Arbeiter for Future – Beschäftigte kämpfen um Arbeitsplätze und sinnvolle Produktion

Porträt glücklicher Arbeiter in einer Fabrik

Die Arbeiter diskutieren entschlossen über eine ökologische und sozial verantwortliche Produktion im besetzten Werk.

(Bild: Parilov / Shutterstock.com)

Die Arbeiter kämpfen um Kontrolle über die Produktion. Statt Abfindungen wollen sie ökologischen Umbau. Ein Modell für Transformationen von unten in Deutschland?

Mit der Veranstaltung "Wir hungern nach einer neuen Welt" auf der Piazza Poggi in Florenz machten die Arbeiter des GKN-Werks auf ihre Situation aufmerksam. Seit drei Jahren halten sie ihr Werk besetzt.

GKN, ein multinationaler britischer Automobilzulieferer, stellt im Auftrag von Automobilherstellern Achswellen her. Im Jahr 2021 kündigte die Unternehmensleitung die sofortige Schließung des Standorts Campi Bisenzio in der Provinz Florenz an. 450 Beschäftigte verloren damit von einem Tag auf den anderen ihren Arbeitsplatz.

Fabrikbesetzung statt Massenentlassungen

Die Entscheidung wurde in einer internen E-Mail an die Belegschaft bekannt gegeben. Doch die Belegschaft wollte die Massenentlassungen nicht hinnehmen: Die Arbeiter besetzten die Fabrik. Statt um einen Sozialplan mit Abfindungen kämpfen sie um die Kontrolle über die Produktion.

Die Arbeiter diskutieren, wie sie eine ökologisch und sozial sinnvolle Produktion aufbauen können. Es bildete sich eine solidarische Forschungsgruppe: Mit einem "Reindustrialisierungsplan" von Forschern der Universität Pisa wurde deutlich, dass Arbeitsplatzerhalt und ökologischer Umbau möglich sind. Auf 55 Seiten zeigen die Wissenschaftler Alternativen auf, wie der Industriestandort in der Toskana zu einem Forschungszentrum für den ökologischen Umbau werden kann.

Lastenräder statt Achswellen: Transformation von unten

Konkret planen die Fabrikbesetzer nun die Produktion von Lastenrädern. Die Wirkung dieses praktischen Beispiels einer Transformation von unten ist nicht zu unterschätzen. Gerade in der heutigen Zeit führt die Perspektivlosigkeit vieler Menschen und die Angst um den Arbeitsplatz oft zur Wahl rechtsextremer Parteien und damit zur Stärkung rechter Kräfte in ganz Europa.

Die Beschäftigten bei GKN wollen über die Produktionsziele entscheiden und zeigen, dass es keinen Widerspruch zwischen den Interessen von Industriearbeitern und einer klimagerechten Transformation geben muss. Der italienische Schauspieler Valerio Mastandrea verfolgt den Kampf der Arbeiter von Anfang an mit Sympathie, wegen dieses "Aufbegehrens, das endlich einmal die einfache Empörung ersetzt hat".

"Einer der größten Erfolge, den sich das Kollektiv anrechnen kann, ist die Zusammenarbeit mit der jungen Klimabewegung in Italien. Das Fabrikkollektiv arbeitet mit Fridays for Future (FFF) zusammen", meldet die taz.

Demokratische Organisation von Produktion und Reproduktion

"Wenn wir für höhere Löhne streiken, kämpfen wir für die Fähigkeit, uns selbst zu reproduzieren. Das Gleiche gilt für Auseinandersetzungen um ein funktionierendes Gesundheitssystem, Sorgearbeit, saubere Luft und die Verteidigung unserer Lebensgrundlagen gegen die Klimakrise. Das alles ist ein Kampf – mit dem Ziel, Produktion und Reproduktion demokratisch zu organisieren", sagte Dario Salvetti, GKN-Arbeiter, bei einer Podiumsdiskussion im November letzten Jahres.

Die Beschäftigten sind auf verschiedenen Ebenen aktiv. Es ist geplant, eine Genossenschaft mit einem Stammkapital von einer Million Euro zu gründen, die das Werk übernehmen soll. Vor wenigen Tagen hat ein Gericht in Florenz die Entlassung der noch 140 Beschäftigten, die seit sieben Monaten keinen Lohn mehr erhalten haben, aufgehoben und das Unternehmen verpflichtet, das Gesetz 234/21 zur Reindustrialisierung des Standorts einzuhalten, berichtet Riccardo Chiari für die italienische Tageszeitung il manifesto.

Die Gewerkschaft fordert eine Sonderverwaltung des Unternehmens QF, dem das ehemalige GKN-Werk derzeit gehört. Inzwischen gebe es positive Gespräche zwischen der Region und dem Ministerium über die Einsetzung eines Kommissars.

"Seit einiger Zeit fordern wir die Regierung nachdrücklich auf, das Unternehmen einem Kommissar zu unterstellen, weil wir einen Ansprechpartner brauchen. Aus informellen Gesprächen mit dem Ministerium haben wir erfahren, dass man zu diesem Schritt bereit ist. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, dann sollten wir keine Zeit verlieren und so schnell wie möglich handeln, denn die Arbeiter sind erschöpft", erklären die Einheitsgewerkschaftsvertretung (RSU) und die Metallgewerkschaft (Fiom).

Mit einer Kampagne haben die Arbeiter aus Florenz im Juni hierzulande auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Von Wolfsburg nach Stuttgart ging die "Konversionstour", bei der politische Forderungen vorgestellt und für die zu produzierenden Lastenräder geworben wurde.

Alternative Wege zur Betriebsfortführung

Hierzulande streben Gewerkschaften und Betriebsräte in der Regel einen Sozialplan an, bei dem in der Praxis oft die Höhe der Abfindung entscheidend ist. Die Frage, ob das Unternehmen fortgeführt werden kann, wird selten diskutiert. Insolvenzverwalter haben den gesetzlichen Auftrag, die Fortführung des Betriebes auch mit Kostensenkungen zu organisieren. Die Entlassung von Mitarbeitern in der Insolvenz ist daher rechtlich erleichtert.

Dass Alternativen möglich sind, zeigt nicht nur das Beispiel Italien. Die PT-Regierung in Brasilien hat im Ministerium für Arbeit und Beschäftigung (SENAES / MTE) ein Staatssekretariat für Solidarische Ökonomie eingerichtet, das auch Genossenschaften fördern soll. Eine verbesserte Förderung und Beratung potenzieller Genossenschaftsgründer auf staatlicher Ebene kann dazu beitragen, diese Form der "Aneignung von Produktionsmitteln" aus ihrem Nischendasein herauszuholen.