Auf Metalle aus Russland verzichten?

Steigende Preise für Gas und Strom bringen die deutsche Energieversorgung ins Schleudern. Die Abhängigkeit von Rohstoffen aus Russland taucht erst langsam als Problem auf. Märkte zeigen sich verunsichert.

Seit der Preis für Erdgas in astronomische Höhen steigt und die Politik das Gas nur unter dem Aspekt der Heizung im Winter behandelt und dabei weitgehend ausblendet, dass Erdgas auch ein Rohstoff ist, der beispielsweise für die Herstellung von Düngemitteln benötigt wird, wurde deren Produktion heruntergefahren.

Ein Nebeneffekt dieser Drosselung ist eine Reduktion der AdBlue-Produktion, die für den Betrieb neuerer Dieselmotoren benötigt wird, weil deren Steuerung ein Starten des Motors ohne AdBlue nicht zulässt.

Vor allem für Bayern rückt derzeit mit dem Einbruch der Kohlensäureproduktion, von der Brauereien und Limonadenhersteller abhängig sind, ein weiteres Problem in den Blickpunkt. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger fordert von der Bundesregierung:

Die Bundesregierung kann die Dinge nicht mehr einfach laufen lassen, sondern muss endlich in eine gezieltere Bewirtschaftung dieser Mangellage einsteigen und die Branchen am Laufen halten, die unverzichtbar sind.

Hubert Aiwanger

Deutschland ist von Rohstoffimporten abhängig

Das für Ende des Jahres geplante Ölembargo gegen Russland wirft seine Schatten jetzt schon voraus. Da die russische Rosneft nicht nur an den Raffinerien in Schwedt, Karlsruhe und Vohburg mit mindestens einer Sperrminorität beteiligt ist, sondern auch für die Rohstoffbeschaffung in diesem Umfang verantwortlich ist, hat die Bundesregierung reagiert.

Sie hat die deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns, Rosneft Deutschland GmbH und RN Refining & Marketing GmbH, die dessen Raffineriebeteiligungen in Deutschland vorgelagert sind, unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt (siehe dazu: So reagieren die Bundesnetzagentur und Rosneft auf die Enteignung der PCK-Raffinerie in Schwedt).

Als Folge eines Embargos gegen russisches Mineralöl befürchtet die Bauwirtschaft jetzt die Verknappung des Bitumen-Angebots, was zu deutlichen Kostensteigerungen sowie Verzögerungen beispielsweise im Straßenbau führen werde. Die Verunsicherung am Markt ist aufgetreten, weil ein Drittel des in Deutschland produzierten Bitumens von Raffinierien mit maßgeblicher Rosneft-Beteiligung stammen.

Vom Mangel an Bitumen wäre möglicherweise auch der Ausbau der von der Nato gewünschten truppentauglichen West-Ost-Transportmöglichkeiten betroffen. Im Falle einer Knappheit bei Bitumen soll der heimische Bedarf priorisiert werden und Lieferverträge mit ausländischen Kunden im Rahmen eines politisch verordneten Protektionismus zum Schutz der deutschen Wirtschaft unterbrochen werden.

Zur Relevanz der Importe aus Russland stellte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) schon Ende März fest:

[Zwar] kommen nur 2,7 Prozent der gesamten deutschen Warenimporte aus Russland. [...] Doch die tatsächliche Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Importen aus Russland gehe weit über das hinaus, was die einstellige Prozentangabe andeute.

Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Rund ein Zehntel der Warenimporte aus Russland seien Nichteisenmetalle. Und drei Viertel der Importe von Isopren-Kautschuk, einem synthetischen Kautschuk, wie er für die Herstellung von Autoreifen benötigt wird, sollen nach Angaben des Statistischen Bundesamts ebenfalls aus Russland stammen.

Dass Palladium, das für die Herstellung von Abgaskatalysatoren benötigt wird, auch zu einem Viertel aus Russland stammt, macht die Lage für die Automobilindustrie, die schon unter dem Mangel an Elektronikbauteilen aus China leidet, nicht gerade angenehmer.

Die Abhängigkeit von russischen Lieferungen besteht jedoch nicht nur im Fahrzeug-, sondern auch im Maschinenbau, wo in einer Maschine im Wert von 100.000 Euro jeweils russische Produkte im Wert von 670 Euro, wobei bei diesem Betrag die Energielieferungen aus Russland noch nicht berücksichtigt sind.

Da die Bundesregierung über keinen exakten Wertschöpfungskettennachweis für die Vorprodukte besitzt, die die deutsche Industrie zur Aufrechterhaltung der Produktionsfähigkeit benötigt, und die Lieferverflechtungen weit komplexer sind, als man oft annimmt, wie man das jetzt mit Erschrecken im Falle des Energieträgers Erdgas feststellen konnte, kann man die Folgen eines Lieferstopps kaum vorhersagen.

So sind schnelle Reaktionen, wenn der Abriss einer Lieferkette sich durch fehlende oder drastisch verteuerte Vorprodukte zeigt, oftmals schwierig. Bei Nickel und Titan liegt der Importanteil Deutschlands bei über 40 Prozent.

Eine schnelle Lösung aus der Abhängigkeit von Russland ist bei diesen Metallen kaum möglich, da es in vielen Fällen nicht nur um das reine Metall geht, sondern gegossene Komponenten geliefert werden, für die im Falle einer Ersatzquelle die benötigten Werkzeuge erst bereitgestellt werden müssten, was ein hohes Kostenrisiko und ein beachtliches Ausfallrisiko darstellt, da die Produktion des Endproduktes nicht durchgeführt werden kann.

Kreislaufwirtschaft zur Reduzierung der Rohstoffabhängigkeit

In der aktuellen Situation zeigt sich, dass die Idee der EU-Kommission, in Zukunft verstärkt auf eine Kreislaufwirtschaft zu setzen, für die Versorgung mit Rohstoffen durchaus nützlich sein kann. In der Aluminiumproduktion liegt der Recyclinganteil inzwischen schon bei 50 Prozent, bei Rohstahl bei 45 Prozent bei Kupfer immerhin bei 44 Prozent.

Zur Forcierung der Kreislaufwirtschaft muss jedoch schon bei der Konstruktion technischer Geräte begonnen werden, damit diese mit möglichst geringem Aufwand in sortenreine Materialfraktionen aufgetrennt werden können. Bislang liegt der Hauptfokus auf niedrigen Produktionskosten und nicht in der optimalen Wiederverwendbarkeit.

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