VW, ZF, Bosch und Co: Wie Betriebsräte gegen Werksschließungen kämpfen
Personalabbau und Werksschließungen bedrohen Tausende Jobs in der Autoindustrie. Betriebsräte suchen nach Gegenwehr. Doch was können sie wirklich ausrichten?
Die Meldungen über Personalabbau scheinen kein Ende zu nehmen. Volkswagen droht mit Werksschließungen, ZF Friedrichshafen und Bosch wollen Stellen streichen. Das setzt die Belegschaften unter Druck.
"Betriebsverlagerungen nehmen zu und stellen Beschäftigte vor Herausforderungen", erläutert Hans Riegel von der Beratungsstelle forba in Berlin, die Betriebsräte unterstützt. Für Betriebsräte sei es entscheidend, "ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten zu kennen und frühzeitig zu nutzen, um die Interessen der Beschäftigten zu wahren", so Riegel in der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb".
Und weiter:
Häufig stellen die Personalkosten einen wesentlichen Kostenblock innerhalb der Kostenstruktur dar und haben daher einen hohen Einfluss auf die Standortfrage. Neben den Personalkosten sind aber auch Betriebskosten für Energie und Material von Bedeutung und sollten nicht vernachlässigt werden.
Frühzeitig von den Planungen zu erfahren, ist die erste Herausforderung für den Betriebsrat in einem betroffenen Unternehmen. Denn "je später er vom Arbeitgeber Informationen und Unterlagen erhält, desto schwerer wird es ihm fallen, die geplante Arbeitgebermaßnahme kritisch zu beurteilen, alternative Möglichkeiten zu erfassen und zu einem verhandlungsfähigen Gegenkonzept zu entwickeln", sagt Nikolai Laßmann, ebenfalls von forba in Berlin.
Nichts ist so beständig wie der Wandel, scheint das Motto vieler Unternehmen zu sein. "Wenn Führungskräfte die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens sichern wollen, müssen sie den Wandel annehmen", schreiben Marc-René Faerber und Hans-Joachim Grabow von der Unternehmensberatung Struktur Management Partner. Weiter:
Doch die größte Herausforderung für das Gros der Unternehmen besteht darin, mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte zu überdauern. Primäres Ziel der Führung sollte daher immer das Überleben des Unternehmens sein. Dafür muss sie immer wieder umfassende Transformationen stemmen, denn wie heißt es so treffend: »Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.«
Betriebsräte unter Druck
Was das bedeutet, zeigt sich derzeit in vielen Betrieben. Die häufigen Veränderungen verunsichern die Beschäftigten. Das setzt auch die Betriebsräte unter Druck. Manche Gremien gehen dabei ungewöhnliche Wege, um gegenüber der Unternehmensleitung für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu argumentieren.
Die Entwicklung von Innovationen ist sicher keine typische Betriebsratsaufgabe. Um Arbeitsplätze zu sichern, kann sie aber durchaus ein Thema für die Arbeitnehmervertretung sein. Ein betriebliches Beispiel zeigt, dass sich Betriebsräte auch mit nicht alltäglichen Themen auseinandersetzen:
Die Aussage des Geschäftsführers im Monatsgespräch war eindeutig - zum Outsourcing gebe es keine Alternative, drohte er. Doch der Betriebsrat konnte nicht eingeschüchtert werden. Mit dem Vorschlagsrecht nach § 92a Betriebsverfassungsgesetz kann die Belegschaftsvertretung die Überlegungen des Unternehmens infrage stellen.
Lesen Sie auch
In der nächsten Betriebsratssitzung wurde das weitere Vorgehen beschlossen: Die Kosten-Nutzen-Rechnungen sollten kritisch hinterfragt werden, das Motto des Betriebsrats lautete: "Innovationen statt Outsourcing".
Die Menge des vorgelegten Zahlenmaterials schreckte die Arbeitnehmervertreter nicht ab. Nach eingehender Analyse zeigte sich: Eine Alternative zur Verlagerung von Arbeitsplätzen kann darin bestehen, bestehende Strukturen zu verbessern und gemeinsam mit den Beschäftigten neue Ideen zu entwickeln. Denn die Probleme vieler Unternehmen liegen nicht bei den Personalkosten, sondern in der Produkt- und Marktpolitik.
In Arbeitsgruppen mit Beschäftigten aus den betroffenen Bereichen entwickelte der Betriebsrat Verbesserungsvorschläge. Der Einsatz von Vorprodukten - und damit eine hohe Kostenquote - konnte reduziert und Abläufe konnten effektiver gestaltet werden. Die Verlagerung konnte verhindert werden. In der Praxis sind diese Strategien jedoch nicht einfach durchzusetzen. In vielen Betrieben werden produktive Vorschläge vom Management ignoriert.
VW: Not nicht groß, Profit soll gesteigert werden.
Das Gerede von einer Existenzkrise bei VW hält Stephan Krull, langjähriger Betriebsrat bei Volkswagen im Werk Wolfsburg, für übertrieben. Es gehe um Profitsteigerung:
Die Not bei VW ist nicht wirklich groß, es geht nur darum, den künftigen Profit zu sichern: 6,5 Prozent Rendite statt 3,5 Prozent. 147 Milliarden Euro Gewinnrücklagen und mehr als 18 Milliarden Euro Nettogewinn 2023 sind in der Bilanz des Konzerns. Davon ausgeschüttet wurden 4,5 Milliarden 2024, gut zwei Milliarden Euro direkt an den Porsche-Piëch-Clan.
Um die Krise langfristig zu überwinden, will die IG Metall mehr Mitbestimmung auch in wirtschaftlichen Fragen. Betriebsräte in vielen Unternehmen sind die Dauerschleife zwischen Managementfehlern und Standortdiskussion leid. Sie fordern mehr Mitsprache bei Investitionen und langfristiger Unternehmensplanung.
"Unser Ziel muss sein, dass die Beschäftigten über die Produktion entscheiden. Die Beschäftigten müssen zu Miteigentümern der Betriebe werden", formuliert Carsten Büchling, Betriebsratsvorsitzender von VW Kassel.