Auswahl von Nahrungsmitteln schützt nicht vor Krebs
Und Vegetarier sind depressiver als Fleischesser
Ernährungswissenschaftliche Studien, deren Ergebnisse nicht so ganz in das dominierende Welt- und Denkbild passen, werden in vielen Medien oft nicht wahrgenommen - auch wenn ihre Metadaten überzeugen. So etwa zur These, dass gesunde Ernährung vor Krebs schützt und auch Vegetarismus gesund sein soll.
Eine internationale Forschergruppe, deren Studienleiter nicht nur an der griechischen University of Ioannina School of Medicine, sondern auch für die "International Agency for Research on Cancer" arbeitet, hat sich einige Arbeit gemacht: Die Wissenschaftler erstellten eine Meta-Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen onkologischen Erkrankungen und Ernährung.
Dazu fassten die mehr als ein Dutzend Forscher die Ergebnisse von 860 bis dato bereits publizierten Meta-Analysen zu diesem Themenkomplex zusammen. Jede einzelne Metaanalyse wiederum besteht aus dem Gesamtergebnis zahlreicher epidemiologischer Einzelstudien, also primär Beobachtungsstudien.
Meta-Meta-Wissenslücken
Das Ergebnis ist - zumindest für alle Freunde "gesunder Ernährung" -ernüchternd: Die Erkenntnisse sind so schwach, uneinheitlich und verzerrt, dass sich daraus keinerlei Ernährungsempfehlungen extrahieren lassen, die vor Krebs schützen.
Dabei muss betont werden: Die Forschergruppe untersuchte ausschließlich Korrelationen (statistische Zusammenhänge), da es keine einzige Studie gibt, die Kausalevidenz (Ursache-Wirkungs-Belege) für Krebsschutz liefert, weder durch Ernährung im Allgemeinen noch für einzelne Lebensmittel(gruppen) im Speziellen
Das Gros dieser Beobachtungstudien hat dabei keinerlei Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und Krebsrisiko gefunden. Und so lassen sich selbst anhand dieser schwachen Korrelationen aus 860 Meta-Analysen keine wirklich handfesten Hypothesen generieren, so dass die Wissenschaftler nur rudimentär empfehlen:
Im Bereich der öffentlichen Gesundheit und Politik sollten Anstrengungen unternommen werden, um vor den bekannten ernährungsbedingten Hauptrisikofaktoren für Krebs, im Speziellen Fettleibigkeit und Alkoholkonsum, zu warnen.
Man beachte: Kein konkretes Wort zu bestimmten Nahrungsmitteln, abgesehen von dem allgemeinen Hinweis auf ernährungsbedingte Adipositas.
Krebsschutz durch Ernährung? Nicht belegt!
Kurzum: Wer Krebsschutz durch Obst und Gemüse, Vollkornbrot oder was auch immer propagiert, der hat wahrscheinlich "vergessen", dass es keinerlei Beweise dafür gibt - sondern, wenn überhaupt nur ein paar hoffnungsvolle Korrelatiönchen.
Solche "protektiven Assoziationen" zeigt das aktuelle Mega-Meta-Paper im Übrigen auch, beispielweise für Milch - aber klar ist: Das sind nicht mehr als vage statistische Zusammenhänge, die zum Spekulieren und Philosophieren animieren, das war es auch schon.
Denn diese Hypothesen in klinischen Studien mit harten Endpunkten zu belegen, das wird es nicht geben, weil solche Studiendesigns nicht realisierbar sind, da fernab der Realität. Und so macht auch diese Forschergruppe unmissverständlich klar: Auch weitere Studien werden an diesem Nichtwissen nichts ändern! Diese Erkenntnis ist im Übrigen auch nicht neu …
Fazit: Es existiert kein Beweis, noch nicht einmal liegen belastbare Hypothesen vor, dass Ernährung vor Krebs schützt.
Begünstigt Vegetarismus Depressionen?
Diese Frage stellen Forschende der Universität Duisburg-Essen, die ebenfalls eine Meta-Analyse durchgeführt haben - in dem Fall zum Zusammenhang zwischen vegetarischer Ernährung und psychischer Gesundheit.
Einer der Autoren, Prof. Dr. Sebastian Ocklenburg, Biopsychologe an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) erklärt nochmal kurz, was eine Meta-Analyse auszeichnet:
Das ist eine komplexe statistische Methode bei der wir die Ergebnisse vieler publizierter Studien zum Thema Depressionen und Vegetarier-sein miteinander integriert haben.
Dazu analysierten die Wissenschaftler eine Datenmenge von knapp 50.000 Menschen (8.000 Vegetarier:innen und 42.000 Fleischessende) und verglichen dabei die Punktwerte in Fragebögen zwischen den Gruppen. Und was beobachteten die Forscher aus dem Ruhrpott?
Unter Vegetarier ist eine höhere Depressionsquote auszumachen. "Wir konnten zeigen, dass Menschen, die sich vegetarisch ernähren, statistisch signifikant höhere Werte in Depressionsfragebögen aufweisen als diejenigen, die Fleisch essen", so das Autorenfazit.
Dazu sei angemerkt: Das ist zuallererst einmal wieder nur ein statistischer Zusammenhang, nicht mehr - aber auch nicht weniger. Und genau solche Korrelationen offenbaren erneut eines der Kernprobleme der Ernährungsforschung, wie auch die hiesigen Forscher klar konstatieren: "Welchen [ursächlichen] Zusammenhang es dabei gibt, konnten wir auf Basis dieser Daten nicht bestimmen."
Die Frage nach Ursache und Wirkung
Ergo bleibt die Frage nach Ursache und Wirkung, nach Henne und Ei - was war zuerst da und bedingt die Folge? Oder alles nur Zufall? Im Zuge der aktuellen Diskussion stellen die Uni-Wissenschaftler fest, dass es wahrscheinlich nicht so ist, dass die vegetarische Ernährung Depressionen verursacht, sondern dass im zeitlichen Ablauf oft erst eine depressive Stimmung auftritt und dann eine Ernährungsumstellung erfolgt.
Könnte sein. Könnte aber auch andersherum sein. Der Konjunktiv regiert das Denken der Ernährungsforschung. Daher sei abschließend an das ökotrophologische Universalcredo erinnert: Nichts Genaues weiß man nicht. Und das wird auch immer so bleiben.
In diesem Sinne: Genießen Sie Ihr Essen, wenn Sie Hunger haben, weil Sie Lust darauf haben, weil es Ihnen schmeckt - und, das Wichtigste, weil Sie es gut vertragen und das "wohlige Stöhnen aus der Tiefe des Bauches" sowohl intuitiv als auch Ihrem gesunden Menschenverstand signalisiert: Das war eine richtig gute Mahlzeit.
Genau das ist die einzig wahre, gelebte "Ernährungsforschung", die individuell nur für Sie gilt. Echtes Wissen eben, entsprungen aus Ihrer "körpereigenen Forschungsstation", die keine Fakenews generiert, sondern Ihnen stets Ihre ganz eigene Wahrheit serviert. Alles andere ist und bleibt reine Spekulation, mehr nicht.