einen Agenten plaziert: den 33-jährigen deutschen Staatsangehörigen Alexander B. Und im September 2018 erfuhr man, dass eine Kontaktperson eines der fünf Angeklagten der Abu-Walaa-Gruppe ebenfalls für das LKA von NRW tätig war: Der frühere Präsident einer inzwischen verbotenen Rockergruppe. Summa summarum: Bis dato mindestens fünf Spitzel im Umfeld von Amri - ein regelrechtes Geheimdienst-Gewimmel, das sich da abzeichnet.

Am 27. September setzt der Bundestagsausschuss seine Arbeit fort. Dabei soll es erneut um das BfV gehen.