Avatar: Gesülze mit fliegenden Meereskrokodilen und Riesenwalen mit vier Augen

Seite 3: Der Cyberspace, in dem wir leben

Ist es unangemessen, hier kurz über die innere Logik des Geschehens zu schreiben? An der hapert es jedenfalls.

Wie soll das alles eigentlich innerhalb der Gesetzmäßigkeit des Films zusammenpassen? Wer den ersten "Avatar" gesehen hat, wird sich noch daran erinnern, wie immer wieder mal die Avatare in sich zusammenfielen wie Marionetten, denen man die Fäden durchschnitten hat. Dieses prägnante Bild sollte uns Zuschauer regelmäßig daran erinnern, dass den Avataren ein realer Mensch zugrunde liegt, der in einem technischen Schneewittchensarg mit zig Kabeln diesen "Avatar" steuert.

Bild: © Walt Disney Company

"Avatar 2" ist auch hier viele Schritte weiter: Nicht ein einziges Mal mehr sehen wir dieses Bild der plötzlich leblos werdenden Marionette. Und nicht dein einziges Mal sehen wir einen der Marionettenspieler in einem Schneewittchensarg. Die Marionetten haben sich emanzipiert.

Sie haben ein Eigenleben gewonnen – so wie in jenen Märchengeschichten aus dem 19. Jahrhundert, in denen die Puppen plötzlich die Macht übernehmen.

Das ist kein unwichtiger Unterschied, sondern ganz wesentlicher. Denn dieser Film erzählt uns damit, dass er komplett in die virtuelle Welt eintaucht und den Unterschied zwischen der virtuellen und der realen Welt verwischt, auch von uns selbst.

Während "Avatar" 2009 ein Ausflug in einen fernen "Cyberspace" war, ist dieser 13 Jahre später längst zu einem Teil der eigenen Welt geworden – zumindest ist das die unausgesprochene Behauptung dieses Films.

Reaktionärer Modernismus wird magischer Realismus

Das bedeutet übrigens auch die komplette Identifikation mit dem Nichtmenschlichen, mit dem Barbarischen. Die Menschen sind böse. Es geht dem Film nicht um das Nichtidentische, darum, dass es kein richtiges Leben im falschen Menschlichen gibt, aber eben auch keines im genauso falschen des primitiven Naturvolks. Sondern es geht um ein "Zurück zur Natur". Wenn auch im Virtuellen.

Auch hier hilft noch einmal die Erinnerung an den ersten "Avatar"-Film, der allerdings beim Wiedersehen überraschend enttäuschend und einfach nur dumm und schlecht ist.

"Avatar" war eine Geschichte kaputter Männer, über die die Nacht der Schatten des verlorenen Kriegs gegen den Terror im Jahrzehnt zuvor lag. Eine Veteranengeschichte. Alles war als eine Art Tagtraum eingeführt. Es geht um Anerkennung des Fremden. Aber als etwas Fremdes.

Man könnte sagen: Hauptfigur Jake öffnete sich einer fremden Welt, er lernte etwas. Man könnte aber auch sagen: Eine Gehirnwäsche wurde vollzogen. Jake wurde mehr und mehr zum Wilden und Barbaren. Dies war keine Aufklärungsgeschichte, sondern es war die Geschichte einer Retardierung, einer Regression. Diese Regression ist nun im zweiten Teil komplett.

Zugleich war es von Anfang an eine erstes Paradox bei dieser ganzen Verklärung von Natur und Ursprünglichkeit und heiligen Gesetzen, dass es dann doch die schnelle profane Technik, die Rationalität und Aufklärung sind, die den Regenwald von "Avatar" retteten.

Das zweite noch größere Paradox war es, dass diese Rettung immer nur durch die höchst avancierte Technik der Amerikaner ermöglicht wurde, denn es war die Computertechnik die es überhaupt möglich machte, einen solchen Avatar zu konstruieren.

Der erste Avatar war reaktionärer Modernismus. Die Fortsetzung "Avatar the way of water" ist jetzt Esoterik und magischer Realismus pur

Imperialismus des Marketing

Der Film zeigt offen US-Imperialismus. In all seiner Brutalität. Natur wird vernichtet, mit Feuer. Hier sieht man Vietnam-Analogien und Napalm-Anspielungen; Menschen werden auch vernichtet, Kinder werden gefoltert. Sie schrecken vor nichts zurück.

Der Film selbst ist aber auch imperialistisch. Die Art wie er ins Kino gebracht wird, die Art wie er schon in seiner Marketingkampagne den Filmstart vorbereitet, lässt keinerlei Chancen und keinerlei Raum für anderes für Alternativen. Dieser Film will Gefolgschaft. Dieser Film will Unterwerfung.

Das passt super zum Disney-Konzern. Disney ist ja kein sympathisches Unternehmen. Der Disney-Konzern will Geld verdienen. Und zwar in der ganzen Welt. Deswegen darf der Film nicht zu amerikanisch sein. Ein bisschen amerikanisch muss er schon sein, aber wenn es zu amerikanisch ist, dann wird es nicht mehr in China verkauft. So denkt dieser Konzern.

Jeder, der ernsthaft glaubt, dass es sich, wenn man jetzt irgendwo "der größte Film aller Zeiten" liest, dabei um ein unabhängiges Urteil handelt, dem ist nicht zu helfen. Das sind natürlich alles Marketingstrategien. Auch was man jetzt im Netz und in manchen Zeitungen lesen kann: "Die ersten Rückmeldungen nach der US Premiere!", "Was ist auf Twitter los?" – das ist alles gemacht.

Wir kennen das von der politischen Propaganda, dass man solche Urteile auch maschinell erstellen kann. Wir dürfen nicht glauben, dass ein amerikanisches Unternehmen das nicht genauso macht, wenn es dem Verkauf nutzt.

Natürlich gehört zu so einer Marketingkampagne auch, dass in Deutschland – Kinobetreiber sagen dass unter der Hand ganz offen – Kinos gezwungen sind, dass sie diesen Film 3 Monate lang, 12 Wochen am Stück spielen.

Natürlich werden auf diese Weise auch die Zahlen produziert. Wenn vom "erfolgreichsten Film aller Zeiten" die Rede ist, dann ist ja auch die Frage: Meint man jetzt die Zuschauerzahlen? Oder meint man die Einnahmen?

Wenn ein Film über drei Stunden lang ist, dann kostet die einzelne Karte viel viel mehr. Dann ist so ein Film fast automatisch in diesem Sinne erfolgreich.

Infantilismus

Was bleibt unterm Strich? Ein Phänomen, das uns total viel über das Kino verrät. Das hoffentlich den Kinobetreibern ein bisschen Geld in die Kassen spült – denn das haben sie dringend nötig. "Avatar 2" wird nicht das Kino retten, denn das lebt von ernsthaften Geschichten und von Poesie.

Hier erlebt man nur Kindergeschichten und Kinderpoesie, für Erwachsene. Es gibt ja viele Erwachsene, die Harry Potter lesen und man muss ihnen das Vergnügen auch gar nicht nehmen. Aber ein ernsthafter Gegenstand, Kultur oder gar Kunst ist etwas anderes.

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