Spanische Kirche macht gegen sozialistische Regierung mobil
Die Regierung fordert nach einer Kundgebung für die "christliche Familie" eine Richtigstellung von der katholischen Kirche
Es hat den spanischen Sozialisten (PSOE) nichts geholfen, gegenüber der Kirchenhierarchie immer wieder einzulenken. Schon bevor der Wahlkampf für die Parlamentswahlen im März beginnt, stellen die katholischen Fundamentalisten ihre Truppen auf. Mehr als 100.000 Menschen protestierten am Sonntag in der Hauptstadt Madrid gegen die Reformpolitik der PSOE und forderten die Rückkehr zur "christlichen Familie". Sie stören sich an vereinfachten Scheidungen, der Homosexuellen-Ehe, Abtreibung und allgemein an einem "betrügerischen Laizismus". Der Protest erhielt die Live-Unterstützung vom Pabst aus Rom.
Ein großer Teil der katholischen Kirchenfürsten hatte gerufen und die Truppen gehorchten. Mehr als 100.000 Menschen strömten am vergangenen Sonntag in Madrid zusammen, um sich am "Tag der Familie und des Lebens" gegen die sozialistische Regierung in Stellung zu bringen. Zwar spricht die Kirche davon, weit über eine Million Menschen hätten sich versammelt, doch es ist eine übliche Praxis der Konservativen, die Zahlen der Beteiligung weit aufzublähen. Dass die bevölkerungsreichste Region um Madrid weit rechts steht, drückt sich auch in ihrer Kirchehierarchie aus. So war es der Kardinal von Madrid, der besonders heftig gegen die Regierung polemisierte.
"Es darf keine Zeit verloren werden! Die christliche Antwort auf diese entscheidende Frage für unsere Zukunft, der von Spanien, von Europa und der gesamten Menschheit drängt", machte sich Antonio María Rouco Varela zum Wortführer der Fundamentalisten. Für ihn liegt die Antwort in der Aktion der "christlichen Familien". Deshalb wettert er gegen "Prinzipien und Lebensstile, die der unauflöslichen Ehe entgegenstehen" und von "bestehenden Gesetzen ermöglicht und gefördert werden", womit er die Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren meinte. Die sozialistische Regierung hatte diese Ehe mit Adoptionsrecht 2005 eingeführt, wogegen die Kirche massiv mobilisierte (Steilvorlage des Vatikans gegen die Homo-Ehe in Spanien).
Der Beginn und das Ende der Ehe bestimme "Gott", wetterte er gegen Scheidungen, die über ein neues Gesetz vereinfacht wurden. Weder soziale Gruppen noch die Regierung könnten "nach ihrem Gusto" an den "essentiellen Elementen und Prinzipien" rütteln. Der Kardinal machte sogar "einen Rückschritt" für die UN-Menschenrechtserklärung aus. Dabei meinte er aber nicht die Tatsache, dass in Spanien noch immer Folter, Zeitungsschließungen oder Parteiverbote auf der Tagesordnung stehen, sondern Gesetze zur Gleichstellung von Homosexuellen, für schnelle einvernehmliche Scheidungen und das Recht der Frau auf eine Abtreibung, die seiner Ansicht nach die Menschenrechte in Frage stellen. Denn für ihn ist die "Familie", von Mann und Frau gebildet, "der natürliche und fundamentale Kern der Gesellschaft", der von der Gesellschaft und vom Staat geschützt werden müsse.
Ähnlich äußerte sich auch Kardinal García-Gasco, Erzbischof der rechten Region Valencia. Er geißelte eine "betrügerische Kultur des radikalen Laizismus" von Seiten der Regierung und sprach dabei auch Versuche an, den Schulunterricht zu manipulieren, womit die Verfassung verletzt werde, weil in sozialistisch regierten Regionen an den Schulen ein Fach der Staatsbürgerkunde eingeführt wurde. "Auf diesem Weg wird die Verfassung von 1978 nicht respektiert und wir begeben uns auf den Weg zur Auflösung der Demokratie."
