"BKA und Verfassungsschutz agieren als Gesinnungspolizei"
Der Mitarbeiter von Radio Dreyeckland in Freiburg wurde erneut in Frankreich festgenommen - wieder über die "Störerdatei", wie die Bundesregierung bestätigt hat. Die Linkspartei kritisiert das scharf
"Wieder beteiligen sich Bundesbehörden an der Unterbindung von Gipfelprotesten", erklärt der europapolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, Andrej Hunko, zu den Vorgängen, die Telepolis veröffentlichte. Denn vor dem Treffen der G7-Staaten im baskischen Biarritz ist bereits mindestens ein deutscher Aktivist festgenommen und abgeschoben worden.
"Luc" (der vollständige Name ist der Redaktion bekannt) machte sich allerdings erneut auf den Weg, nachdem er das Verfahren in Frankreich gegen die Maßnahme in einer Eilentscheidung gewonnen hatte.
Andrej Hunko hatte eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung gestellt und nun haben die Antworten die Vermutungen bestätigt, die an dieser Stelle geäußert wurden, wonach die illegale Festnahme und Abschiebung von Luc aufgrund einer Schwarzen Liste aus Deutschland geschah.
"Unzulässiger Eingriff in die Versammlungsfreiheit"
Den Zusammenhang mit dem G7-Gipfel hatte Frankreich ohnehin schon überdeutlich gemacht, da Luc eine dreijährige Haftstrafe angedroht wurde, sollte er vor dem Ende des G7 und des Gegengipfels in Hendaye und Irun Frankreich erneut betreten. "Das ist ein unzulässiger Eingriff in die Versammlungsfreiheit und wiegt wegen der der brutalen Niederschlagung von Gelbwesten-Protesten durch die französische Polizei besonders schwer. (…) Das Grundrecht auf eine freie und ungehinderte Teilnahme an Demonstrationen muss auch in Frankreich gelten", erklärt Hunko.
Auch er geht davon aus, dass das Bundeskriminalamt (BKA) den französischen Behörden Dateien linker Aktivist/innen zur Verfügung gestellt hat, mit der Menschen auch daran gehindert werden, am Gegengipfel in Hendaye und Irun teilzunehmen.
Dabei handelt es sich um Personen, die bei "politischen Großereignissen mit internationaler Beteiligung polizeilich in Erscheinung getreten sind "sowie Personen, die "intensive Kontakte zu ausländischen Aktivisten und Gruppierungen unterhalten", zitiert Hunko aus den Antworten der Bundesregierung. Demnach dürfen die Daten von Frankreich bis 15. September 2019 genutzt werden.
Vorwurf: Der Verfassungsschutz tauscht Daten mit Frankreich?
"Die Weitergabe von Daten zu politischen Aktivist/innen hat beim BKA Tradition", erklärt der Bundestagsabgeordnete weiter. "Die deutsche 'Störerdatei' ist willkürlich und enthält beispielsweise Kontaktpersonen der Betroffenen oder gänzlich Unbeteiligte. Er weist auch darauf hin, dass sich Journalisten und Journalistinnen darunter befinden wie Luc, der freier Mitarbeiter von Radio Dreyeckland in Freiburg ist. "Viel schwerer wiegt, dass auch der Verfassungsschutz Daten mit Frankreich tauscht", weshalb Hunko zu dem Ergebnis kommt, dass "zum G7-Gipfel Menschen also nur aufgrund ihrer Gesinnung verfolgt" werden.
Er verweist darauf, dass das Bundesinnenministerium schon früheren Gipfelprotesten unerwünschte Demonstranten an der Ausreise gehindert hatte. Allerdings hätten deutsche Verwaltungsgerichte die von Bundespolizei vollzogenen Ausreiseverbote in Eilverfahren in den meisten Fällen für rechtswidrig erklärt. "Die Weitergabe der Daten an französische Behörden ist deshalb besonders grundrechtsintensiv, wenn diese daraufhin ein Einreiseverbot gegen die Betroffenen verhängen", so Andrej Hunko.
Anders als für Luc, der sogar in Frankreich lebt und arbeitet und die Sprache perfekt beherrscht, ist für Ausländer der Rechtsweg in Frankreich oft nicht durchschaubar, worauf viele Menschen "von einer Teilnahme an den Versammlungen absehen", kritisiert Hunko.
Luc hat sich trotz der Repression gegen ihn nicht abschrecken lassen. Er hatte sich erneut auf den Weg ins Baskenland gemacht. Allerdings riss der Kontakt zu ihm am Mittwochabend ab. Der Sender BFMTV hatte schon von der Abschiebung eines Deutschen berichtet. Dabei handelt es sich aber nicht um Luc.
Festnahmen
Die französische Polizei hat inzwischen gegenüber Telepolis bestätigt, dass sich Luc seit Mittwoch um 22 Uhr in Gewahrsam befindet. Zuvor waren alle Versuche gescheitert, Kontakt mit ihm herzustellen.
Luc hatte eine neue Festnahme ab Mittwochabend befürchtet und deshalb in Erwägung gezogen, den TGV in Richtung Hendaye frühzeitig zu verlassen. Das hat er tatsächlich getan und wurde schließlich in Donibane Lohizune (französisch St. Jean de Luz) festgenommen, wie bestätigt wurde. Es handele sich aber nur um einen "verwaltungstechnischen Vorgang". Geprüft werde, ob man ihn abschieben kann, schließlich hatte er das Verfahren vergangenen Freitag in Paris gewonnen und ihm wurde eine Entschädigung von 1.000 Euro zugesprochen.
Zuvor war bei seiner Meldeadresse ein Einschreibebrief eingegangen, wie der Autor dieses Beitrags in Erfahrung bringen konnte. Luc hatte befürchtet, dass sich darin der Beschluss des Innenministeriums mit neuen Einschränkungen befindet, auf den er im Verfahren in Paris hingewiesen worden war. In einer stundenlangen Odyssee hatte er in Straßburg an der Grenze und in einem Polizeiposten zuvor erfolglos in Erfahrung zu bringen versucht, ob gegen ihn etwas vorliegt.
Luc ist allerdings nicht der einzige, der inzwischen festgenommen wurde. Eine fünfköpfige Gruppe angeblicher "Linksextremer"(vier Männer und eine Frau) hätten eine Aktion gegen eines der vielen Hotels geplant, die im Rahmen des G7-Gipfels requiriert worden sind. Angeblich, so sie, so die unglaubliche Meldung der spanischen Nachrichtenagentur EFE, das Hotel "abbrennen" wollen.
Die "Anarchisten", die am Montag in Tours (weit entfernt vom Baskenland) und in Capbreton inhaftiert wurden, sollen dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Informationen sollen über den Geheimdienst gekommen sein, meldet BFMTV.
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