Spanien: Die Logik der Konfrontation hat gesiegt
Die baskische Untergrundorganisation ETA beendet ihre einseitige und merkwürdige "permanente Waffenruhe" definitiv und nun bestimmt die Konfrontation Spanien
Mit Erstaunen wurde die Nachricht aufgenommen, dass die ETA ihren bewaffneten Kampf gegen den spanischen Staat wieder aufnimmt. Der Schritt war nach dem erneuten Wahlausschluss der baskischen Linken zu den Kommunal- und Regionalwahlen zu erwarten. Trotz Repression ist er falsch und stößt auch in der linken Unabhängigkeitsbewegung auf Ablehnung. Dass die sozialistische Regierung kaum Entspannungsgesten gezeigt hat, begründet den Schritt nicht. Die steigt auf die Eskalation ein, noch bevor ein Anschlag ausgeführt wurde. Sie schafft mit der Verhaftung von Batasuna-Chef Arnaldo Otegi heute und neuen Verbotsdrohungen, der ETA wieder eine Argumentationsbasis.
Gut eine Woche waren die Wahlen zu den Gemeinde- und Regionalparlamenten verstrichen, als am Anfang der Woche die Nachricht für Aufregung sorgte, dass die baskische Untergrundorganisation ETA ihre Waffenruhe vom März 2006 definitiv beendet hat. In einem Kommunique an zwei baskische Zeitungen kündigte sie in einer aggressiven Sprache an, den Kampf "an allen Fronten" ab dem 6. Juni wieder aufzunehmen.
Die ETA erklärte den Friedensprozess für beendet, weil die "Mindestvoraussetzungen für einen Verhandlungsprozess nicht gegeben sind". Sie warf den spanischen Sozialisten (PSOE) unter Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero vor, auf den Friedenswillen der linken Unabhängigkeitsbewegung mit "Festnahmen, Folter und Verfolgung" reagiert zu haben. "Die Angriffe auf das Baskenland nahmen zu und wurden stärker". Als Beispiel nennt sie auch die "antidemokratischen" Regional- und Kommunalwahlen Ende Mai.
In den letzten Monaten seien die "Masken gefallen" erklärte sie. Die "neue Vorgehensweise", von Zapatero habe sich gegenüber den Basken in einen "Faschismus verwandelt, der Parteien und Menschen rechtlos macht". Die ETA hatte den Abzug aus dem Irak begrüßt und von Zapatero ähnliche mutige Schritte verlangt. Der Abzug nach den verheerenden Anschlägen von Islamisten in Madrid verliehen Zapatero Glaubwürdigkeit, weshalb sich die ETA und die baskische Linke den Friedensprozess vorantrieb.
Es folgten Gesten von beiden Seiten, die das Bemühen für eine friedliche Lösung des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts mit den Basken möglich machte. Die ETA kündigte im Frühjahr 2004 zunächst eine begrenzte Waffenruhe in Katalonien an, wo die Sozialisten mit linksnationalistischen Parteien die Macht übernommen hatten. Schon zuvor wurden tödliche Anschläge eingestellt und zum Teil monatelang ganz auf Angriffe verzichtet (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19021/1.html).
Nach dem Friedensvorschlag der Partei Batasuna (Einheit) im November 2004, dem sich die ETA anschlossen, folgten erste offene Gesten von Seiten der Regierung. Die zeigten, dass real etwas in Gang kam. Wenige Monate später holte sich Zapatero dann offensiv vom Parlament die Erlaubnis zu Verhandlungen, und spätestens nachdem der ultrarechten Volkspartei (PP) ihre Hochburg Galicien bei den Regionalwahlen verlor, schien der Weg frei für einen Friedensprozess, in dem, ähnlich wie in Nordirland, beide Seiten mutige und verpflichtende Schritte eingehen. Dass die ETA schließlich im März 2006 eine Waffenruhe ausrief und die mit dem Attribut "permanent" versah, zeugte davon
Nach Ausrufung der Waffenruhe ging fast alles schief
Doch seither geht fast alles schief. Deutlichstes Zeichen dafür war die Tatsache, dass der Führer der Batasuna-Chef, eine der Triebfedern dieses Prozesses, nur wenige Tage danach inhaftiert wurde und nur mit Mühe von den Sozialisten wieder aus dem Knast geholt werden konnte.
