G7 wirft mit Schnellabschiebung von Frankreich nach Deutschland Schatten voraus

Schon jetzt wird an den Grenzen im Baskenland ständig kontrolliert wie hier zwischen Hendaye und Irun. Bild: R. Streck

Vor dem G7-Gipfel im französisch-baskischen Biarritz wurde ein Mitarbeiter von Radio Dreyeckland in Freiburg im Eilverfahren aus dem Land geworfen, ihm drohen nun 3 Jahre Haft bei Wiedereinreise

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In Frankreich reagiert man einigermaßen panisch darauf, dass es eine breite Gegenmobilisierung gegen den G7-Gipel von 24.-26. an der baskischen Atlantikküste in Biarritz gibt. Gegen den Gipfel der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen - Russland ist ja inzwischen vom früheren G8 ausgeschlossen - wird nicht nur beidseits des Bidasoa im französischen und spanischen Baskenland mobilisiert, sondern aus ganz Europa werden Gegner ins Baskenland reisen, um gegen den G7 und dessen Politik zu protestieren, auch die Gelbwesten in Frankreich sind dabei.

Ein deutscher Aktivist - zugleich freier Mitarbeiter von Radio Dreyeckland (RDL) in Freiburg - wurde nun ganz offensichtlich Opfer der sogenannten "PMK Links". So geriet Luc am 8. August in der Nähe von Dijon, wo er derzeit wohnt und arbeitet, in eine Polizeikontrolle. Er wurde sofort festgenommen und nach fast 24 Stunden in einer Abschiebezelle ad hoc nach Deutschland verfrachtet, wie er gegenüber Telepolis erklärte. "Mit Hand- und Fußfesseln versehen wurde ich mit 160 Kilometern pro Stunde mit Blaulicht nach Kehl gefahren und dort abgesetzt." Die deutsche Polizei wollte ihn allerdings nicht haben.

Doch die Informationen über ihn dürften vom Bundeskriminalamt gekommen sein, wo man Listen mit angeblichen "Störern" oder "Gefährdern" führt. Es war zu erwarten, dass das BKA die Erkenntnisse vor dem G7 an die französischen Behörden übermitteln würde. Es findet also offenbar genau der Vorgang erneut statt, wie er vor dem G20-Gipfel in Hamburg zu beobachten war. Wie Cilip ausgeführt hat, stehen auf diesen Listen nicht nur "Gewalttäter" oder "Straftäter", sondern geführt werden auch Beschuldigte, Verdächtige oder "sonstige Personen". Es genügt eine "Prognoseentscheidung", um jahrelang gespeichert zu bleiben.

Das ist ganz offensichtlich der Fall von Luc. Tatsächlich hatte Luc vor, in den nächsten Tagen ins Baskenland zu reisen, um von dort unter anderem für RDL über die Vorkommnisse um den G7-Gipfel zu berichten. Deshalb protestiert der Freiburger Sender "auf das Schärfste gegen die Ausweisung seines freien Mitarbeiters aus Frankreich": "Der Vorfall erinnert fatal an die schwarzen Listen von sog. 'Gefährdern' beim G20-Gipfel in Hamburg, wo Journalist*innen mit ähnlich absurden Begründungen Akkreditierungen verwehrt worden waren." Für RDL deutet alles darauf hin, dass im Vorfeld von Biarritz nun mit einer vergleichbaren Einschränkung der Pressefreiheit zu rechnen ist.

Ausweisungsbefehl

Anders als vorgesehen, wurde gegen Luc nicht zur leichtesten, sondern sofort zur gravierendsten Maßnahme gegriffen, es handelt sich um einen schwerwiegenden Eingriff in seine Freiheitsrechte. Er wurde "ohne Bescheid und ohne Einräumen einer Frist unverzüglich ausgewiesen", obwohl der Gipfel erst 2 Wochen nach den Vorkommnissen beginnt. Zudem wird Luc besonders hart durch die Maßnahme getroffen, da er in Frankreich einen Arbeitsvertrag hat, dem er nun nicht mehr nachkommen kann.

