Anschlag in Madrid auf Papst-Gegner geplant
Mit Giftgas wollte ein katholischer Fundamentalist "Empörte" angreifen, die gegen den Papst-Besuch protestieren
Die fundamentalistische Rechte radikalisiert sich zusehends. Nach dem Massaker an den friedlich kampierenden Jugendlichen der sozialdemokratischen Jugendorganisation in Norwegen, wollte nun offenbar ein "Ultrakatholik" in Spanien die "Empörten" angreifen, die gegen den Besuch in Madrid auf die Straße gehen wollen (Die Empörten in Spanien trotzen dem Papst).
José Alvano Pérez Bautista soll einen Anschlag mit Giftgas oder anderen chemischen Substanzen geplant haben. Der 24-jährige Chemiestudent aus Mexiko, der über ein Stipendium als Austauschstudent in Spanien studiert, ist am Dienstag festgenommen worden.
Die Polizei geht davon aus, dass er die am Mittwochabend geplante Demonstration angreifen wollte, zu der 140 Organisationen aufgerufen. Demonstriert werden soll vor allem gegen die hohen Kosten, die Spanien durch den katholischen Weltjugendtag entstehen, zu dem am Donnerstag auch Papst Benedikt XVI. zum viertägigen Besuch anreisen wird. Nach Angaben der Kirche haben sich dafür 440.000 Teilnehmer aus aller Welt angemeldet.
Der Austausch-Student war einer der freiwilligen Helfer. Er wurde am Messegelände verhaftet, wo viele der Unterstützer untergebracht sind. Die Polizei habe unter anderem auf einem Laptop eindeutige Notizen gefunden, die nichts mit seinem Chemiestudium zu tun hätten. Die Sicherheitskräfte seien auf ihn gestoßen, weil er in ultrakatholischen Internet-Foren gedroht hatte, die Gegner mit dem Giftgas Sarin anzugreifen. Er habe als Chemiestudent Zugang zu benötigten Chemikalien und auch Kenntnisse, die zur Herstellung von Giftgas notwendig seien, ist aus Polizeikreisen zu vernehmen.
Der 24-Jährige symbolisiert zugespitzt die aufgeheizte Stimmung in der spanischen Rechten, die eng mit ultrakonservativen katholischen Kreisen verwoben ist. So erklärte Ana Botella, die Frau von Ex-Ministerpräsident José María Aznar, dass die Laizisten mit ihrer Demonstration "provozieren" wollten. Die Politikerin der Volkspartei (PP), die in der spanischen Hauptstadt für Umwelt und Mobilität verantwortlich ist, meinte, man dürfe "niemals" zu einer Demonstration gegen etwas aufrufen, "was schon organisiert ist". Damit stellte die Gattin von Aznar klar, der sich in der Franco-Diktatur als Falangist offen gegen den Übergang zur Demokratie aussprach, dass sie bis heute Probleme mit demokratischen Grundrechten hat.
Kritisiert werden aber nicht nur die hohen Kosten, die der Gesellschaft durch ein solches katholisches Großereignis entstehen. Geschätzt wird, dass die Hälfte von etwa 50 Millionen Euro der Steuerzahler zu tragen habe. Kritisiert werden von den Gegnern auch die Vergünstigungen. Zum Beispiel werden Helfer kostenlos in Schulen und Sporthallen untergebracht. Durch die Sperrungen von Straßen und Plätzen für fast eine Woche klagen auch viele Gewerbetreibende, dass in der schweren Wirtschaftskrise weitere Umsätze wegbrechen.
Doch in Madrid erinnert man sich auch daran, dass der Vatikan einen Feldzug gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, gegen die Reform des Abtreibungsrechts, ja sogar gegen die Aufarbeitung des Faschismus in Spanien geführt hat. Die katholische Kirche war in den Putsch vor 75 Jahren und in die Diktatur bis 1975 tief verwickelt und hat daran federführend mitgewirkt, dass Regimegegnern auch die Kinder geraubt wurden (Die "geraubten Kinder" in Spanien fordern Aufklärung).
Angst vor den "Empörten"
Die spanische Rechte nutzt den Papst-Besuch, um gegen die Bewegung der Empörten zu wettern, die seit Mai im ganzen Land demonstriert. Deshalb hat sie auch versucht, die geplante Demonstration gegen den Papst-Besuch verbieten zu lassen. Erst kürzlich ließ sie in Madrid das Protestlager am zentralen Platz "Puerta del Sol" räumen, der nach dem Sternmarsch auf die Hauptstadt Ende Juli wieder besetzt worden war.
Die Bewegung ist ihr ein Dorn im Auge, weil sie befürchtet, dass sie ihr bei den vorgezogenen Neuwahlen im November den Wahlsieg verhageln könnte. Die Demokratiebewegung kritisiert nicht nur die fatale Wirtschaftspolitik der regierende Sozialisten (PSOE), sie zeigt auch auf, dass die PSOE nun die Politik macht, welche die PP seit Jahren predigt. Die Milliarden für Banken und die Einschnitte ins Sozialsystem unterstützt auch die große Oppositionspartei. Die Bewegung greift überdies die Korruption an, in die PP-Politiker bis in höchste Ämter verwickelt sind. Das zeigt zum Beispiel die Anklage gegen Francisco Camps, der sich im Herbst vor Gericht wegen Korruption verantworten muss und kurz nach der Wiederwahl vom Posten als Regierungschef in der Region Valencia zurücktreten musste.
Die Empörten demonstrieren aber nicht nur in Madrid. Sie befinden sich auch auf einem langen Marsch nach Brüssel. Nach dem erfolgreichen Sternmarsch auf Madrid sollen verschiedene Marschkolonnen am 8. Oktober in Brüssel ankommen, um ihren Protest vor das Europaparlament zu tragen.
Am Mittwoch haben etwa 70 die Marschierer im Baskenland die Grenze nach Frankreich überschritten, um Bayonne zu erreichen. Waren in Madrid etwa 30 Marschierer gestartet, hat sich die Gruppe mehr als verdoppelt. Es sind alle Altersgruppen beteiligt und schon jetzt repräsentieren die Teilnehmer mehr als ein Dutzend Nationen. Am 17. September wollen sie in Paris sein. Dort wollen sie sich mit anderen Gruppen vereinen, die aus Deutschland, Italien, Griechenland kommen sollen, um gemeinsam den Marsch auf Brüssel fortzusetzen.