BIZ-Finanzkrisenszenario wird für Russland Realität

Die einbrechenden Währungen der Rohstoff-Exporteure setzten zusehends die Unternehmen aus den Emerging Markets unter Druck, die sich seit 2009 für mehr als eine Billion Dollar in Dollar, Euro und Yen verschuldet haben

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Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), fungiert seit Jahren als vielleicht wichtigster Mahner der Finanzmärkte. Seit Jahren kritisiert sie zunehmend scharf auch die expansive Geldpolitik der führenden Notenbanken, wobei sie besonders die Folgen für die Emerging Markets betont. So würden die im Übermaß vorhandenen Dollars, Euros und Yen bevorzugt in die aufstrebenden Volkswirtschaften strömen, dort zu Übertreibungen, Fehlinvestitionen und vor allem zu übermäßiger Verschuldung führen, was verheerende Folgen haben werde, so bald die internationale Finanzierungsbereitschaft zurückgeht. Konkret warnt die BIZ seit Jahren vor einem Phänomen, das in der Finanzökonomik als "Original Sin" (Erbsünde) bezeichnet wird - der Verschuldung in einer anderen Währung als jener, in der die Einnahmen anfallen.

554 Milliarden Dollar in Fremdwährungsanleihen

Wie die BIZ in ihrem aktuellen Quartalsbericht feststellt, haben im aktuellen Finanzzyklus vor allem große, international aktive Unternehmen aus den Emerging Markets die billigen Finanzierungsmöglichkeiten genutzt und zwischen 2009 und 2013 internationale Schuldtitel im Volumen von 554 Milliarden Dollar in Fremdwährungen emittiert. Dazu kommen noch die grenzüberschreitenden Bankkredite, von denen Ende Juni 2014 1,1 Billionen Dollar an China, 311 Milliarden Dollar an Brasilien und jeweils etwas mehr als 200 Milliarden Dollar an Indien und Korea geflossen waren. Die Statistiken geben zudem nur einen kleinen Teil der Verpflichtungen wieder, da große Unternehmen ihre Schulden oft über Töchter in Offshore-Finanzzentren aufnehmen, die nicht in ihnen aufscheinen.

Insgesamt dürften die Schulden der EM-Unternehmen eine Billion Dollar jedenfalls locker übersteigen, was im Krisenfall auch die internationalen Kreditgeber in erhebliche Schwierigkeiten bringen dürfte. Dabei wurde den Unternehmen das Geld förmlich nachgeschmissen, was sich laut BIZ in "absurd niedrigen Risikoprämien" ausgedrückt hatte, womit die Kreditgeber für ihre möglicherweise bald zu realisierenden Risiken auch nicht entsprechend honoriert wurden.

Dollarkredite für Finanzspekulationen

Hätten die EM-Unternehmen diese Gelder nun in Projekte investiert, die ausreichend Fremdwährungserträge generieren um ihre Schulden zu bedienen, wäre das nun kein besonderes Problem. Wie die BIZ aber warnt, wurden substantielle Teile diese Fremdwährungsschulden jedoch in Projekte wie inländische Immobilien investiert, die keine Deviseneinnahmen bringen, oder für Finanzspekulationen verwendet und an Dritte verliehen.

Die einströmenden Fremdwährungen hatten dabei zudem die jeweiligen Landeswährungen gestärkt, was die Kreditnehmer nun umso verwundbarer macht, sollten die internationalen Investoren das Vertrauen verlieren und ihre Gelder zurückhaben wollen, bzw. nicht bereit sein, auslaufende Anleihen zu refinanzieren. Im Szenario der BIP würden dann zudem die Währungen zunehmend dynamisch weiter einbrechen, was die Fremdwährungsschulden für immer mehr Schuldner unbezahlbar machen würde und in der Katastrophe enden könnte.

Zuerst würden dann die betroffenen aufstrebenden Volkswirtschaften in die Krise schlittern, was sich aber auch international ausbreiten könnte, weshalb die BIZ seit Jahren die Emerging Markets als wahrscheinlichsten Auslöser der nächsten Weltfinanzkrise betrachtet. Verstärkt wird diese Gefahr offenbar, weil viele EM-Unternehmen im Rohstoffsektor aktiv sind, der schon länger unter der anämischen Nachfrage in Europa und Japan leidet, zu dem sich heuer ein deutlicher Rückgang der Wachstumsraten Chinas gesellt hat, der noch kaum von der gerade erst anspringenden US-Konjunktur kompensiert wird. Die Rohstoffexporteure leiden folglich schon länger unter sinkenden Preisen, wozu kommt, dass sich im Öl/Gas-Bereich mit der nordamerikanischen Shale-Produktion ein starker Anbieter aufgekommen ist, der, nebenbei bemerkt, für rund 80 Prozent des US-Jobwachstums der letzten vier Jahre verantwortlich war.