Daran zeigte sich ein Stolperstein in dem Prozess. Die rechte PP hatte in acht Jahren an der Regierung (allerdings mit Duldung der PSOE) die Schaltstellen der Justiz mit Anhängern besetzt, um den sogenannten "Kampf gegen den Terror" ohne Reibungsverluste führen zu können. Richter sollten ihr nicht weiter in die Parade fahren können, wie es geschah, als das Verfassungsgericht die Führung vom Batasuna-Vorgänger freiließ. Das Urteil, sie seien Unterstützer der ETA, war verfassungswidrig, Beweise fehlten. Eine Kammer des Nationalen Gerichtshof hatte immer wieder die Verbote von legalen Organisationen der baskischen Linken angezweifelt und die Verhafteten frei gelassen. Die drei Richter sahen oft "nicht einmal Indizien" dafür, dass diese Organisationen mit der ETA in Verbindung stehen, wie es Ermittlungsrichter Baltasar Garzón für die PP behauptete.Daraufhin wurden sie über einen Vorwand geschasst. Derlei "Säuberungen" der PP haben unter anderem dazu geführt, dass bisher nicht einmal ein Urteil über eine vor neun Jahren geschlossene Tageszeitung durch dieses Sondergericht vorliegt (Baskische Zeitung und Website geschlossen).
Da die PP radikal gegen den Friedensprozess zu Felde zog, nutzte sie ihre Richter, um immer wieder den Friedensprozess zu torpedieren. Höhepunkte waren Verhaftungen von Batasuna-Führern, Verbote von Demonstration und die Tatsache, dass das Hauptverfahren gegen eine vor vier Jahren geschlossene Tageszeitung eröffnet wird, obwohl nicht einmal die Staatsanwaltschaft Hinweise auf eine Verbindung zur ETA sieht. Die glaubwürdigen Foltervorwürfe der Journalisten wurden derweil nicht ermittelt (Baskische Journalisten gefoltert).
Es war zu hoffen, dass die linke Unabhängigkeitsbewegung und die ETA die Verhältnisse berücksichtigen und auch die allgemeine Schwäche der PSOE in Betracht ziehen. Die PSOE kam nur wegen den Lügen der PP nach den Anschlägen in Madrid 2004 an die Regierung. Alle Umfragen gingen zuvor von einem klaren Wahlsieg der PP aus. Zudem ist die PSOE an der Baskenfrage völlig gespalten und hier mussten Kritiker des Friedensprozesses wie der Ex-Verteidigungsminister parteiintern ausgeschaltet werden. Dazu kam, dass die PP an allen Fragen, und mit ihrer geballten Medienmacht, besonders wegen des Friedensprozesses auf die Sozialisten einschlugen und die PSOE immer wieder mit großen Demonstrationen unter heftigen Druck setzte. Die traute sich nicht einmal richtig an die Aufarbeitung der Franco-Diktatur richtig heran. Das Gesetz zur Rehabilitierung der Opfer gibt es bis heute nicht (Kampf der zwei Spanien).
Doch statt dies für den Prozess auf die Waagschale zu legen, setzte die baskische Linke, wegen ihrer Vorleistungen sehr schnell darauf, dass die Sozialisten deutlich Farbe bekennen und sich an die Umsetzung dessen machen, was in den Vorgesprächen versprochen wurde. Im Wesentlichen wurde gefordert, dass die PSOE der baskischen Linken einen Weg in die Legalität ebnet. Schließlich war Batasuna über ein neues Parteiengesetz 2003 verboten worden. Seither sind Hunderte Parteien und Wählerlisten als angebliche Nachfolger einer Partei verboten worden, die auch als "terroristisch" auf der EU-Liste steht, aber in Frankreich legal ist (In Spanien verboten, in Frankreich legal.
Die Möglichkeit eines Friedensprozesses wurde zerbombt
Vor dem starken Drucks der PP und interner Querelen spielten die PSOE auf Zeit, um der Rechten nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten. Sie legten daher nicht schnell Hand an das Parteiengesetz, um ihrer Forderung, Batasuna solle sich politisch betätigen und eine neue Partei gründen, auch praktisch zu unterstreichen. Schlimmer war, dass man sich von der PP und der von ihr bestimmten Medien vor sich hertreiben ließ und nicht einmal Gefangene der ETA entließ, die ihre Strafe abgesessen hatten. Berühmt wurde der Ausspruch des Justizministers Juan Fernando López Aguilar, der erklärte, man werde "neue Anklagen konstruieren", um deren Freilassung zu verhindern. Das ist mit einer Demokratie schon nicht zu vereinbaren und schon gar nicht mit einem Friedensprozess.
