Ausgemerkelt - Jens is waiting

Seite 3: Jens Spahn, der Gesundheitspolitiker

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Zweifellos war Jens Spahn bis 2015 der am besten vernetzte Parlamentarier, wenn es um Gesundheitspolitik ging. In zahlreichen parlamentarischen Arbeitsgruppen der CDU/CSU war er aktiv. Dennoch sucht man vergeblich nach schriftlichen Zeugnissen, aus denen man seine gesundheitspolitischen Grundpositionen entnehmen könnte.

Es gibt sporadische Zeugnisse des Jens Spahn. Er wandte sich die gegen die Legalisierung von Cannabis, weil der THC-Gehalt von handelsüblichem Haschisch immer mehr zunehme. Gegen die Unsitte des selbstzerstörerischen Komasaufens unter Jugendlichen empfahl er, den Eltern dieser Adoleszenten 100 Euro Strafgeld abzuknöpfen, das den gesetzlichen Krankenkassen zugutekommen sollte.

Mit zwei weiteren Autoren gab Spahn ein Buch heraus mit dem Titel App vom Arzt: Bessere Gesundheit durch digitale Medizin. Ein Käufer des Buches resümiert: "Obwohl die Autoren ihre Leser persönlich ansprechen und sich dabei in die Schar der Patienten einreihen, sind zwei der drei Autoren Ärzte, die im digitalen Markt beziehungsweise in der Diagnostikindustrie ihr Geld verdienen. Sie betreiben mit diesem Büchlein also Werbung in eigener Sache. Sie fordern Milliardeninvestitionen in den E-Health-Markt und stellen das alles umfassende Datensammeln als erstrebenswert dar."

Schon sehr früh kam der junge Abgeordnete auf die Idee, seine Beziehungen in bare Münze umzuwandeln. Mit zwei Freunden gründete Spahn die "Politas GbR". Eine Lobbyfirma, die das Insiderwissen der Politiker den Pharmakonzernen nutzbar machen sollte, unter anderem dem Pharmagroßhändler Celesio (heute McKesson Europe) und dem privaten Krankenhausbetreiber Rhön-Klinikum AG.

Auch wenn sich der Jungpolitiker längst aus diesem Geschäft verabschiedet hat, ist doch deutlich: Das Bewusstsein, das Insiderwissen aus öffentlichen Ämtern nicht für privaten Vorteil zu missbrauchen, ist bei Spahn nicht sehr hoch entwickelt.

Schließlich ist der CDU-Politiker noch an der Erledigung eines unbestechlichen Kritikers der Pharmaindustrie beteiligt. Die Rot-Grüne Bundesregierung hatte dereinst ein Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen aufgebaut, finanziert von den gesetzlichen Krankenkassen. Das IQWiG sollte in Eigenrecherche die Wirksamkeit neuer Medikamente und Behandlungsmethoden akribisch überprüfen und öffentlich beurteilen.

Das war natürlich eine Beeinträchtigung vieler Geschäftsmodelle der privaten Gesundheitsindustrie. Chef des Instituts war im Jahre 2009 Peter Sawicki, ein international angesehener Mediziner, der unerbittlich gegen "Scheininnovationen" vorging. Vier Politiker intrigierten, um Sawicki loszuwerden, nämlich: Philipp Rösler (FDP, auch mal Gesundheitsminister), Daniel Bahr (FDP, Röslers Nachfolger im Ministerium), Annette Widmann-Mauz (CDU, aktuell gehandelt als nächste Gesundheitsministerin) und Jens Spahn.

Da die neue CDU/CSU-FDP-Koalition Sawicki nicht einfach absetzen konnte, wurde eine Art Dienstwagenaffäre gegen den Institutsleiter inszeniert. Der Vertrag mit Sawicki wurde nicht verlängert. Er wurde durch einen der Pharmabranche genehmeren Mann ersetzt.

Gegenprogramm

Laut Guardian sah sich Spahn nach der Bundestagswahl 2013 ausersehen als neuer Gesundheitsminister. Jedoch: Kanzlerin Merkel überging den netzwerkfreudigen Spahn und machte den braven Parteisoldaten Hermann Gröhe zum obersten Gesundheitsadministrator. War es dieses Trauma der Zurücksetzung, das Spahn dazu brachte, sich selber ab 2014 als Gegenprogramm zur Dauerkanzlerin zu postieren?

Jedenfalls trat Spahn im November 2015, zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise, als Herausgeber einer Aufsatzsammlung im großen Stil medial in Erscheinung. Das Buch trägt den kryptischen Titel: "Ins Offene: Deutschland, Europa und die Flüchtlinge". In jenen Tagen, als die Flüchtlinge an deutschen Bahnhöfen mit "Welcome Refugees"-Plakaten begrüßt wurden, war es ein Leichtes, sich als Gegner von Merkels offenen Armen zu profilieren, wovon Spahn denn auch reichlich Gebrauch macht.

Er nennt sich selber "burkaphob" und betont, dass es in Deutschland kein Multikulti geben darf, sondern stattdessen Leitkultur. Die Autoren seines Sammelbandes: Talkshow-bekannte Vielredner wie Klaus von Dohnanyi und Herfried Münckler, harte Politiker wie Markus Söder; auch zwei Autoren aus muslimischem Kulturkreis dürfen hier schreiben. Alles noch im Rahmen pointierter Kritik, nicht eskalierend.

Ein Autor allerdings hinterlässt ein Geschmäckle: Wolfgang Ischinger, seines Zeichens Leiter des weltweit größten Treffens der Händler des Todes, der Münchner Sicherheitskonferenz. Ein Mann, der qua Amt einer der Mitverursacher der Flüchtlingskrise ist.