Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Sicherheitsbehörden

Die amerikanische Generalstaatsanwältin Janet Reno will eine neue Behörde gegen Cyberterrorismus schaffen.

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Vor einigen Tagen gab der stellvertretende amerikanische Verteidigungsminister John Hamre bekannt, daß der bislang "am besten organisierte und systematischste" Angriff auf Computersysteme des amerikanischen Militärs stattgefunden habe. Er räumte zwar ein, daß es keine Zugriffe auf sensible Systeme gegeben und daß alles den Anschein eines Spiels gehabt habe, aber betonte, es handele sich um ein ernsthaftes Problem, das ständig zunehme. Jetzt stellte sich heraus, daß es vielleicht zwei jugendliche Hacker aus Kalifornien gewesen waren, die man allerdings noch nicht festgenommen hat. Welchen Schaden sie angerichtet haben, bleibt weiterhin unbekannt.

Schon des längeren versuchen die Sicherheitsbehörden der USA den Cyberterrorismus zu dämonisieren, indem sie beteuern, wie unsicher die Kommunikationsinfrastruktur des Landes sei. Dahinter steht die Forderung, neue Behörden einzurichten und natürlich mehr Gelder für die Wahrung der öffentlichen "Cyber"-Sicherheit zu erhalten, nachdem die Geheimdienste nach dem Kalten Krieg ihre Funktion eingebüßt haben und nach neuen Aufgaben suchen. Der Verlust staatlicher Macht durch die Globalisierung der Wirtschaft scheint mehr und mehr dahin zu führen, die Sicherheitspolitik als oberste Legitimationsinstanz staatlichen Handelns zu sehen, was nicht nur zu einer Verschmelzung von Geheimdiensten, Militär und Polizei führt, sondern auch den Ausbau einer immer umfassenderen prophylaktischen Überwachung dient. Wenn der äußere Feind wegfällt, den auch Saddam Hussein nicht völlig überzeugend darstellt, wird der Terrorismus, der überall und jeder Zeit im eigenen Land zuschlagen kann, zum Königsweg, um "Recht und Ordnung" zu sichern.

Generalstaatsanwältin Janet Reno sah offensichtlich im jüngsten Vorfall gleich den Anlaß, neue Maßnahmen gegen die bedrohlichen "cyber attacks" zu planen und eine neue Behörde, ein National Infrastructure Protection Center einzurichten, die zentral die Übeltäter verfolgen soll, die in Computer der Militärs, der Behörden und der Privatwirtschaft eindringen. Für die neue Behörde hat sie ein Budget von 64 Millionen Dollar veranschlagt. Gerade weil man zwischen ernsthaften Angriffen und jugendlichen Spielereien besser unterscheiden müsse, wäre eines solche Behörde notwendig. Da man überdies zu sehr auf die Technologie vertraue, aber die Sicherheitsaspekte vernachlässige, seien die amerikanischen Systeme gefährdeter denn je. Schließlich lauere überall das Böse, denn man könne in einer Küche in Sankt Petersburg sitzen und Geld von einer Bank in New York stehlen.

Man muß nicht gleich so weit gehen wie Peter Neumann von SRI International, der laut Wired behauptet, daß man bewußt ungesicherte Systeme in die Welt setze, darauf warte, daß jemand in sie einbricht, oder gar jemanden wie den kalifornischen Jugendlichen darauf ansetze, um dann Geld zu fordern, damit man die Straftäter zur Rechenschaft ziehen könne. Aber seltsam ist schon, daß das Justizministerium unter dem Druck von FBI und den Geheimdiensten, die ziemlich ungestört weltweit etwa mit dem Echelon-System die Kommunikation über Satelliten abhören, gleichzeitig am Vorhaben festhält, ungehindert durch "key recovery" Zugriff auf alle Daten haben zu können, aber über die möglichen Gefahren schweigt, die derartige "Löcher" in der Verschlüsselung mit sich bringen können.

Wenn es um das Militär und die Geheimdienste geht, neigt man gerne zu Verschwörungstheorien. Die prompte Reaktion auf das angebliche Eindringen in die Computer des Militärs läßt aber doch die Vermutung entstehen, daß es sich um eine konzertierte Aktion gehandelt hat, die die strategische Ausrichtung der Sicherheitspolitik propagieren und legitimieren soll. Das würde um so wichtiger sein, nachdem jetzt der militärische Schlag gegen den arabischen Fürsten der Finsternis vorerst ausgefallen ist - und damit möglicherweise auch die kräftig geschürte Angst vor den chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen, die das amerikanische Volk bedrohen und gleichfalls einen Anlaß geboten haben, neue Überwachungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Sicherheitsbehörden einzuführen.