Aufgehende Saat: Ökolandwirtschaft in Asien

Seite 2: Urbane Gärten des Widerstandes

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Wo Krieg geführt wird, herrscht Hunger. In Syrien zum Beispiel waren rund eine Millionen Menschen lebensgefährlich vom Hunger bedroht. Eingeschlossen in Dörfern und Städten, wurde es immer schwieriger, Essen zu beschaffen. Angesichts der Auswegslosigkeit begannen Menschen damit, ihr Essen selber anzubauen. So wie in Zabadani, einer syrischen Kleinstadt an der Grenze zum Libanon, wo Frauen kurz nach Ausbruch des Krieges eigenes Gemüse zogen.

Schnell fand die Idee Nachahmer in anderen Orten: Asphalt wurde entfernt, jeder unbebaute Winkel für den Gemüsebau genutzt. Bis heute kultivieren Bewohner zerbombter Städte Kartoffeln, Auberginen, Zucchini oder Zwiebeln und eiweißreiche Hülsenfrüchte, aber auch Äpfel und Oliven. Und obwohl die Getreidemühlen im Land von Regierungstruppen zerstört wurden, wird auch Getreide ausgesät. Als mitten im Krieg die Wasserkanäle geschlossen wurden, fehlte allerdings das Wasser zum Bewässern.

Unter der Dringlichkeit der Nahrungsversorgung gründeten Bauern und Bäuerinnen das Netzwerk The 15th Garden. In den zerstörten Städten und Lagern der syrischen Anrainerstaaten legten die Aktivisten urbane Gärten an, tauschten untereinander samenfestes Saatgut aus und gaben ihr Wissen über nachhaltigen Land- und Gartenbau weiter. Nicht selten setzten sie ihr Leben aufs Spiel, um die Eingeschlossenen vor dem Hungertod zu retten

Einer von ihnen ist Abdallah Al-Shaar. Er half in einem Flüchtlingslager Gärten anzulegen, bevor er im Frühjahr 2015 nach Schweden floh. Damals wurden sogar kleine Bäckereien mit Öfen betrieben, eine Saatgutbank angelegt und eine Schule für Ökolandbau eröffnet, berichtet er in einem Spiegel-Interview.

Urbane Gärten sind ein Mittel zur Erlangung der Ernährungssouveränität, glaubt Al-Shaar. Denn nur, wenn Menschen in der Lage sind, sich selbst zu versorgen, sind sie unabhängiger von äußeren Einflüssen von Autoritäten, so der Garten-Aktivist. Und meint damit auch ein künftiges Leben nach dem Krieg.

Inzwischen hat sich das Netzwerk auf Schweden, Frankreich, Italien und Deutschland ausgeweitet. Von dort aus senden Mitglieder gentechnikfreies, samenfestes Saatgut in syrische Flüchtlingslager aber auch in die Lager angrenzender Nachbarländer. In Griechenland zum Beispiel gibt es zwei Gärten, die ausschließlich Saatgut für Syrien nachziehen.

Safran-Ernte statt Opiumhandel

Nachhaltige Anbau-Projekte in kriegszerrütteten Ländern lassen Menschen mit ihrer Kultur, Geschichte und Erfindungsgeist in einem ganz neuem Licht erscheinen. So wie in Afghanistan - ein Land, das eher für Terroranschläge und Anbau von Schlafmohn bekannt ist.

Salem El-Mogaddedi und Gernot Würtenberger aus Berlin 2015 begegneten während einer Reise eher durch Zufall einer Gruppe von Frauen, die in der Provinz Herat Safran kultivierten - auf denselben Äckern, auf denen wenige Jahre zuvor Mohn angebaut worden war. Wenige Tage später standen sie inmitten von Safranfeldern und halfen bei der Ernte. Zurück in der Heimat überlegten die beiden Quereinsteiger in der Lebensmittelbranche, wie sie die Produktvermarktung vorantreiben könnten. Das Unternehmen Conflictfood war geboren.

In der Folgezeit reisten sie durch vom Krieg zerrüttete Länder: In Palästina entdeckten sie das antike Getreide Freekeh aus geröstetem, grünem Weizen. In Myanmar fanden sie eine wilde Teesorte, die seit Generationen in ursprünglicher Form angebaut wird. Freekeh und Tee sind inzwischen sogar biozertifiziert. Aktuell gibt es drei Anbauprojekte, die den Bäuerinnen und Bauern lokale Absatzmärkte eröffnen.

In Berlin finden die Waren über Online-Handel bzw. über Partner wie Greenpeace oder Plan International ihren Weg zu Abnehmern in ganz Europa. Handel hilft den Menschen mehr als Geldspenden, glauben die Unternehmensgründer.

Deshalb wollen sie über fairen und direkten Handel lokale Strukturen stärken, die Eigeninitiative der Menschen in Krisenregionen fördern und letztlich somit Fluchtursachen bekämpfen. Denn nur wenn Menschen langfristig eine Perspektive haben, werden sie ihre Heimat nicht verlassen.