Antifranzösische Putsche im Sahel: Erleben wir das Ende der "Françafrique"?

Seite 2: Paris und die Putsche in Afrika: Alles und nichts muss sich ändern

Zumindest bislang scheint Frankreich im Falle der Erdölrepublik Gabun nicht alle Geschäfte zu verlieren. Denn der diesjährige Oppositionskandidat, der 68-jährige Ondo Ossa, sprach bereits am 31. August, dem Tag nach dem Militärputsch, gegenüber dem französischen Sender TV5monde von einer "Palastrevolution". Sie diene vor allem präventiv dazu, Teile des bisherigen oligarchischen Herrschaftssystems zu retten, indem man jedenfalls einen Teil des Bongo-Clans opfere, dem man vorwirft, sich zu exzessiv auch auf Kosten der übrigen Elite bereichert zu haben.

Die Initiative dazu ging laut Ondo Ossa von einer älteren Schwester des gestürzten Ex-Präsidenten aus, der 1956 geborenen Pascaline Bongo.

In dem bereits zitierten Interview mit der Pariser Le Monde wollte Ondo Ossa diese Behauptung Ende vergangener Woche allerdings nicht wiederholen: "Ich habe es einmal gesagt, ich sage es nicht noch einmal. Ich stehe mit ihr in Kontakt". Im gleichen Interview erklärte er auch, dass er darauf verzichte, die Bevölkerung zu Protesten gegen den offensichtlichen Wahlbetrug zu mobilisieren.

Nun ist die 1956 geborene Pascaline Bongo eine durchaus einflussreiche Person, sie gilt als diejenige, die den Überblick über die Bankkonten des Familienclans hat. Ihr politischer Einfluss reicht bis nach Frankreich, wo sie etwa eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Aufstiegs von Nicolas Sarkozy zum konservativen Präsidentschaftskandidaten und späteren Staatschef gespielt haben soll; im Januar 2007 saß sie bei dessen "Krönungsparteitag", also dem Nominierungsparteitag der damaligen Regierungspartei UMP (heute Les Républicains), in der ersten Reihe.

Anders verhält es sich in den Staaten der Sahelzone, die seit 2020, zuletzt im Falle der Republik Niger seit Juli 2023, von Staatsstreichen betroffen sind. Dort gibt es tatsächlich einen breiten gesellschaftlichen Konsens, der die nun regierenden Militärs ebenso einschließt wie Teile der Bevölkerung – die "Übergangs"-Regierungen beziehen ihre politische Legitimation gerade daraus –, dass die Zeit der vor allem militärischen Präsenz Frankreichs nun wirklich abgelaufen ist.

Mit dem Scheitern der Mai-Intervention begann alles

Hintergrund ist das krachende Scheitern der 2013 begonnenen französischen Militärintervention in Mali gegen die Dschihadisten, die sich ab 2011/12 von Norden her in der Sahelzone festsetzen konnten, was auch mit den Ergebnissen der französisch-britischen Intervention in Libyen zusammenhängt.

Der Beginn der französischen Intervention in Mali wurde 2013 zunächst von weiten Teilen der Bevölkerung begrüßt. Diese erklärten in der Regel, dass sie sich keine Illusionen über die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs in der Region machten, sondern sich zunächst ein Ende des akuten dschihadistischen Problems wünschten, um sich dann den bekannten strukturellen Problemen wie der Überwindung der Abhängigkeit zuzuwenden.

Doch der Einfluss der Dschihadisten und der mit ihnen verbündeten bewaffneten Banditengruppen in den ländlichen Räumen der Sahelzone im Rahmen einer Art Plünderungsökonomie, die der Landbevölkerung die Ressourcen entzieht, nahm in den folgenden Jahren nicht ab, sondern zu.

Dies ist im Übrigen keine Frage des guten oder schlechten Willens, sondern u.a. die objektive Konsequenz der Stellung Frankreichs als ehemalige koloniale und aktive neokoloniale Hegemonialmacht: In den Augen ihrer Sympathisanten legitimiert ihr Eingreifen die Aktionen der Dschihadisten umso mehr, kämpfen sie doch in einem vermeintlichen Befreiungskampf – auch wenn dessen Auswirkungen in der Realität vor Ort wenig mit Befreiung und viel mit der Versklavung der lokalen Bevölkerung durch Diktate des Tugendterrors und den Entzug wirtschaftlicher Ressourcen zu tun haben.

Spätestens ab 2002 wurde das Scheitern der Intervention an den selbst gesteckten Zielen in breitesten Kreisen in der Region diskutiert.

In der Bevölkerung wurde dies politisch oft in den Vorwurf übersetzt, Frankreich bekämpfe die Dschihadisten in Wirklichkeit gar nicht, sondern liefere ihnen Waffen – eine unbewiesene, aber mittlerweile extrem verbreitete Behauptung –, die zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und französischen Truppen führte.

Anfang 2022 zwang die Militärregierung in Mali die französische Armee, das Land innerhalb von sechs Monaten zu verlassen. Burkina Faso folgte. Paris reagierte, indem es seine regionalen Truppen für die Sahelzone im Nachbarland Niger konzentrierte, dessen Regierung den französischen Forderungen zumindest zu diesem Zeitpunkt wohlwollend gegenüberstand.

Allerdings mit bekanntem Ausgang. Die neue Militärregierung wird von der Bevölkerung vor allem deshalb unterstützt, weil sie die politische Konfrontation mit Frankreich sucht. Inzwischen fordert sie nicht mehr nur den Abzug der 1.500 ständig stationierten französischen Soldaten und die Aufkündigung der Militärabkommen.

Frankreich lehnt dies mit dem Hinweis ab, man verhandele nicht mit einer Putschregierung, sondern nur mit einer gewählten, aber das älteste gültige Stationierungsabkommen (1977) zwischen Paris und Niamey wurde eben mit einer Putschregierung unterzeichnet. In Niamey kündigt man nun aber auch die gewaltsame Ausweisung des französischen Botschafters an, der sich ebenfalls weigert zu gehen und sich verbarrikadiert.

Im Sahel-Afrika jedenfalls dürfte Frankreich im geopolitischen Spiel nun schlechte Karten haben. In Zentralafrika hingegen hält es an den bestehenden Diktaturen fest und könnte sich mit dem oberflächlichen Wandel in Gabun arrangieren.

Bernard Schmid ist hauptberuflich Rechtsanwalt in Paris, nebenberuflich freier Journalist. 2012 erschien von ihm das Buch: "Frankreich in Afrika. Eine (Neo-)Kolonialmacht in der Europäischen Union zu Beginn des 21".

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