Auch Ecuador wird neu gegründet

Gute Perspektiven für Präsident Rafael Correa nach dem Sieg bei der Wahl der verfassungsgebenden Versammlung

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Der Linksruck in Lateinamerika setzt sich fort. Nach Venezuela und Bolivien wird nun auch in Ecuador der Staat reformiert. Bei der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung am vergangenen Sonntag konnte die Partei des amtierenden Präsidenten Rafael Correa die absolute Mehrheit erringen. Der 44-jährige Wirtschaftswissenschaftler kündigte daraufhin eine "Revolution der Bürger" an. Auch Ecuador werde den Weg zu einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts beschreiten.

Nach dem vorläufigen Endergebnis kam die Partei País auf knapp 70 Prozent der Stimmen. Sie wird in dem Verfassungskonvent nach dessen Arbeitsbeginn Ende Oktober demnach die absolute Mehrheit der insgesamt 130 Sitze stellen. Correa, der in der Bevölkerung großen Zuspruch erhält, hatte das vorab zur notwendigen Bedingung erklärt. Verfehle seine Partei die absolute Mehrheit, werde auch er von seinem Posten an der Staatsspitze zurücktreten.

Sozialreformistisches Programm

Das Manöver hatte durchaus Sinn, wie der Blick nach Bolivien zeigt. Auch dort wollte Präsident Evo Morales durch die Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung eine "Neugründung" des Landes erreichen. Tatsächlich stehen sich Regierung und Opposition seit über einen Jahr in einem Patt gegenüber. Die Anhänger Morales' verfügen in der "Constituyente" nur über die einfache Mehrheit. Weil für substanzielle Entscheidungen in dem Gremium aber zwei Drittel der Stimmen notwendig sind, kann die Opposition die Arbeit blockieren (In schlechter Verfassung). An ein Bündnis nach europäisch-parlamentarischem Vorbild ist nicht zu denken. Wie auch in Venezuela und nun in Ecuador geht es bei der Verfassungsreform in Bolivien schließlich um eine grundsätzliche Umstrukturierung des politischen und wirtschaftlichen Systems. Und dabei gibt es bisherigen Erfahrungen nach nur Befürworter oder Gegner.

In Ecuador haben sich nun die Fürsprecher durchgesetzt. "Revolution" und "Sozialismus" - wie schon in den übrigen links regierten Staaten lässt auch ihre Rhetorik weit mehr erwarten, als die politische Realität bietet. Denn zunächst geht es auch bei der ecuadorianischen Variante des Sozialismus des 21. Jahrhunderts um eine Re-Demokratisierung des bürgerlich-parlamentarischen Systems. Wie in Venezuela soll die demokratische Teilnahme der Bevölkerung gestärkt werden, unter anderem dadurch, dass parlamentarische Vertreter aller Ebenen auch vor Ende ihrer kompletten Mandatszeit abwählbar sind. "Wenn der Typ nichts taugt", erklärte Correa das Prinzip unlängst, "dann ab mit ihm nach Hause."

Darüber hinaus erinnert das Programm des Ökonomen an eine orthodoxe Wirtschaftspolitik, wie sie im Grunde genommen auch von vielen westlichen Staaten praktiziert wird: Die Zinsen sollen gesenkt und die eigenen Märkte vor dem Zugriff ausländischer Interessen geschützt werden. Der Reichtum des Landes, in dem zehn Prozent der Bevölkerung über 40 Prozent des Vermögens verfügen, solle zudem besser verteilt werden, so Correa. Vizepräsident Lenin Moreno sprach sich für eine "solidarische Ökonomie" aus. Kurzum: Auch in Ecuador soll mittelfristig die neoliberale Deregulierung der Märkte rückgängig gemacht werden. Das allein sagt über die mögliche politische Entwicklung zunächst nichts aus, auch wenn die Opposition bereits vor "Marxismus" und "Totalitarismus" warnt.

Staatlich kontrollierte Wahlwerbung

Auch die bisherige Amtszeit Correas bietet für eine politische Prognose wenig Anhaltspunkte. Nach seinem Antritt kam es zwar zu einer aggressiv ausgetragenen Kontroverse mit führenden Privatmedien. Doch der Disput war keineswegs auf einen autoritären Führungsstil des Staatschefs zurückzuführen als vielmehr auf die wenig nachvollziehbare Kritik privater Medien, die, wie auch in Venezuela und Bolivien, über enge institutionelle Bande mit der Parteienopposition verfügen.

Bei der Wahl der verfassungsgebenden Versammlung gab es indes positive Zeichen. So verfügte die Regierung erstmals, dass auch die Ecuadorianer im Ausland nach einer obligatorischen Registrierung in den Konsulaten wählen konnten. Besonders in Spanien, aber auch in den USA sind große Exilgemeinden beheimatet. In der Wahlkampagne selber wurde Wert auf Chancengleichheit gelegt. So war es drei Wochen vor der Abstimmung verboten, Wahlumfragen herauszugeben. Durch die Prognosen könnte das Ergebnis beeinflusst werden, so die Begründung.

Vor allem aber war in der 45-tägigen Kampagne privat finanzierte Wahlwerbung für einzelne Parteien verboten. So sollte verhindert werden, dass finanzstarke Gruppen ihre Interessenvertreter massiver hätten bewerben können, als dies Basisgruppen möglich gewesen wäre. Bei dem Blick auf das an diesem Wochenende bevorstehende Referendum über einen Beitritt zum Zentralamerikanischen Freihandelsabkommen CAFTA in Costa Rica (Showdown gegen das Cafta-Freihandelsabkommen) versteht man den Sinn einer solchen Bestimmung. In dem mittelamerikanischen Staat waren nach Auskunft von Basisaktivisten der Kampagne gegen einen CAFTA-Beitritt 97 Prozent der politischen Werbung von Regierung und Unternehmerverbänden geschaltet worden und nur drei Prozent von den Basisgruppen, die die Anzeigenkosten schlichtweg nicht aufbringen konnten. In Ecuador wurde, um diese Ungleichheit zu vermeiden, der Raum für Wahlwerbung zwischen den Parteien vom Nationalen Wahlrat in gleichen Teilen vergeben. Auch wurden die Finanzmittel über den Wahlrat gleichmäßig aus der Staatskasse bereitgestellt.

Umstrittene Auflösung des Parlaments

Nach dem Sieg Correas steht einer Reform der Verfassung nun also nicht mehr im Wege. Ein Thema aber wird das Land weiter beschäftigen. Laut geltender gesetzlicher Bestimmungen kann bei der Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung das Parlament aufgelöst werden. So soll verhindert werden, dass beide Gremien in Konflikt kommen. Präsident Correa will eine Auflösung daher auch durchsetzen.

Zu den Wahlen im vergangenen Jahr hatte er aus Opposition gegen das "korrupte Parlament" erst gar keine Kandidaten für die Legislative nominieren lassen. Der Staatschef hat von vornherein auf einen Sieg bei der Wahl zum Verfassungskonvent gesetzt. Die Parteien hätten schließlich keine Ideologie, sagte er, "sondern es sind mafiöse Strukturen, die nur dazu da sind, die Interessen des jeweiligen Chefs zu wahren".