Angebliches Kanonenfutter in Kursk: Wem dient Nordkoreas Geistertruppe?

Moskau und Pjöngjang: Viel Aufregung um Soldaten, die noch niemand gesehen hat. Bild: Tomas Ragina/ Shutterstock.com

Nordkoreas Soldaten kämpfen angeblich in Russland. Die USA melden hohe Verluste der Truppen in der Region Kursk. Doch wo sind die Beweise?

Die USA sind sich sicher: Nordkoreanische Streitkräfte, die in der russischen Region Kursk stationiert worden sind, um dort den russischen Verteidigern gegen ukrainische Besatzungstruppen beizustehen, haben schwere Verluste erlitten haben.

Dies teilten US-Beamte am Dienstag mit, ohne aber ins Detail zu gehen. So wurden die genauen Zahlen der Vermissten, Toten und Verwundeten nicht spezifiziert. Auch blieb unklar, ob einige der angeblich Verwundeten wieder einsatzfähig werden könnten.

Laut den anonymen US-Beamten seien bei den Gefechten fast alle Ränge der nordkoreanischen Truppen betroffen, da die ukrainischen Streitkräfte erfolgreich die Kommando- und Stützpunkte der Hilfstruppen aus Pjöngjang ins Visier genommen hätten.

Auch eine Erklärung hat man in Washington und Kiew parat: Die nordkoreanischen Truppen hätten, obwohl sie als Spezialeinheiten gelten, vor ihrer Ankunft in Russland noch keine Kampferfahrung sammeln können.

Verteidigung der Region Kursk

Die ukrainischen Streitkräfte verteidigen das Gebiet, das sie im Sommer in Kursk erobert hatten, in der Hoffnung, dass dieser Zug ihre Optionen bei möglichen Verhandlungen mit Russland verbessern könnte.

Russlands Präsident Wladimir Putin hingegen hat seine Beziehungen zu Nordkorea und dessen Staats- und Regierungschef Kim Jong-un, seit er im Februar 2022 die Invasion in der Ukraine befohlen hatte, verstärkt. Im Juni besuchte er Kim in Pjöngjang. Der Südkoreanische Nationale Nachrichtendienst untersucht derzeit die Berichte über den Tod nordkoreanischer Truppen, wie die Nachrichtenagentur Yonhap berichtete.

Pentagon bestätigt Kampfeinsatz

Bereits am Montag behauptete Pentagon-Sprecher Pat Ryder bekannt, dass nordkoreanische Soldaten vergangene Woche in Kursk in den Kampf eingetreten seien. Die russischen Streitkräfte hätten versucht, das im August von der Ukraine zurückeroberte Territorium zurückzugewinnen. Ryder dazu:

Wir schätzen, dass nordkoreanische Soldaten in Kursk im Kampf standen. (…) Wir haben Anzeichen, dass sie Verluste erlitten haben, sowohl getötete als auch verwundete.

Nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes wurden mindestens 30 nordkoreanische Soldaten am Wochenende an der Frontlinie in Kursk in den russischen Dörfern Plekhovo, Vorozhba und Martynovka getötet oder verletzt. Diese Angaben konnten jedoch nicht unabhängig überprüft werden – und sind noch aus einem anderen Grund fragwürdig.

Reaktionen und Strategien

Die USA haben auf die angebliche Entsendung der nordkoreanischen Truppen reagiert: Präsident Biden erlaubte der Ukraine, US-amerikanische Langstreckenraketen gegen bestimmte militärische Ziele über die Grenze hinweg einzusetzen, da Russland nordkoreanische Truppen in den Krieg gebracht hatte, so US-Beamte. Die Entsendung der Nordkoreaner beschränkte sich bisher auf russisches Territorium.

Oleksiy Melnyk, ein militärischer Analyst und ehemaliger ukrainischer Kommandeur, äußerte die Vermutung, dass die Zahl der Truppen zwar relativ klein sei, aber große Auswirkungen haben könnte, falls Russland Nordkorea für seine Hilfe mit fortgeschrittener Technologie belohnen würde.

Zudem sei die Maßnahme darauf ausgelegt, den Westen zu provozieren und eine Reaktion zu testen. Präsident Wolodymyr Selenskyj von der Ukraine sagte am Samstag, dass Russland begonnen habe, eine bedeutende Anzahl nordkoreanischer Soldaten in Angriffen in Kursk einzusetzen und dass Informationen darauf hindeuten, dass ihr Einsatz auch auf andere Teile der Frontlinie ausgeweitet werden könnte.

Zukünftige Verhandlungen

Während die ukrainischen Kräfte wahrscheinlich in der Lage sein werden, das Gebiet für mindestens einige Monate zu halten, wird es eine Herausforderung sein, diese Position über die Zeit aufrechtzuerhalten – darin sind sich Militärexperten sicher. Der gewählte Präsident Donald Trump äußerte, dass die Ukraine ein Abkommen erreichen sollte und spielte den Wert des von Moskaus Kräften besetzten Landes herunter.

Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass er auf eine Regelung drängen könnte, die russische Gebietsgewinne festschreibt. Keith Kellogg, Trumps Sondergesandter für die Ukraine und Russland, plant, im nächsten Monat Kiew zu besuchen und wäre offen für Treffen in Moskau, falls eingeladen, da die kommende Administration bestrebt ist, den fast dreijährigen Krieg zu beenden.

Geistertruppe aus Nordkorea

Seit Woche haben westliche Regierungen und der ukrainische Militärgeheimdienst übereinstimmend über den Einsatz nordkoreanischer Soldaten an der Seite Russlands im Ukraine-Krieg berichtet, insbesondere in der Region Kursk nahe der ukrainischen Grenze.

Das US-Außenministerium bestätigte die These einer Beteiligung nordkoreanischer Soldaten an Kampfhandlungen in Kursk. Ein hochrangiger US-Militär schätzte, dass Nordkorea dabei bereits "mehrere hundert" Tote und Verletzte zu beklagen hat.

Zeitgleich sprach auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von einer "beträchtlichen Anzahl" nordkoreanischer Soldaten und "erheblichen Verlusten". Laut ukrainischem Militärgeheimdienst HUR kamen allein an einem Wochenende mindestens 30 Nordkoreaner ums Leben oder wurden verwundet. Nachweise gibt zu all diesen Meldungen nicht.

Geheimdienstinformationen zufolge wurden nordkoreanische Einheiten zunächst auf russischen Truppenübungsplätzen ausgebildet und dann nach Kursk verlegt. Südkoreanische Satellitenbilder sollen dies belegen. Insgesamt sollen über 10.000 nordkoreanische Soldaten in der Region stationiert sein. Auch Raketentrümmerteile nordkoreanischer Herkunft wurden in der Ukraine nachgewiesen.

Als gesichert kann gelten: Russland und Nordkorea haben ihre militärische Kooperation zuletzt mit einem Verteidigungspakt intensiviert. Die Hinweise auf nordkoreanische Truppen im Ukraine-Krieg aber stammen aus westlichen Regierungskreisen, Geheimdiensten und Expertenanalysen.

Diese Informationen können nicht unabhängig überprüft werden. Und vor allem: Belege, etwa Fotos oder nordkoreanische Kriegsgefangene, gibt es nicht. So bleiben die Truppen vor allem eines: eine Geisterarmee. Eine Auswirkung ist jedoch real: Der mit ihnen begründete Einsatz US-amerikanischer Raketen auf russisches Territorium.