Von Seiten der baskischen Linken sah man sich brüskiert und begann mit Drohungen, wie dem bewaffneten Auftritt der ETA im Oktober ("Erwartung wie am ersten Tag der Waffenruhe"). Dass Zapatero immer wieder seinen Friedenswillen bekräftigte, wurde immer weniger zur Kenntnis genommen ("Erwartung wie am ersten Tag der Waffenruhe"). Ebenfalls wurde kaum noch beachtet, dass der Justizminister geschasst und zur Erholung in den Wahlkampf auf die Kanarischen Inseln geschickt wurde. Zudem wurde eine, wenn auch merkwürdige Lösung für einen von den konstruierten Anklagen Betroffenen gesucht. Der hatte mit einem langen Hungerstreik schon der PP Anlass geboten, der PSOE vorzuwerfen, sie knicke ein und entlasse Iñaki de Juana Chaos nach der "Erpressung" in den Hausarrest.
Der verheerende und völlig unsinnige Anschlag zum Jahresende, war nur noch das fatale Ergebnis. Damit stieg die ETA definitiv wieder in die unsinnige Dynamik des Kräftemessens und der Eskalation ein (ETA sprengt baskischen Friedensprozess). Die Möglichkeit eines Friedensprozesses wurde weitgehend zerbombt, weil der Spielraum für die PSOE noch kleiner wurde. Dafür sorgte auch, dass zwei unbeteiligte Menschen zu den ersten Todesopfern der ETA seit mehr als drei Jahren wurden.
Das war das Ergebnis davon, dass sich beide Seiten nicht definitiv und mutig auf einen Prozess eingelassen und in der Abwägung der Probleme des anderen den Prozess vorangetrieben haben. Wie falsch die jeweils die andere Seite einschätzen, machte Zapatero deutlich, als er zwei Tage vor dem ETA-Anschlag noch große Hoffnungen auf einen Frieden gemacht hat.
Versäumnisse
Den Sozialisten ist vorzuwerfen, dass sie nicht einmal an den Punkten die antidemokratischen Maßnahmen der PP beseitigt oder abgeschwächt haben, die ohnehin mit einer Demokratie nicht vereinbar sind und deshalb nicht sofort als Zugeständnisse an die ETA gebrandmarkt werden können. Da wäre zunächst der Kampf gegen die Folter. Dazu brauchen nicht einmal das Anti-Terrorgesetz und die Kontaktsperre abgeschafft zu werden, welche bisher die straffreie Folter ermöglicht haben (Isolationshaft ermöglicht Menschenrechtsverstöße). Die Umsetzung der Forderungen des UNO-Sonderberichterstatters für Menschenrechte, der Spanien vor der Generalversammlung wegen Folter kritisierte, hätte zunächst genügt, um ein Friedenszeichen zu setzen. Gefordert wird die lückenlose Aufzeichnung auf Video der Kontaktsperre von bis zu zehn Tagen, in denen die Gefangenen keinen Kontakt zur Außenwelt haben, nicht einmal zu ihren Anwälten.
Dazu hätte Hand an ein Parteigesetz gelegt werden müssen, das es Tausenden Menschen verbietet, für eine Partei oder Wählerliste anzutreten, obwohl sie sich nie etwas zu Schulden kommen ließen. Parteien oder Wählerlisten werden in Spanien verboten, weil auf ihnen Menschen kandidieren, die in den letzten 30 Jahren seit dem Ende der Diktatur für legale Parteien kandidiert haben, die rückwirkend über ein neues Gesetz illegalisiert werden, obwohl sie gar nicht bestanden. Diese besondere Rechtsauffassung wird sogar vom Verfassungsgericht gedeckt, dürfte aber vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kaum Bestand haben. Doch diese Entscheidung kann noch Jahre dauern, wäre jetzt aber so wichtig wie nie.
Auch hätte die PSOE anfangen müssen, Gefangene in Richtung Baskenland zu verlegen. Denn das spanische Strafgesetzbuch sieht eine heimatnahe Strafverbüßung vor und international wird die Inhaftierung fern der Heimat als Doppelbestrafung angesehen, die auch ihr gesamtes Umfeld trifft. Sogar die PP hatte als Zugeständnis an die ETA in deren Waffenruhe 1998/99 mit Verlegungen begonnen.
So durfte man staunen, wenn Zapatero nun erklärte: "Ich habe alles getan, um den Frieden zu erreichen." Schließlich war er und seine Partei den wütenden Angriffen der PP stets ausgerechnet damit entgegen getreten, man hätte noch weniger Konzessionen gemacht, als die PP in der Waffenruhe 1998/99.