Er kann, wenn es auf rechtlichem Wege nicht mehr gelingt, die Anordnung wieder zu kippen, weder am Gegengipfel noch am G7 teilnehmen und darüber berichten. Am Freitagmorgen wird vor dem Verwaltungsgericht in Paris verhandelt, aber ohne ihn. Denn im Fall einer erneuten Einreise nach Frankreich droht ihm sogar eine Haftstrafe von bis zu 3 Jahren. Für die schwerwiegenden Maßnahmen werden nur vage Begründungen angeführt.

So sei er "verdächtig", beim G20-Gipfel in Hamburg Straftaten verübt zu haben. Dazu kommt, dass er in einem Fall vor eineinhalb Jahren in der Nähe des geplanten französischen Endlagers (Cigeo) für hochradioaktiven Atommüll in Lothringen in eine Polizeikontrolle geriet, wo seine Personalien aufgenommen wurden. "Das war mein erster Kontakt mit der französischen Polizei mit Kontrolle der Personalien überhaupt, an die ich mich erinnern kann", erklärt er.

Verdächtigung von Gewalt in Hamburg und im Bois Lejuc kontrolliert.

Allein auf dieser Basis wurde er festgenommen, abgeschoben und darf nun Frankreich nicht betreten. Einen Zusammenhang zwischen den Vorgängen am G20 in Hamburg und dem Widerstand gegen das Endlager in Lothringen zu konstruieren, passt gut ins repressive Schema über das Telepolis im Artikel "Der lange Arm der Repression" schon berichtet hatte.

Gegengipfel im französisch-baskischen Hendaye und im spanisch-baskischen Irun

Luc soll wohl auch an der Berichterstattung über den Gegengipfel gehindert werden, der am 19. August beginnt und bis zum 24. andauern wird. Von den Veranstaltern werden dazu 10.000 Teilnehmer erwartet, wie Joseba Alvarez gegenüber Telepolis erklärt (Interview folgt). Er ist Mitglied der Plattform G7EZ (Nein zum G7), die beidseits der Grenze im französisch-baskischen Hendaye und im spanisch-baskischen Irun den Gegengipfel durchführt. Informationen zu den "friedlichen" Aktivitäten, wie die Plattform unterstreicht, die "Alternativen" zum neoliberalen G7-Modell aufzeigen will, gibt es auf deren Webseiten in baskischer, französischer und spanischer Sprache.

Der Gegengipfel findet mit Duldung oder leiser Unterstützung (je nach Interpretation) der lokalen Behörden statt, die völlig genervt vom Vorgehen von Präsident Marcron sind. Wie der Bürgermeister von Hendaye sprechen die lokalen Behörden davon, dass ihnen der Gipfel in der Region, zudem mitten im Haupturlaubsmonat August, "aufgezwungen" wurde, auch die lokalen Gewerbetreibenden sind mehr als sauer.

In Hendaye wurde ein großes Camp-Gelände - ehemalige Nestle-Feriensiedlung - zur Verfügung gestellt. Sogar ein Gratis-Busverkehr wird eingerichtet. So werden die Teilnehmer des Gegengipfels vom Stadtrand ins Kino Varietés oder zum knapp einen Kilometer davon entfernten Ficoba-Messegelände direkt auf der anderen Seite der Grenze gebracht, die das Baskenland in zwei Teile zerschneidet.

Zugesichert wurde, dass dieser Grenzübergang auf der Santiago-Brücke - an der schon jetzt die französische Polizei dauerhaft kontrolliert - offen bleiben wird. Denn es wird sonst allgemein erwartet, dass die Grenzen wie einige Strändeund der Flughafen von Biarritz geschlossen werden, worauf auch der ADAC hinweist. In Spanien, wo das Gipfelwochenende mit dem Rückreiseverkehr zusammenfällt, werden die Menschen aufgefordert, über Katalonien am Mittelmeer zu fahren, was zu massiven Behinderungen führen wird, weil damit das Verkehrsaufkommen damit dort noch viel stärker als ohnehin ausfallen dürfte. Bereits seit Wochen wird (wie schon zum Hamburger G20-Gipfel) ein übermäßig spektakuläres Bedrohungsszenario aufgezeigt. Das hat offensichtlich zum Ziel, Menschen von der Teilnahme an Protesten abzuschrecken.

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