Auf den Philippinen ist man stolz auf die berühmt gewordenen Wurm-Autoren

Für Computerexperten, die ein Modell für einen wirklich gefährlichen Wurm entwickelt haben, ist der ILOVEYOU-Wurm nur Kinderkram

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Auf den Philippinen selbst hat der LOVE-Virus offenbar kaum für Unruhe gesorgt, da noch nicht viele Menschen Zugang zum Internet besitzen. Gleichwohl scheint einer der möglicherweise für den Wurm Verantwortlichen, der 23jährige Onel de Guzman, allmählich dank der weltweiten Resonanz zu einem nationalen Helden zu werden. Immerhin hat der Wurm, der die Liebessüchtigen vornehmlich in den Büros und Betrieben austrickste, gezeigt, wie schnell jemand weltweit Aufmerksamkeit finden und zu einem globalen Prominenten werden kann.

Der Manila Standard sieht in dem Informatiker, der für seine Abschlussarbeit anscheinend das dem Wurm integrierte Programm geschrieben hat, um Kennworte von anderen Benutzern zu stehlen, den "ersten Weltklasse-Hacker des Landes": "Ja, die Filipinos können es!" Auch im Philippine Star feiert man den jungen Mann, der allerdings nicht behauptet, der Autor des Wurms zu sein, und zumindest abstreitet, ihn bewusst ins Internet geschickt zu haben: "Hier ist ein philippinisches Genie, der die Philippinen auf die Weltkarte gebracht hat. Und der bewiesen hat, dass die Filipinos die Kreativität und die Intelligenz haben, die Welt zum Besseren oder zum Schlechteren auf den Kopf zu stellen." Neidisch blicke man nun auf die Philippinen.

Guzman hatte anscheinend in seiner Abschlussarbeit, für die er den Wurm geschrieben hat, eine Art politischer Motivation. Das Programm sollte dazu dienen, "Internetaccounts vom Computer des Opfers zu stehlen und zu erhalten", um darüber einen kostenlosen Internetzugang zu ermöglichen. Seine einzige Absicht sei es gewesen, mit seiner Abschlussarbeit über "Internetdiebstahl" den benachteiligten Menschen zu helfen, einen Zugang zum Internet zu erhakten: "Das Internet ist ein Mittel zum Lernen, und es sollte kostenlos sein", sagte er auf einem Pressetermin mit seinem Anwalt. Guzman also als eine Art Robin Hood des Internetzeitalters? Da dies Diebstahl sei, wurde die Abschlussarbeit von der Universität abgelehnt, während Guzmans Kollege, Michael Buen, der ein Programm geschrieben hat, das sich selbst vervielfältigt, also den zweiten Bestandteil des LOVE-Virus, der ihn so schnell sich verbreiten ließ, damit keine Probleme hatte. Beide sind Mitglieder der Gruppe GRAMMERSoft, ein Name, der im Code des Wurms auftaucht. Die Gruppe verdient sich anscheinend unter anderem Geld damit, Abschlussarbeiten zu verkaufen.

Stolz ist man auch auf der Universität, an der Guzman und Michael Buen studiert haben. "Selbst wenn die Philippinen ein Dritte-Welt-Land sind, selbst wenn wir technologisch hinten liegen, konnten sie das machen," sagte ein Informatikstudent der New York Times. Ein anderer meinte, das sie stolz darauf seien. Man habe sich nicht vorstellen können, dass ein Student der AMA-Universität dies machen könne. Das war zwar falsch, so ein anderer, aber trotzdem ist das erstaunlich.

Die Medienresonanz, die der LOVE-Wurm gefunden hat, forderte auch ein paar Computerexperten heraus, die ihn nur als einen "dummen MS Outlook/VisualBasic Wurm" bezeichneten, der alles andere als gefährlich sei. Als eine Art Kinderkram gilt er den Experten, weil er sich nicht einmal ohne Mithilfe der Benutzer weiter verbreiten kann, beschränkt ist auf ein Betriebssystem, sich an die Adressen im Email-Adressbuch versendet und MP3-Dateien zerstört: "Und das nennt ihr gefährlich?"

Michal Zalewski aus Warschau hat angesichts der von den Medien und den Herstellern von Antiviren-Programmen propagierten "apokalyptischen Visionen der Zerstörung" auf seiner Webseite die Überlegungen veröffentlicht, die er und eine Gruppe von Freunden im letzten Jahr angestellt hatten, um herauszubekommen, wie schwierig es ist, einen wirklich gefährlichen Internetwurm zu schreiben. Das Projekt nannten sie "Samhain" - und stellten es wieder ein, nachdem sie eine vorläufige Version eines solchen Wurms entwickelt hatten.

Ausgegangen sind sie von sieben einfachen Prinzipien oder Eigenschaften, die ein wirklich gefährlicher Wurm haben müsste. Er sollte, was am Wichtigsten sei, unabhängig vom Betriebssystem funktionieren, so lange als möglich unentdeckt bleiben, sich automatisch ohne Mithilfe des Benutzers verbreiten, neue Techniken lernen können, um sich aufzurüsten und die neuen "Erkenntnisse" zum Herunterladen allen vorhandenen Computerwürmern anzubieten, beispielsweise durch Verschlüsselung schwer aufzuspüren und zu zerstören sein, eine polymorphe Struktur ohne fixen Code besitzen und bestimmte Aufgaben ausführen: "beispielsweise ein bestimmtes System infizieren, dann die Befehle herunter zu laden und, wenn die Aufgabe ausgeführt wurde, einfach wieder von allen Systemen verschwinden."

In ihren Ausführungen werden diese Ideen und die entwickelten Konzepte ausgeführt. Natürlich verstehe man das nicht als "Handbuch für Terroristen", sondern man wolle zeigen, "dass ein sehr ernst zu nehmendes mögliches Risiko, das wir praktisch nicht verhindern oder beenden können, nicht nur hypothetisch ist." Das von ihnen entwickelte Modell sei eine "äußerst gefährliche Maschine, die für sehr, sehr schlimme Dinge benutzt werden könnte. Wahrscheinlich sind wir nicht die ersten, die darüber nachgedacht und versucht haben, sie zu schreiben. Das ist es, was uns Angst macht ..."