Anstieg der Firmenpleiten: Experten sprechen von "Normalisierung" der Wirtschaft
Ein Viertel mehr Insolvenzanträge als im Vorjahr. Folgen der Pandemie, Energiekrise und Inflation spürbar. Warum Experten im Anstieg keine Pleitewelle sehen wollen.
Die Zahl der Firmenpleiten steigt weiter an, auch wenn Experten dies als Teil einer "Normalisierung" nach der Pandemie bezeichnen. Im Juli beantragten fast ein Viertel mehr Unternehmen ein reguläres Insolvenzverfahren als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte.
Obwohl sich der Aufwärtstrend bereits seit einigen Monaten abzeichnet, gehen Experten nicht von einer Pleitewelle aus, sondern von einer Rückkehr zur Normalität.
"Trotz deutlichem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Juli sehen wir nicht die vielfach erwähnte Insolvenzwelle", sagte Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Der Anstieg der Unternehmensinsolvenzen wird auf verschiedene Faktoren zurückgeführt, darunter die anhaltende Konjunkturschwäche, steigende Energie- und Materialkosten sowie höhere Kreditkosten aufgrund gestiegener Zinsen.
Während der Coronapandemie hatte die Bundesregierung die Insolvenzantragspflichten teilweise ausgesetzt, um eine Flut von Firmenpleiten zu verhindern. Trotz Pandemie und Energiekrise blieb die Zahl der Insolvenzen dank staatlicher Unterstützung niedrig. Seit August letzten Jahres steigt sie jedoch kontinuierlich an.
Experten sind sich einig, dass die aktuellen Insolvenzzahlen kein Indikator für eine länger anhaltende Insolvenzwelle sind, sondern eher auf Nachholeffekte hindeuten. Viele der betroffenen Unternehmen hatten bereits vor der Pandemie mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Staatliche Hilfen während der Pandemie und der Energiekrise haben die Insolvenzen vielerorts hinausgezögert, sodass sich nun eine Art Marktbereinigung abzeichnet.
Das Statistische Bundesamt weist darauf hin, dass Regelinsolvenzverfahren erst nach dem ersten Beschluss des Insolvenzgerichts statistisch erfasst werden. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liege daher in vielen Fällen rund drei Monate früher.
Endgültige Zahlen liegen für den Monat Mai vor. In diesem Monat meldeten die deutschen Amtsgerichte 1.478 beantragte Unternehmensinsolvenzen, 19 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Die Forderungen der Gläubiger bezifferten die Amtsgerichte auf knapp vier Milliarden Euro. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, war das fast doppelt so viel wie im Mai 2022 mit knapp 2,2 Milliarden Euro.
Die meisten Insolvenzen je 10.000 Unternehmen werden derzeit im Bereich Verkehr und Lagerei mit 8,7 Fällen gemeldet. Es folgen die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu denen z. B. die Zeitarbeit gehört, mit 7,4 Fällen. Die wenigsten Insolvenzen gab es dagegen in der Energieversorgung. Auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat auf Basis eigener Erhebungen für den Juli hohe Insolvenzzahlen festgestellt. Vor allem Industrie und Handel seien betroffen, hieß es am Donnerstag.
Besonders betroffen ist demnach die Schuh- und Modebranche, da die Kaufzurückhaltung der Verbraucher in Zeiten hoher Inflation das Geschäft belaste. Für die kommenden Monate prognostiziert das Institut jedoch keinen signifikanten Anstieg der Insolvenzzahlen.
Auch wenn der Anstieg der Insolvenzen besorgniserregend erscheinen mag, weisen die Experten darauf hin, dass es sich dabei um einen natürlichen Prozess zur Bereinigung der Wirtschaft und zur Stärkung gesunder Unternehmen handelt.
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