Der ETA ist vorzuwerfen, dass sie erneut keine Geduld aufgebracht hat. Es ist schwer zu begreifen, dass sie schon nach gut acht Monaten einen, noch dazu tödlichen Anschlag gegen die PSOE ausführte, während sie der PP eine Waffenruhe von 14 Monaten gewährte. Dass sie die Toten nicht wollte, kann man ihr abnehmen, weshalb sie früh und präzise vor der Bombe gewarnt hat. Nur hat sie es weitgehend in die Hand der Sicherheitskräfte gelegt, ob es Tote gibt und die Gefahr durch eine große Sprengstoffmenge herauf beschworen. Den Fehler hat sie einst im Supermarkt Hypercor in Katalonien schon einmal gemacht und sich viele Sympathien verspielt. Die Selbstkritik ist genauso verhallt, wie das Wissen darum, dass die Sicherheitskräfte manchmal unfähig sind oder ein merkwürdiges Spiel treiben. Sie haben die Anschläge in Madrid mit 200 Toten nicht verhindert, obwohl sie von den Spitzeln nicht nur unterrichtet waren, sondern über sie wurden die Attentäter mit dem Sprengstoff versorgt und Polizisten unterstützten sie sogar beim Bombenbau (Bringt die Justiz Klarheit über Madrider Anschläge?).
Im gegenseitigen Hochschaukeln seit dem Anschlag war das definitive Ende der Waffenruhe zwar aus der ETA-Logik vorhersehbar, allerdings völlig falsch. Denn es hätte ihr klar sein müssen, dass nach dem Anschlag die PSOE alle Mühe haben wird, die Parlamentswahlen zu gewinnen. Ein Sieg der PP würde jeden Friedensprozess beerdigen, deshalb hat die PSOE mit massiver Repression geantwortet, um der Kritik der PP zu begegnen.
Wie einst mit den Todesschwadronen, haben die Sozialisten erneut weit über das Ziel hinaus geschossen. Erneut zeigt sich, wie wenig in Spanien von einer Gewaltenteilung gesprochen werden kann. Wurden baskische Jugendorganisationen vor dem Anschlag noch vom Vorwurf frei gesprochen, sie gehörten zur ETA, wurde das Urteil nach dem Anschlag sofort kassiert und zudem eine völlig neue Definition für Terrorismus eingeführt (Oberstes Gericht in Spanien erweitert den Terrorismusbegriff). Dass sich diese "Terroristen" dann kollektiv stellen, zeigte schon, dass sie nicht zur ETA gehören, sonst wären sie angesichts langer Haftstrafen in den Untergrund gegangen.
Auf der Ebene liegt auch der Verbotsrekord vor den Wahlen am 27. Mai, mit der ebenfalls die PP noch getoppt wurde. So wurde die neue Partei Abertzale Sozialisten Batasuna (Vereinte Patriotische Sozialisten), die von Batasuna gegründet wurde, ausgeschlossen. Das war kaum verwunderlich, auch wenn auch das Verbot nicht zu entschuldigen ist. Schließlich hatte sich die Neugründung von Batasuna in den Statuten von der Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele distanziert, wie es das neue Parteiengesetz fordert.
Maßlos übertrieben und das ist den Sozialisten zum Teil sogar bewusst, haben sie, als sie mehr als die Hälfte der Listen einer 80 Jahre alten antifaschistischen baskischen Traditionspartei Eusko Abertzale Ekintza (EAE-ANV) verboten haben. Insgesamt fast 400 Listen wurden verboten, weil angeblich Batasuna hinter ihnen stand.
Sogar das Ministerium für Staatsanwaltschaft sprach selbstkritisch von Guantanamo-Wahlen. Mit dem Verbot von Listen einer legalen Partei habe man "wohl überzogen", meinte der Generalstaatsanwalt Candido Conde Pumpido. Doch dieser hatte für die Regierung auch die Verbote von EAE-ANV Listen beantragt, einer Partei, die sich stets von der Gewalt der ETA distanziert hat. Sie hat, zählt man auch die als ungültig gewerteten Stimmen hinzu (in der Provinz Gipuzkoa waren das fast 22 % der Stimmen) ein sehr gutes Ergebnis erhalten. Dort wo sie legal ist, stellt sie nun oft absolute Mehrheiten.
