Asthma-Imagewandel statt Schadstofffilter

Eine mit den Yes Men verbundene Gruppe parodiert die PR-Bemühungen der amerikanischen Kohleindustrie

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Auch wenn in den letzten Monaten Atomkraftwerke im Zentrum des öffentlichen Interesses standen, sind andere Energieträger nicht ganz ohne Nachteile. Vor allem die Kohle, der wichtigste Energieträger des 19. Jahrhunderts, sorgt auch heute noch für gesundheitliche Probleme. Einer neuen Studie der American Lung Association zufolge tragen Kohlekraftwerke in den USA die Hauptlast an der Verschmutzung der Luft mit gefährlichen Stoffen, auf deren Konto jährlich zahlreiche Kranke und eine fünfstellige Zahl von Toten gehen sollen.

Bisher arbeiten die etwa 400 Kohlekraftwerke in den USA ohne Grenzwerte für Stoffe wie Arsen, Blei, Quecksilber und Dioxin. Die Environmental Protection Agency (EPA) tritt deshalb für eine Ergänzung des Clean Air Act und Standards ein, die Betreiber von Kraftwerken zum Einsatz neuerer Filtertechnologien zwingen sollen. Gegner solcher Änderungen ist vor allem die Peabody Energy Corporation, die viel Geld in Lobbyarbeit steckt.

Das brachte die mit dem Yes Lab der Aktionskünstler The Yes Men verbundene Umweltschützergruppe Coal is Killing Kids (CKK) auf die Idee, die negativen gesundheitlichen Effekte dadurch bekannter zu machen, dass sie die Werbebemühungen der Kohleindustrie übertrieben. Heraus kam dabei die Parodie Coal Cares, die sich bemüht, Asthma "cool" zu machen indem sie Inhalationsgeräte im Design von bei Kindern beliebten Marken wie Justin Bieber, Harry Potter, Twilight, Miley Cyrus und My Little Pony verteilt.

In einer von CKK gefälschten Peabody-Pressemitteilung hieß es diese Woche, dass "zu viele junge Amerikaner täglich in der Schule gehänselt und gequält werden" weil sie an Asthma leiden. Mit den neuen Inhalatoren könnten sie nun den Mut aufbringen, ihren Bullies "suck it up" zu sagen. Coal Cares, die Initiative, die dies möglich mache, stehe für eine "Philosophie des Wirtschaftens in Harmonie mit der Gesellschaft" und die "Rückkehr zur Selbstverantwortung, die gesundes Unternehmertum braucht". Schadstoff-Filter seien dagegen nicht nur teuer, sondern auch unausgereift und ein übermäßiger Regierungseingriff.

Dass Coal Cares Satire ist, wird spätestens dann klar, wenn man sich die auf der Website der Initiative aufgeführten Argumente gegen regenerative Energien ansieht: Sonnenenergie wird als diffus-gefährliche "Nutzung von Kernfusion im der der Erde am nächsten gelegenen Stern" kritisiert, die nur deshalb noch nicht für größere Katastrophen bekannt sei, weil ihr Anteil an der US-Energieproduktion bei weniger als einem Prozent liegt. Noch bizarrer argumentiert man gegen Windenergie: Weil durch die Chaostheorie bekannt sei, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auslösen könne, müsse man nur die zwölfeinhalb Watt Energie dieses Flügelschlags mit den hundert Megawatt einer Windfarm vergleichen, um sich auszumalen, wie gefährlich deren Nutzung ist.

Peabody versuchte dem durch die CKK angerichteten PR-Schaden durch eine eigene Pressemitteilung zu begegnen, in der der Konzern unter anderem auf Untersuchungen des World Resources Institute (WRI) hinwies, die belegen würden, dass die Lebenserwartung pro Kopf bei jeder Verzehnfachung des Energieverbrauchs um 10 Jahre steigt. Allerdings ging dieser Schuss insofern nach hinten los, als das WRI kurz darauf vermeldete, es habe solch eine Behauptung nie gemacht habe und man könne sie auch nicht aus Daten des Instituts herleiten.

Auch wenn der CKK-Streich durchaus amüsant ist, so ist doch die ihm zugrunde liegende Annahme, dass Kohlekraftwerke Asthma fördern und neue Standards jährlich eine sechsstellige Zahl von Kindern vor einer Erkrankung bewahren würden, nicht gesichert. Der von Telepolis befragte Medizinprofessor Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) nennt in diesem Zusammenhang unter anderem die Erfurter Studie, derzufolge die Asthmarate auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung nicht ab-, sondern etwa um den Faktor 2 zunahm.

Die Hypothese, dass die Schadstoffe aus Kohlekraftwerken jährlich für eine fünfstellige Zahl von Toten verantwortlich seien, hält der mit einer Arbeit zu Aerosolen und Schadstoffen habilitierte Mediziner ebenfalls für problematisch, da sie auf Hochrechnungen beruht, denen ein Worst-Case-Szenario zugrunde liegt. Die Daten zur Partikelbelastung zeigten aber, dass die Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht linear verläuft.

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