Avatar: Gesülze mit fliegenden Meereskrokodilen und Riesenwalen mit vier Augen

Seite 2: Natur aus der Computerkonserve

Insofern muss man die vermeintliche umweltfreundliche Botschaft dieses Films stark relativieren: Sie befindet sich ungefähr auf dem Niveau des Discovery-Channel: lauter schöne perfekte Tiere und Pflanzen zu ewigem Sonnenschein mit touristischem Blick super fotografiert – Exotismus pur.

Aber es ist natürlich eine Natur, die komplett der Computerkonserve entsprungen ist, eine völlig künstlich phantastische Natur, Pflanzen und Tiere, die es nicht gibt – und überdies wird am Schluss alles Mögliche davon höchst eindrucksvoll kaputt gemacht.

Bild: © Walt Disney Company

Die neugeschaffene Welt, das Umweltengagement und die Verteidigung der Natur sind hier vor allem ein Vorwand, mit dem der Film auf politisch korrekte Weise trotzdem eine große Destruktionsmaschine anwerfen kann.

Greenwashing, dass dazu passt, dass man vor dem Film, in der Berliner Pressevorführung im UCI am "Mercedes-Benz-Platz" nahe der "Mercedes-Benz-Arena", erstmal ein Werbevideo des Autokonzerns zugemutet bekam, in dem eine Nachhaltigkeits-Kommunikatorin von Mercedes-Benz in einem erstaunlich dilettantischen und stilistisch geschmacklosen Setting (aber auch die Autos waren ja schon mal besser), Werber-Gesülze von "Medienkooperation", "Umwelt-Message" und "elektrischer Zukunft" darbot, von EQR SUV (bitte Englisch aussprechen) und der "Vision AVTR", einem Prototyp-Modell, das ein bisschen den Sauriern im Film ähnelt, sich aber jedenfalls irgendwie "autonom und elektrisch" fortbewegt.

Eine Steckdose braucht man wahrscheinlich trotzdem noch. Und ein kurzes Filmchen zeigt dazu den Cameron-Mond "Pandora", aber mit einer zweispurigen Landstraße direkt über dem Strand, auf dem ein Mercedes entlangbrettert... Realsatire pur schon vor dem Film.

Schmierige Männerphantasien

Das Menschen- und Familienbild von "Avatar" stammt aus dem 19. Jahrhundert. Männer entscheiden, alle gehorchen. Von Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter ist nicht die Rede.

Es ist unfassbar reaktionär, wie hier Frauen selten etwas anderes tun, als zu kochen, zu weinen, und sich dann an den Schultern der Männer zu trösten. Diese entscheiden alles. Auch sehr US-amerikanisch ist, dass wir wieder diesen Söhne begegnen, die mit ihren Vätern Probleme haben, und dass immer wieder Väter gesucht werden, die Mütter hingegen irgendwie nie.

Sex und Liebe gibt es dafür nur in Kleinstdosierung: Eltern streiten sich hier über Erziehung. Aber niemals gibt es auch nur die Andeutung davon, dass ein Elternteil sich möglicherweise in einem anderen Menschen verlieben könnte. Dazu passt, dass die Geburt der einen Tochter als "a mystery" bezeichnet wird. Aber das ist wirklich eine andere Geschichte.

Wenn sich allerdings ein Teenager nackt und allenfalls mit einem Lendenschurz bekleidet in den Algen oder im Waldgras räkelt, dann ist das Ganze überhaupt nur möglich, weil es sich nicht um einen Menschen, sondern um einen Na'vi handelt, und weil die Haut nicht fleischfarben ist, sondern schlumpfblau.

Man darf sich wundern, warum jetzt in den USA so viel über das angebliche "Genie" von James Cameron geschrieben wird, aber nie über seine leicht schmierigen Männerphantasien, die ja mit den Pocahontas-Anleihen im ersten Teil nur begonnen haben und jetzt in der selbstgebastelten Blauen Lagune ihre Fortsetzung finden.

Phantasie-Spektakel in ungesehenen Bildern

James Cameron ist der Donald Trump unter den Regisseuren. Ein Ideologe, ein Prediger. Ein Prediger für 3D-Technik.

Aber auch wenn vieles an diesem Film schonungslos kritisiert werden kann und muss, lohnt es sich unbedingt, ihn anzusehen. Denn immer wieder erlebt man hier "state of the art", Kino im allerbesten Sinn: Erzählen in Bildern, vor allem ungesehenen Bildern, "bigger than life", eskapistisch, ein Spektakel, das die Phantasien und die Gefühle, auch das Unbewusste der Zuschauer berührt und entfesselt.

Die Bilder sind perfekt, was freilich kaum an der 3D-Technik liegt, sondern an der schnelleren Ablaufgeschwindigkeit: 48 statt 24 Bilder pro Sekunde sind enorm flüssig und klar.

3D hingegen führt weiterhin zu einem Eindruck der Entfremdung, der eher aus dem Film herausreißt. Gute Geschichten brauchen solche Gimmicks nicht.

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