Nachdem mit der anziehenden Konjunktur und dem Ende der Anleihenkäufe durch die US-Notenbank der Dollar seit einem Ende April nur immer stärker wird, während die Rohstoffpreise zurückgehen, steigt der Druck auf die in Dollar verschuldeten EM-Unternehmen zusehends an und dürfte im Zuge des Erdölpreiseinbruchs bald seine ersten Opfer finden, was vorerst vor allem Unternehmen aus den Rohölexportländern treffen wird. So stammen fast ein Fünftel der Unternehmen im "MSCI Emerging Markets Index" aus Öl exportierenden Ländern, während ihr Anteil im "MSCI Frontier Markets Index", der die ökonomischen weiter zurückliegenden EM-Staaten umfasst, sogar bei 55 Prozent liegt. Folglich ist nicht verwunderlich, dass diese Indizes seit Sommer zwanzig bzw. dreißig Prozent verloren haben, da doch gerade genau das zu geschehen scheint, wovor die BIZ so lange gewarnt hat.

RBI-Russlandkredite zu 40 Prozent in Fremdwährung

Besonders schwer betroffen sind davon aktuell die russischen Unternehmen. So laufen von rund zehn Milliarden Euro an Krediten, die die Wiener Raiffeisenbank International (RBI) in Russland vergeben hat, knapp 40 Prozent nicht auf Rubel, was für die Schuldner eine Steigerung der Schuldenlast seit Jahresbeginn um rund 50 Prozent bedeutet. Dabei hatten die Schuldner das rund 20prozentige Nachgeben des Rubel in den ersten drei Quartalen laut RBI noch relativ gut verdaut, der jüngste Einbruch um weitere rund 30 Prozent dürfte allerdings schon schwerer zu schlucken sein.

Nun scheint Putin zwar durchaus geneigt, wichtigen bzw. verbündeten Unternehmen bei der Bedienung ihrer Fremdwährungsschulden beizustehen, die Frage ist jedoch, ob ihm dafür auch ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Die russische Zentralbank meldete per 1. Januar 2014 einen Bestand von rund 510 Milliarden US-Dollar an Devisenreserven, wobei sie im November zudem ihre Goldvorräte mit beachtlichen1169,5 Tonnen beziffert hatte. Am 12. Dezember waren es indes nur noch 414,6 Milliarden US-Dollar, von denen sie inzwischen weitere zehn Milliarden für Stützungskäufe ausgegeben hatte. Einem allgemeinen "Run" auf Russland würde sie damit also kaum gewachsen sein, allerdings stehen zumindest bei den Anleihen bis zum Ende des ersten Quartals 2015 weder Tilgungen nun Couponzahlungen an, was Unternehmen und Banken noch eine Schonfrist einräumt, in der sie nur hoffen können, dass sich die Verhältnisse an den Finanzmärkten bis dahin wieder beruhigen.

Zunehmende Nervosität an den Finanzmärkten

Allerdings sieht die BIZ auch Anzeichen für zunehmende Nervosität und fragt sich, wie lange die Finanzmärkte angesichts der zunehmenden Verwerfungen noch im Expansionsmodus verharren werden. So haben auch der Südafrikanische Rand, der Mexikanische Peso und die Indonesische Rupie gegenüber dem Dollar seit Sommer allesamt mehr als 15 Prozent verloren, aber auch Länder ohne wesentliche Rohstoffexporte wie Indien und die Türkei sahen sich gerade extremen Schwankungen ihrer Währungen ausgesetzt.

Hier wird es voraussichtlich wenig helfen, dass die schwächeren Währungen die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder verbessern und die günstigeren Rohstoff- und Ölpreise die Profitmargen und den Innlandskonsum fördern sollten, oder in Indien und Mexiko wirtschaftliche Reformen erste positive Effekte zu zeigen scheinen. Denn sollten die internationalen Finanzmärkte tatsächlich wieder in den Panik-Modus übergehen, werden positive Wirkungen wohl völlig egal sein und das "Hot Money" fluchtartig und undifferenziert alle Emerging Markets verlassen - mit den üblichen üblen Folgen für sie und die restliche Welt.