Die Eskalation zwischen Regierung und ETA dient den Konservativen
Doch die ETA hat es nicht als Zeichen gewertet, dass diese Partei der baskischen Linken nicht ganz verboten wurde und eben auch Selbstkritik von den Sozialisten kam. Statt darin einen möglichen Ansatz zu sehen, kündigte sie die Waffenruhe auf. Dass sie damit zum Wahlhelfer der rechtsradikalen PP wird, sollte ihr klar sein. Die PP hat die Kommunal- und Regionalwahlen mit den Angriffen auf einen Friedensprozess gewonnen. Der Anschlag im Dezember war die Steilvorlage dafür. Daran änderte nicht einmal etwas, dass sie in den Regionen, in denen sie weiter regiert, in zahllose Korruptionsfälle) verwickelt ist. Oft konnte sie, mit Ausnahme von Navarra und den Baleareninseln, den Vorsprung vor der PSOE, wie in Madrid, sogar noch deutlich ausbauen.
Da diese Wahlen stets das Ergebnis der Parlamentswahlen vorwegnehmen, haben die Sozialisten angesichts des definitiv gescheiterten Friedensprozesses kaum noch Aussichten darauf, die Wahlen im Frühjahr zu gewinnen. Daran wird auch nichts ändern, dass sie nun noch heftiger an der Repressionsschraube drehen und ihre Politik der letzten Jahre selber demontieren. Damit bestätigen sie die PP in ihrer Ablehnung einer Dialoglösung und schießen sogar schon über das Ziel hinaus, bevor ein Anschlag verübt wurde.
Dass der Batasuna-Chef Arnaldo Otegi gestern verhaftet wurde, ist kein Zufall. Er wurde im Friedensprozess vom Vorwurf frei gesprochen, die ETA verherrlicht zu haben, als er auf der Beerdigung einer jungen Militanten sprach. Nun soll er 15 Monate ins Gefängnis, weil er an einer Ehrung für das Traditionsmitglied der ETA 2003 teilgenommen hat. Argala war Mitglied des ETA Kommandos, das einst mit einer Bombe Carrero Blanco ermordete, den der Greise Diktator Franco als Nachfolger bestimmt hatte. Der Tod des Diktators beendete 1975 die Diktatur, aber Argala fiel 1978 den staatlichen Todesschwadronen zum Opfer.
Dass der einst hungerstreikende Juana de Chaos gegen einen Beschluss aus dem Krankenhaus im Baskenland abgeholt wurde und statt in Hausarrest in ein Madrider Gefängnis verlegt wurde, zeigt ebenfalls, wie die Justiz nicht frei und unabhängig handelt, sondern den politischen Zielen untergeordnet ist. Der neue Justizminister hat nun ganz offen das Verbot von EAE-ANV in die Diskussion gebracht. Von der Selbstkritik wegen des Teilverbots ist nichts mehr zu spüren. Durch derlei Vorgehen wird sich die ETA in der Fortführung des bewaffneten Kampfs bestätigt sehen und mit einem harten Zuschlagen von ihrer Seite ist angesichts der Eskalation bald zu rechnen.
Richtig wäre es aber von ihr gewesen, den tödlichen Fehler mit dem Anschlag in Madrid als solchen zu erkennen und sich, den Basken und den spanischen Sozialisten eine neue Chance bis über die Parlamentswahlen im kommenden Herbst zu geben. Bei diesem Anschlag und der merkwürdigen Auslegung einer "permanenten Waffenruhe" hat die ETA zudem reichlich an Glaubwürdigkeit im Baskenland eingebüßt. Niemals zuvor hatte sie ein Waffenruhe aufgehört oder unterbrochen, ohne das zuvor angekündigt zu haben. Dass sie zu Manöverkritik fähig, zeigte sie, dass sie nicht erneut auf eine Überraschung setzte und das Ende der Waffenruhe nun wieder vor einem Anschlag verkündete.
Das ändert nichts daran, dass sie Hoffnungen schwer enttäuscht hat, definitiv und langfristig an einer friedlichen Lösung zu arbeiten. Den Madrider Fehler hätte sie so zum Teil wieder ausmerzen können, wenn sie trotz der Vorgänge in der letzten Zeit an der Waffenruhe festgehalten hätte, die sie seit dem Anschlag in Madrid erneut eingehalten hat. Geschaffen wurde eine Lost-Lost Situation, wo sowohl die Sozialisten als auch die linke Unabhängigkeitsbewegung verlieren. Lachender Dritter ist die rechte Volkspartei, die sich auf eine neue Legislaturperiode ab 2008 einstellen darf und schon vorgezogene Neuwahlen fordert.