Australiens pazifische Lösung des Flüchtlingsproblems
Asylbwerber werden auf Inseln im Pazifik untergebracht, auch der durch die Klimaerwärmung von Überschwemmung bedrohte Inselstaat Tuvalu wurde von der australischen Regierung als möglicher Abschiebungsort ausersehen
Verwegene Pläne sind in der australischen Regierung entstanden, um das Problem von Immigranten und Asylbwerbern zu lösen. Erst kürzlich wurden die Flüchtlingslager als "unerträglich überbelegt" vom Western Australian Inspector of Custodial Services bezeichnet. Die Regierung der einstigen britischen Gefängniskolonie sucht seit dem Sommer das Problem durch ein Verbot für neue Asylbewerber zu lösen und nimmt dabei auch in Kauf, dass abgewiesene Schiffe mit Flüchtlingen sinken. Die "illegalen Einwanderer" werden aber auch auf abgelegene Inseln wie Nauru im Pazifik verschifft, wo sie bleiben müssen, bis über ihre Anträge entschieden wurde. Für die kompromisslose Haltung in der Flüchtlingsfrage wurden Premierminister John Howard und seine Koalition aus Liberalen und der Nationalen Partei mit einem deutlichen Wahlsieg am 11. November bestätigt.
Der Umgang der australischen Regierung mit den Flüchtlingen rückte erstmals im August dieses Jahrs in den Blick der Öffentlichkeit. Damals hatte der norwegische Frachter Tampa 450 Flüchtlinge aus Afghanistan und Sri Lanka von einer Fähre gerettet, die in Seenot geraten war. Wegen der prekären Situation wollte die Tampa die in der Nähe liegende australische Weihnachtsinsel anlaufen. Die Regierung verbot aber das Einfahren in australische Hoheitsgewässer und ließ durch Soldaten das Schiff entern. Schon während der daraufhin stattfindenden gerichtlichen Verhandlungen wurden die Flüchtlinge, zusammen mit weiteren inzwischen aufgegriffenen, dann mit einem Militärschiff auf die 6.000 Kilometer entfernte Pazifikinsel Nauru gebracht. Nauru ist mit einer Fläche von 21 Quadratkilometern und 10.000 Einwohnern der kleinste Staat der Welt. Er hatte sich zur Aufnahme von 500 Flüchtlingen bereit erklärt und erhielt dafür um die 40 Millionen Mark. Auch Neuseeland erklärte sich bereit, 150 Flüchtlinge aufzunehmen.
Ende September verabschiedete der Senat dann eine Gesetzesänderung zur Asylpolitik. Darin wurden abgelegene australische Territorien wie die Weihnachtsinseln oder die Kokos-Inseln zu Zonen erklärt, in denen kein Asyl beantragt werden kann. Die Strafen für Menschenschmuggel wurden erhöht, die Klagemöglichkeiten für abgelehnte Asylbwerber eingeschränkt, Flüchtlinge können abgewiesen werden, wenn sie keine gültigen Papiere vorlegen. Als Flüchtling gilt, wessen Leben durch "serious harm" bedroht ist. Und natürlich wurden die Luft- und Seepatrouillen verstärkt.
Australien sucht seitdem andere Inseln, um Flüchtlinge zeitweise unterzubringen. Fidschi und Palau überlegen gerade, ob sie damit ein wenig Geld nebenbei verdienen wollen. Neben Papua Neuguinea hatte Ende Oktober angeblich auch der Inselstaat Kiribati eine Aufnahme von 500 Asylbewerbern zugesagt. Die sollten dann auf dem Kanton-Atoll, 2000 Kilometer entfernt von Tarawa, der Hauptstadt von Kiribati, untergebracht werden. Inzwischen aber hat der Präsident von Kiribati, Jeremia Tabai, die Behauptung zurückgewiesen: "An diesem Ort können keine Menschen leben, selbst Kokospalmen gehen hier ein. Das Wasser ist schrecklich, und es muss alles, was man benötigt, hintransportiert werden. Man kann nicht nur von Fisch leben ... Kein Wasser, keine Brotfrucht, keine Kokosnüsse. Die Insel ist nicht von Pflanzen bedeckt."
