Aufstehen auf Indisch
Seite 2: Lichtblicke
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Auch die etwa 50.000 Demonstrationsteilnehmer in Delhi am 30. November - einige Zeitungen geben später bis zu 80.000 an - bleiben auf ihrem Weg friedlich. Zwei Tage zuvor waren in Kolkata (Kalkutta) ebenfalls mindestens 50.000 Menschen für die Bauern auf die Straße gegangen.
In Delhi zieht der Demonstrationszug derweil bunt und lärmend zum Parlamentsviertel. Am Straßenrand sammeln sich Sympathisanten, darunter eine Gruppe Lehrer der Universität für Physik. "Heute sind es die Bauern die sich das Leben nehmen, weil sie die Kredite nicht zurückzahlen können", sagt die Lehrerin Dr. Abha Dev Habib. "Morgen sind es meine Schüler, weil Modis Privatisierung des Bildungssystem sie in die Schuldenfalle treibt."
In Gesprächen mit den Demonstranten wird auch klar, dass sie nicht von politischen Parteien hierher gekarrt worden sind. Es ist nicht auszuschließen, dass auch ein paar Großbauern ihre Arbeiter geschickt haben, schließlich würden ihnen Krediterlasse entgegenkommen. Doch die meisten Teilnehmer gehören zu einer der 208 Bauernorganisationen, die zum Marsch auf Delhi aufgerufen haben.
Am Nachmittag sprechen Bauernvertreter auf der Abschlusskundgebung und Vertreter der politischen Opposition. So auch Rahul Gandhi, Präsidentschaftskandidat der Kongress-Partei. Gandhi verspricht den Bauern, für sie zu sorgen, wenn er 2019 gewählt würde. Dabei hat auch seine Partei in ihrer Amtszeit nichts für die Masse der Bauern getan.
Ein kleiner politischer Lichtblick auf dem Podium ist Arvind Kejriwal von der Aam-Aadmi-Partei (AAP). Seit 2013 ist er Chief Minister des Unionsterritoriums Delhi. Im Jahr 2012 gründete sich die AAP aus der Anti-Korruptionsbewegung. Fortschritte in Delhi sind da, bleiben jedoch überschaubar, weil die Zentralregierung bei jeder Gelegenheit versucht, die Arbeit der neuen Partei zu torpedieren.
Schon vor zwei Jahren bot Kejriwal seinen Amtskollegen im Punjab Hilfe an, die Bauern finanziell zu unterstützen, damit sie nicht mehr die Stoppeln von ihren Feldern abbrennen müssten. Bis jetzt erfolgte auf sein Angebot keine Reaktion. Zudem wird Arvind Kejriwal regelmäßig mit Straf-Anzeigen überzogen. Bislang wirkungslos. Im letzten Monat wurde er vor Gericht vom Vorwurf freigesprochen, er hätte die Polizei Delhis beleidigt, die der Zentralregierung untersteht.
Vor Gericht freigesprochen wurde auch das Indian Social Action Forum (INSAF) vom Vorwurf, gegen den Staat zu agitieren (vgl. Indien: Modi und die ungeliebten Aktivisten). Doch ein paar Wochen später wurden die Konten von INSAF erneut gesperrt - die Regierung hatte einen anderen Grund aus dem Hut gezauberte, den Dachverband von etwa 700 sozialen Organisationen vor Gericht zu zerren.
Die gleiche Vorgehensweise benutzt die Regierung mittlerweile auch gegen Greenpeace und Amnesty International. Trotzdem lässt sich der Vorsitzende von INSAF, Wilfred d'Costa, nicht entmutigen und bleibt auch am Abend auf dem Ramila Ground optimistisch:
Mehr als 1000 Studenten haben ehrenamtlich geholfen, die nach Delhi gereisten Bauern zu versorgen. Auch gab es großzügige finanzielle Unterstützung aus der Zivilbevölkerung. Dazu hat der Verband AIKSCC zum ersten Mal dem Parlament eigene Gesetzesentwürfe vorgelegt.
Wilfred d'Costa, INSAF
Dann beschreibt d’Costa, warum er trotz aller Probleme nicht ans Aufgeben denkt: "Vor 30 Jahren nahm mich Colin Gonsalves (Gewinner des Alternativen Nobelpreises 2017) mit in ein Slum in Bombay - seitdem kann und will ich nicht mehr wegschauen. Wenn mehr Menschen nicht mehr wegschauen, sondern sich gegenseitig zuhören und sich miteinander vernetzen anstatt sich gegeneinander ausspielen zulassen, kann positiv verändert werden."