Auf dem Weg zum Psychotherapie-Bot

Seite 2: Der alte Traum von der automatischen Gesprächstherapie

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Der Chatbot als Psychotherapeut hat eine lange Geschichte. Sie begann im selben Moment, als die Maschinen das Sprechen lernten. Das erste Programm, das "natürlichsprachige Eingaben" verarbeiten konnte - also keine standardisierten Computerbefehle - war Eliza, entwickelt von Joseph Weizenbaum.

Der Computerwissenschaftler entwickelte in den 1960er Jahren ein System, das den Anschein erwecken sollte, als verstünde es die Eingaben über eine Tastatur. Allerdings hatte die Software keine entsprechende Wissensbasis zur Verfügung. Daher modellierte Weizenbaum Eliza an einem Psychotherapeuten, der lediglich wiederholt, was sein Patient zu ihm sagt. Auf die Eingabe "Ich hasse meine Mutter!" antwortet das Programm beispielsweise: "Erzählen Sie mir mehr über Ihre Familie." Anders gesagt, Eliza nutzt Gesprächsstrategien, die verdecken, dass das Programm nichts versteht.

Weizenbaums Chatbot erregte die Phantasie der Öffentlichkeit enorm und wurde als Durchbruch der KI-Forschung gefeiert. Psychiater wie Kenneth Colby, ein renommierter Psychoanalytiker und Computerwissenschaftler an der Stanford-Universität, waren begeistert. "Man kann einen menschlichen Therapeuten als jemanden auffassen, der Information verarbeitet", erklärten Colby und einige gleichgesinnte Kollegen - und machten sich sogleich an die Arbeit, eigene Therapiemaschinen zu entwickeln.

Im Jahr 1989 gründete Colby dann eine Firma namens "Malibu Artificial Intelligence Works". Zu deren Produkten gehörte ein Lernprogramm namens "Depressionen überwinden", das von der US-Bundesbehörde für Veteranen an traumatisierte ehemalige Soldaten verteilt wurde. Colby sprach in diesem Zusammenhang bezeichnenderweise von einer "Reprogrammierung" der Depressiven. Auf öffentliche Kritik an seiner Therapie-Software antwortete er einmal: "Wenigstens bekommt das Programm keinen Burnout, verachtet Sie nicht und versucht nicht, Sex mit Ihnen zu haben."