Der deutsche Papst unterstützt die spanische Kirche im Wahlkampf
Die Verweise auf die Menschenrechte, die Verfassung und auf die Demokratie sind schon wegen der Rolle der katholischen Kirche beim Putsch gegen die gewählte republikanische Regierung durch die Generäle 1936 und ihre Teilhabe an der klerikalfaschistischen Diktatur bis 1975 erstaunlich. Tatsächlich erinnern derlei Aufmärsche und Töne an die Vorgänge in dieser Zeit. Wie die der Kirche nahestehende Volkspartei (PP) hat sie sich nie vom Franquismus distanziert. Sie hat es im letzten Herbst sogar erreicht, dass im Gesetz zur Rehabilitierung der Opfer der Diktatur im letzten Augenblick noch Ausnahmen eingeflickt wurden. So dürfen an und in Kirchen auch weiterhin faschistische Symbole gezeigt werden. Dafür hatte sich auch der Vatikan mit der größten Seligsprechung der Geschichte engagiert (Katholische Kirche stellt sich hinter Franquisten).
Die Regierung nahm sogar an dem Akt teil, der sich klar gegen ihre Politik richtete. Doch statt der erhofften Neutralität, hat sich Papst Benedikt XVI zum Dank erneut direkt in die spanische Politik eingemischt. Per Videokonferenz ließ er sich aus Rom erstmals live zu einer Demonstration in Madrid zuschalten. Er stellte sich in seiner Rede hinter die Positionen der Hardliner zu Ehe und Familie: "Diese ist auf der unauflöslichen Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau gegründet und bildet so den bevorzugten Raum, in dem das menschliche Leben aufgenommen und geschützt wird."
Kardinal Rouco hatte die Demonstration eingefädelt und mit der direkten Teilnahme von Benedikt XVI für eine massive Beteiligung gesorgt. Nur wenige Tage zuvor waren sogar die Fundamentalisten enttäuscht über die sehr geringe Beteiligung an ihrem Protest gegen Abtreibungskliniken in der Hauptstadt. Eingeleitet wurde von Rouco damit ein doppelter Wahlkampf: Gegen die Sozialisten zu Gunsten der postfranquistischen PP bei den Parlamentswahlen im März, die unerwartet unter den speziellen Bedingungen die Wahlen 2004 gewonnen hatten, und für seine Wahl zum Vorsitzenden der Bischofkonferenz.
Mit der Unterstützung von Benedikt XVI hat er nun große Chancen, am 3. März erneut eine Mehrheit zu erhalten. Der Hardliner war schon 1999 bis 2005 spanischer Kirchenchef und wurde nach dem Regierungswechsel 2004 durch den moderateren Ricardo Blázquez aus dem baskischen Bilbao ersetzt. Auffällig war am Sonntag, dass unter den mehr als 40 Bischöfen außer Blázquez kein katalanischer oder baskischer Bischof anwesend war. Wie die dortigen Gesellschaften sind auch sie progressiver und auch sie stehen zum Teil im Konflikt zum reaktionären Diskurs aus Madrid.
Die Regierung ktitisiert die Kirche als "Marionette" der konservativen Partei
Die Sozialisten haben die Wahlhilfe für die PP nun deutlich kritisiert. Sie fordern von der katholischen Kirche eine "Richtigstellung". Das PSOE-Führungsmitglied José Blanco spricht von einem beispiellosen Angriff der Bischöfe auf die demokratischen Institutionen seit dem Ende der Franco-Diktatur. Es habe sich um eine "Parteiakt der PP gehandelt, der von einigen Kardinälen geleitet wurde", sagte der Parteiführer. "Wenn die spanische Kirchenhierarchie in der Politik mitspielen will, sollte sie sich zu den Wahlen aufstellen und nicht als Marionette der PP handeln."
Deutliche Worte fand die PSOE auch in einer offiziellen Erklärung. "Wir gehen keinen Schritt zurück", stellt sie sich hinter ihre zaghaften Reformen. Die Staatsgewalt gehe vom Volk aus, das seine politischen Vertreter wählt: "Die Gesellschaft hat über ihre Vertreter die Gewalt, die Prinzipien der individuellen Freiheiten und des Zusammenlebens aller Bürger zu regeln." Wer diese Prinzipien missachte, wie "Verantwortliche der Kirchenhierarchie", entferne sich von den "fundamentalen Grundsätzen der Demokratie", dreht die PSOE den Spieß um.
