Angst als Managementtool: Wie Unternehmen Veränderungen durchsetzen

Arbeiter an Rand gepresst

Unternehmen nutzen Angst, um Wandel voranzutreiben. Changemanagement soll Widerstände brechen. Doch welche Risiken birgt diese Strategie?

Die Meldungen ähneln sich: Bei Industrieunternehmen besteht ein Abwanderungstrend, berichtet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter Berufung auf eine Umfrage von Unternehmen mit. Danach erwägen aktuell vier von zehn Industriebetrieben hierzulande, ihre Produktion einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern.

Diese Veröffentlichung durch einen Verband der Unternehmen richtet sich an politische Entscheidungsträger und soll Forderungen an die Bundesregierung adressieren. Was dabei oft übersehen wird: Mit derartigen Mitteilungen wird auch Druck auf die Beschäftigten ausgeübt.

Denn Belegschaften soll verdeutlicht werden, dass es Veränderungen geben muss. Klar formuliert es Klaus Doppler, ein Vordenker des Change Management-Ansatzes1:

Zum einen geht es darum, gekonnt Irritationen zu schaffen, dass ein System aus seinem inneren Gleichgewicht gerät. Solange nämlich die Betroffenen rundum zufrieden sind, ihre Situation für selbstverständlich oder für unveränderbar halten, fehlt grundsätzlich die Voraussetzung für eine Veränderung. Diese Ruhe gilt es zu destabilisieren, zum Beispiel mithilfe von Szenarien über die zukünftige Entwicklung, die echte Überlebensängste aufkommen lassen.

Changemanagement zur Durchsetzung des Managerwillens

Mit Angst wird Unternehmenspolitik betrieben. Unternehmen sind immer wieder Veränderungen unterworfen. Dazu zählen technische Neuerungen, die Veränderung von Arbeitsabläufen, die Erweiterung von Geschäftsfeldern oder die Fusion von Unternehmen. Um den Ablauf dieser Neuerungen reibungslos und zielgerichtet zu gestalten, haben Unternehmensberater das Konzept des Changemanagements entwickelt.

Aus Sicht der Unternehmensleitung ist es eine große organisatorische Aufgabe, Umstrukturierungen zu gestalten und erfolgreich abzuschließen. Unter dem Begriff "Changemanagement" wird die Summe aller Konzepte und Methoden zur Steuerung und Begleitung von Veränderungsprozessen verstanden. Ziele von Changemanagement sind schwerpunktmäßig:

  • den Wandel des Unternehmens zu unterstützen,
  • anstehende Planungen gezielt umzusetzen, etwa die Umgestaltung von Abteilungen oder Digitalisierung von Abläufen
  • und das Risiko des Scheiterns zu verringern.

Unternehmensberater empfehlen: Umgang mit Ängsten steuern

Veränderungen sind oft mit Ängsten und Widerständen verbunden. Mitarbeiter fühlen sich unsicher oder bedroht durch die neuen Technologien und Prozesse, was zu einem Mangel an Engagement und Unterstützung führt. Ein effektives Change Management ist entscheidend, um diese Widerstände zu überwinden und die Mitarbeiter in den Transformationsprozess einzubeziehen.

Christian Bäcker, Geschäftsführer der Proven-Impact GmbH, die Unternehmen bei der Digitalisierung berät

Es gebe drei Phasen, die jedes Unternehmen durchläuft: Restrukturierung, Konsolidierung und Wachstum. "Sie wechseln sich in einem Kreislauf ab", argumentiert Ulvi I. Aydin, Inhaber von Aycon Management Consulting GmbH.

Die Restrukturierung werde erforderlich, warnt er Manager, wenn "Frühwarnsignale nicht erkannt" werden. "Eine Notoperation ist erforderlich". Auch den Angestellten gegenüber müsse gehandelt werden: "Hier braucht es klare Ansagen, eindeutige Rollenverteilung und transparente, unverblümte Kommunikation." Es sei keine Zeit für Visionen, vielmehr sei der Gestaltungsspielraum der Beschäftigten einzugrenzen und sie "an die kurze Leine" zu nehmen.

In der Konsolidierungsphase gehe es um "Rehabilitation", jetzt seien Schlachtpläne für die Markteroberung zu schmieden. Wichtig für das Management sei: "Agieren wie ein Langläufer, nicht wie ein Sprinter", so der Unternehmensberater.

Risiken werden oft verschwiegen

Risiken bei Verlagerung ins Ausland benennen Unternehmen selten öffentlich. Firmen, die in den USA Geschäfte machen wollen, unterschätzen oft die Risiken, verdeutlicht US-Anwalt Manny P. Schoenhuber, Anwalt für internationales Recht in Houston/Texas.

Das beginnt bereits beim Fragerecht in Vorstellungsgesprächen:

In den USA sind viele Angaben wie Alter, nationale Herkunft und Geschlecht geschützt. In Bewerbungen kommen diese Daten gar nicht vor. Informationen, die in Deutschland erfragt werden dürfen, sind in den USA tabu.

Manny P. Schoenhuber

Schoenhuber sieht "Arbeitnehmer immer auf dem Absprung": Mitarbeiter ohne schriftliche Vereinbarung können jederzeit selbst kündigen, eine Kündigungsfrist von nur zwei Wochen sei üblich. Fachkräfte können so schnell fehlen, eine Personalplanung schwierig werden.

Rechtliche Fallstricke könne sich aus dem Rechtssystem ergeben:

In den USA gibt es fast keine Gesetzbücher mit festgeschriebenen Regeln wie dem BGB. Das US-Recht ist Case Law basierend auf dem britischen Common Law, Anwälte berufen sich auf andere, wichtige Urteile der Gerichte, um die Richter oder Geschworene zu überzeugen.

Manny P. Schoenhuber

Anwälte in den USA verlangen deutlich höhere Honorare als Kanzleien hierzulande. Dieses Geld müsse aber auch eingeplant werden, da "eine fehlerhafte Beratung letztlich teurer ist", so Schoenhuber.

Die EU-Registrierung schützt deutsche Patente nicht automatisch auch in den USA. Stattdessen müssen sie dort schnellstens angemeldet werden: Denn die Frist für den Antrag auf zusätzlichen Patentschutz in den USA betrage nur ein Jahr. Der Autor verdeutlicht, dass die Verlagerung von Arbeit für Unternehmen keine einfache Lösung ist.

Auch Führungskräfte unter Druck

Häufige Veränderungen sind auch für Führungskräfte ein Stressfaktor. Sie sind auch selbst von den Veränderungen betroffen, da klassische Führung in komplexen Prozessen an ihre Grenzen stößt, erklären Katja Koch und Katharina Vollus für die MHP Management- und IT-Beratung.

Sie versprechen: "Hier setzt Agile Leadership an". "Agile Leader zeichnen sich demnach durch ein grundlegendes Verständnis von Changemanagement aus": Die richtige Haltung hat dabei einen besonderen Stellenwert. "Führungskräften fällt es häufig schwer, ihre bisherigen Denkmuster zu durchbrechen", so Koch und Vollus. Sie sollten sich dabei bewusst sein, "dass jede Änderung bei sich selbst beginnt und sie maßgeblich dafür verantwortlich sind".

Dies ist für Beschäftigte und Vorgesetzte mit großen Herausforderungen verbunden. Da die Arbeitsaufgaben im Veränderungsprozess oft nicht vorgegeben sind, müssen diese in Projekten erst Schritt für Schritt definiert werden. Anforderungen können sich jederzeit verändern, falls der Kunde das wünscht.