Anatomie einer Liquiditätsblase

Seite 2: Finanzblasentransfer in die Schwellenländer

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Verfangen in dieser globalen Liquiditätsblase, gleicht das spätkapitalistische Weltsystem einem monetären Junkie, der regelrecht abhängig ist von immer neuen Geldspritzen der Notenbanken, mit denen die Blasenbildung in der Finanzsphäre befeuert wird (Süchtig nach regelmäßigen Liquiditätsspritzen). Dieser "hohle" Charakter der gegenwärtigen Liquiditätsblase, die letztendlich durch bloße Gelddruckerei befeuert wird, lässt auch in den Wirtschaftsredaktionen die Ahnung aufkommen, das System habe sich "im Leerlauf überhitzt".

Und diese Strategie war tatsächlich kurzfristig "erfolgreich", da sie die Kernschmelze des Weltfinanzsystems und den 2009 drohenden Absturz der Weltwirtschaft in die Depression verhindern konnte. Doch geschah dies um den Preis einer abermaligen Blasenbildung, die gerade durch die konjunktur- und geldpolitischen Maßnahmen der Politik befördert wurde. Die massiven Konjunkturprogramme - insbesondere in China - und die beständigen Liquiditätsspritzen für das schwindsüchtige Weltfinanzsystem - insbesondere in den USA - ließen eine neue Spekulationsdynamik entstehen, deren Triebmotor gerade die in die Märkte gepumpte Liquidität darstellt.

Die Funktionseliten des Kapitals konnten das unkontrollierbare Spekulationsfeuer an den Finanzmärkten nur mit Benzin löschen - indem sie abermals einen regelrechten Finanzblasentransfer ermöglichten, bei dem die drohenden desaströsen Folgen einer geplatzten Spekulationsblase durch eine erneute Blasenbildung abgefedert werden.

Im Gefolge der Nullzinspolitik in den Zentren ging dieses anlagesuchende Kapital dorthin, wo die Renditeerwartungen höher waren: in die Schwellenländer, die nach 2008 einen kurzen schuldenfinanzierten Boom erlebten, eine sogenannte Defizitkonjunktur (An der Schwelle zum neuen Krisenschub). Angesichts der drohenden Zinswende der Fed und der Erschöpfung dieser Defizitkonjunkturen in den überschuldeten Schwellenländern fließt das Kapital wieder zurück in die Zentren. Bis zu einer Billion US-Dollar sollen aus den Schwellenländern während des letzten Jahres abgezogen worden sein, was zu den Währungsturbulenzen und Finanzkrisen in der Semiperipherie führte.

Die ersten Einbrüche an den Märkten in den Zentren des Weltsystems lassen die Einsicht aufkommen, dass der Westen sich von diesen Verwerfungen in der Peripherie nicht wird abschotten können, da die gegenwärtige Liquiditätsblase tatsächlich globale Dimensionen angenommen hat. Dabei spiegelt gerade China mit seiner heißgelaufenen Aktienspekulation diesen globalen Krisenverlauf wider - der enorme Aufschwung an den Aktienmärkten etwa in Deutschland und den USA ist angesichts der real wirtschaftlichen Entwicklung genauso absurd wie derjenige in der "Volksrepublik".

Die expansive Geldpolitik der Notenbanken - früher der US-amerikanischen Fed, nun der Europäischen Zentralbank - führte bis jetzt nur deswegen zu keiner Inflation, weil sie die besagte Liquiditätsblase aufblies, die eine Inflation der vom Spekulationsfieber erfassten Wertpapierpreise und Eigentumstitel auslöste: in Peking, in New York, in Frankfurt am Main.

Das spätkapitalistische Weltsystem wird somit tatsächlich von einer an Intensität gewinnenden Finanzblasenökonomie angetrieben, bei der es gerade diese spekulationsbefeuerten Boomphasen sind, die zu den zentralen Konjunkturtreibern aufstiegen - während die Kosten der Stabilisierung des Weltwirtschaftssystems bei dem unausweichlichen Platzen dieser in immer abartigere Dimensionen anschwellenden Blasen beständig anwachsen.

Der gegenwärtigen Liquiditätsblase ging ja die besagte transatlantische Immobilienbase voraus, die wiederum der großen Dot-Com-Blase zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Nasdaq-Boom, T-Aktie und Neuer Markt) folgte. Die "herrschenden" Funktionseliten agieren als Getriebene dieser historisch einmaligen Finanzialisierung (und Verschuldung) des Kapitalismus, indem sie diesen Krisenprozess zu prolongieren und dessen verheerende sozioökonomischen Folgen auf andere Gruppen oder Regionen abzuwälzen versuchen (Peripherie, sozial Schwache, Arbeitslose, etc.).

Doch angesichts der extremen Maßnahmen, die beim Platzen der Immobilienblasen in der EU und den USA ergriffen werden mussten (Nullzinspolitik und exzessive Gelddruckerei), scheinen der Politik nun keine relevanten Optionen mehr zur Verfügung zu stehen, um den abermaligen Zusammenbruch der gegenwärtigen Liquiditätsblase abzufedern und vermittels seines Finanzblasentransfers in eine abermalige Spekulationsdynamik zu überführen. Eine abermalige schuldengetriebene Stabilisierung des an einer Hyperproduktivität erstickenden Spätkapitalismus (Die Krise kurz erklärt) scheint kaum noch machbar.