Die PP wird herausgefordert, die Rockschöße der Bischöfe verlassen und sich nicht weiter darin zu verstecken. Blanco forderte sie auf, offen in ihrem Wahlprogramm die Streichung der neuen Gesetze zur Scheidung aufzunehmen, wie es die Kirche fordert. In der Frage der Abtreibung erwischt er die PP ohnehin kalt, denn das heute bestehende Gesetz blieb auch in acht Regierungsjahren der PP unangetastet.
Allerdings fällt der PSOE ihre Schmusepolitik zur katholischen Kirche auf die Füße. Statt deutliche Reformen voranzutreiben, wurde Rücksicht auf die Rechte allgemein und die Kirche im Besonderen genommen, dafür wird sie Stimmen auf der Linken einbüßen, die sie rechts nicht gewinnen kann. Die PSOE fasste die katholische Kirche bisher nur mit Samthandschuhen an. So hatte sogar Radio Vatikan noch vor kurzem festgestellt, dass es zu einer Entspannung der Beziehungen gekommen sei. Fest machte man das im Vatikan an weiteren Zugeständnissen, wonach "ursprüngliche Pläne, das Konkordat und die Subventionen für Kirchen auf den Prüfstand zu stellen, wieder aus seinem Wahlprogramm gestrichen" wurde. Ähnliches geschah mit Erleichterungen bei der Abtreibung und dem Recht auf Sterbehilfe. An der kriegerischen Haltung der Fundamentalisten hat sich deshalb aber nichts geändert, die vor den Wahlen nun zum Angriff blasen.
So fordert die Vereinte Linke (IU) die Sozialisten nun auf, ihre Politik neu zu bestimmen. IU-Chef Gaspar Llamazares sagte, der Kirche müsse die Rolle zugewiesen werden, die ihr in einem laizistischen Staat zukomme. Die Regierung habe vier Jahre verloren, um sie in die Schranken zu weisen und die Politik müsse auf einen "unkonfessionellen Staat" ausgerichtet werden. Die Abkommen mit dem Vatikan müssten überdacht und die "Privilegien" bei der Finanzierung und im Bildungssektor geändert werden.
Kirche wurde von der sozialistischen Regierung begünstigt
Zwar tut die Kirche gerne so, als würde sie von den Sozialisten schlecht behandelt, doch bis auf wenige Ausnahmen, sind diese bislang in fast allen Fragen eingeknickt. Weder wurden der Einfluss der meist kirchlichen Privatschulen noch ihre Finanzierung eingeschränkt, die von einem Drittel der Schüler besucht werden. Sie dürfen die Inhalte weiter selbst bestimmen und der Staat finanziert sie nun mit mehr als vier Milliarden Euro im Jahr. Er finanziert auch die katholische Kirche - und unter der PSOE erreichte sie einen deutlichen Zuwachs um 34 Prozent. Vom Ziel der eigenständigen Finanzierung entfernt sie sich immer weiter. Jeder Bürger im spanischen Staat, ob Atheist, Moslem oder Jude, zahlt über die Staatskasse der katholischen Kirche 3,5 Euro, die keine andere Religionsgemeinschaft erhält. Von der Lohnsteuer erhält die Kirche nun 0,7 statt zuvor 0,5 Prozent Anteil überwiesen.
Verständnis hat man in der spanischen Kirchenhierarchie zwar nicht für Frauen oder Homosexuelle, aber der Bischof von Teneriffa Bernardo Álvarez überraschte die Öffentlichkeit mit seinem Verständnis für Kinderschänder. Bei einem Gespräch mit der Zeitung "La Opinion" sagte er: "Es gibt 13-Jährige, die völlig einverstanden sind und es überdies wünschen. Wenn du nicht aufpasst, provozieren sie dich sogar. Das mit der Sexualität ist etwas komplizierter, als es scheint", relativiert der Bischof die Päderastie. Er ging soweit, viele Fälle von Homosexualität "als ein praktiziertes Laster" zu bezeichnen, die "eine Person wie den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen praktizieren kann." Angesichts des Aufschreis in der Gesellschaft über solche Töne, wurde Álvarez zunächst ruhig gestellt, weshalb er auch nicht am "Familientag" in Madrid teilnahm.