Überdies wurde bekannt, dass Australien versucht, auch in Tuvalu Asylbewerber unterzubringen. Tuvalu ist ein kleiner Inselstaat im Pazifik mit 11.000 Einwohnern auf neun Atollen mit insgesamt 26 Qaudratkilometern. Bekannt wurde der Inselstaat durch die durch die Länderdomain .tv. 50 Millionen Dollar über 10 Jahre erhielt der Winzstaat für die Übereignung seiner Domainverwaltung an das US-Unternehmen dot.tv (Dot Atlantis). Ansonsten gibt es hier kaum Einnahmen, die Lebensbedingungen sind karg, zudem ist Tuvalu durch die Klimaerwärmung akut gefährdet, die den Wasserspiegel steigen lässt. Mehr als vier Meter über die Meeresoberfläche reicht kein Ort auf den Atollen. Ironischerweise hatte sich Tuvalu erst unlängst an Australien mit der Bitte gewandt, Einwohner aufzunehmen, wenn die Inseln untergehen. Australien hat diese Bitte im Juli scharf zurückgewiesen, tritt jetzt aber just mit derselben Bitte an Tuvalu heran. Auf dem übervölkerten Inselstaat leben 403 Menschen pro Quadratkilometer, in Australien lediglich 2,4 Menschen.
Tuvalu sei von der australischen Regierung gefragt worden, habe aber noch kein offizielles Schreiben erhalten. Dort ist man natürlich nicht sehr erfreut und sagt, dass man selbst Land benötigt. Australiens Einwanderungsminister Philip Ruddock zog inwischen die Bitte zurück und sagte, es hätte sich nur darum gehandelt, das Interesse von Tuvalu an der Aufnahme von Flüchtlingen zu erkunden. Inzwischen hat auch Irland aufgrund des Aufrufs der UN-Flüchtlingshilfsorganisation angeboten, einige von Australien abgewiesene Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen. Direkte Kontakte zwischen Australien und Irland habe es aber bislang noch nicht gegeben. Australien würde sich freuen, wenn Irland bereit wäre, gemeinsam mit Australien die "Last in unserer Region" zu tragen. Ruddock äußerte überdies, dass man über jedes Land froh wäre, in dem man Flüchtlinge unterbringen könne.
Möglicherweise ist da die Benutzung der zu Australien gehörenden Inseln für die pazifische Lösung des Flüchtlingsproblems zweckmäßiger, die durch das neue Gesetz exterritorial liegen, was das Recht auf das Stellen eines Asylantrags angeht. So sind am Mittwoch 330 Flüchtlinge auf der Weihnachtsinsel, 360 Kilometer südlich von Java, gebracht worden, auf dem ein neues, mit einem Zaun umgebenes und von Sicherheitskräften bewachtes Lager mit klimatisierten Baracken für 400 Bewohner eingerichtet wurde. Hier leben lediglich 1.500 Menschen auf 135 Quadratkilometern. 60 Prozent der Fläche ist ein Nationalpark. Die Bewohner sind darüber allerdings nicht nur erfreut. Man sei zwar erfreut, so Gordon Thomson, ein Sprecher der Bewohner, dass die Menschen von den unsicheren Booten in Sicherheit gelangen, aber die man habe Bedenken, "weil niemand will, dass die Insel zu einem permanenten Gefängnis für Flüchtlinge" werde. Die Regierung soll die Anträge schnell bearbeiten und die Flüchtlinge auf dem Festland aufnehmen. Auch auf die Kocos-Inseln, die denselben Status wie Christmas Island haben, wurden heute 31 vietnamesische Flüchtlinge verbracht, während man gleichzeitig 37 "Unlawful Arrivals", die Mitte September mit einem Boot dort Zuflucht suchen wollten, wieder zurück nach Sri Lanka geflogen hat.
Für Ruddock ist Australien übrigens "eine multikulturelle und kosmopolitische Gesellschaft, die viel den Einflüssen der aufeinander folgenden Einwanderungswellen aus jedem Kontinent der Erde verdankt."