Ausgesorgt
Seite 3: Der Obere: Richard muss nicht mehr, würde aber
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Als Richard noch operational tätig war, als Präsident einer wichtigen Zukunftssparte des Konzerns, sagte er mir einmal: "Ich traue mich nicht, meiner Frau zu sagen, wie viel Geld wir haben, weil sie dann zu viel ausgibt." Tatsächlich ist seine Frau eine geradezu begnadete Shopperin, aber auch eine herzliche Mutter und Hausfrau. Wenn er uns zu seinen kleinen Privatpartys in seiner Hangvilla in einem benachbarten Land einlud, verwöhnte und unterhielt sie uns glänzend.
Der sportliche und jünger aussehende Sunnyboy Richard musste dann doch überraschend früh seinen Posten räumen und wurde in den hochdotierten Ruhestand verabschiedet. Seitdem pendelt er zwischen seiner Villa im Villenvorort und seinen verstreuten Ferienwohnsitzen. Manchmal besucht er mich überraschend und wir öffnen einen Champagner. Richard ist immer unruhig.
Unternehmensberater wollte er im Ruhestand werden, hochgefragter Spezialist. Aber jeder weiß, dass Konzernleute nur wissen, wie man sich im Konzern bewegt. Und dass all ihre Beziehungen nur auf dem Namen des Konzerns basierten. Dann stieg er in ein E-Commerce-Startup ein, das ihn gerne im Board hatte. Das Startup macht nur Verlust, aber Richard macht das nichts aus. Eine halbe Million mehr oder weniger sind bei seinem Gesamtvermögen, das so um die 10 Millionen liegt, kein emotionales Problem. Jeden Monat kommen 12.000 Euro Pension dazu. Natürlich ist er bei den Lions.
Aber auch Richard kann sein Ausgesorgt-Sein nicht genießen. Er verkauft die Ferienwohnsitze, kauft neue. Zu Hause hält er es nicht aus. Er muss ständig Sport machen oder reisen. Oder die Harley aus der Garage holen. Allerdings sorgt er sehr gut für seine drei erwachsenen Kinder, von denen noch zwei zu Hause leben.
Richard hat auch ausgesorgt, ist aber, anders als die anderen Portraitierten, dennoch nicht besonders unglücklich. Allerdings kann man nicht sagen, dass er der Gesellschaft viel zurück gibt. Er bewahrt allerdings einen Lifestyle zwischen St. Moritz und Portofino, der in unserer Leistungsgesellschaft als vorbildlich gilt. Damit trägt er zur Stabilität der Anreizsysteme bei.
Ganz oben zumindest entsteht im Bewusstsein des Ausgesorgt-Habens ab und zu eine kleine Entspanntheit. Statistisch ist das aber zu wenig, um das Ziel des Ausgesorgt-Habens weiter in den Mittelpunkt unserer Berufswelt stellen zu können.