Babystern bemuttert exoplanetares Riesenbaby

US-Astronomen entdecken bei einem "nur" 10 Millionen Jahre alten Stern eine protoplanetare Scheibe, in der ein sehr junger Planet heranwächst

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Ein Stern, der selbst noch im Prozess seiner Entstehung ist, besitzt vermutlich bereits einen Planeten mit der mehrfachen Masse des Jupiters. Zu diesem Ergebnis kamen amerikanische Astronomen, als sie mit einem neuen empfindlichen Interferometer in einer protoplanetaren Staubscheibe, die den Stern HD100546 umhüllt, eine verdächtige Lücke ausmachten, die nur einen Schluss zulässt: 335 Lichtjahre von der Erde entfernt existiert ein System, dessen sehr junger stellarer Protagonist bereits von einem heranreifenden Planeten begleitet wird.

Bilder: UA Steward Observatory

Sonnen blähen sich zu Roten Riesen auf und verschlucken Planeten, Sterne verabschieden sich mit gewaltigen Novae oder Supernovae aus der stellaren Geschichte oder verewigen sich in der kosmischen Enzyklopädie als poststellare Gebilde, als Schwarze Löcher.

Wenig erfreuliche Zukunft des Universums

Die Zukunft des Universums hält scheinbar viele Szenarien bereit, um das eigene Ende, zumindest den Abschied der Materie aus dem Kosmos (oder seine Transformation in ein anderes Etwas) auf theatralische Art und Weise zu zelebrieren. Seitdem vor zirka 13,7 Milliarden Jahren das uns bekannte Universum sich binnen des Bruchteils einer Quintillionstel Sekunde aus einer undefinierbaren, mathematisch kaum quantifizierbaren Ur-Singularität mit einer gewaltigen "Explosion" (keine im irdischen Sinne) befreite und sich dabei schlagartig um den unvorstellbaren Faktor 10 hoch 29 aufblähte, wurde gleichzeitig eine kosmische Expansion in Gang gesetzt, die bis auf den heutigen Tag anhält und auch noch in fernster Zukunft dafür sorgt, dass das Universum unaufhaltsam auseinanderdriftet. Am Ende bleibt ein ewig expandierender Weltraum - gefüllt mit immer energieärmer werdenden Photonen und einigen Elementarteilchen - zurück.

So wenig erbaulich dieses Zukunftsszenario anmutet, das uns möglicherweise in (ungefähr) 100 Billionen Jahren (oder auch viel später) blüht - in unserem vermeintlich entseelten und kalten Universum, in dem alle stellaren, astralen und planetaren dahin driftenden Materieoasen nur für begrenzte Zeit existieren, diktieren "kurzfristig" gesehen gottlob nicht allein Tod und Vernichtung das Geschehen. Nein, das uns bekannte Universum hat auch ein anderes, weitaus lebendigeres Gesicht, werden doch in ihm auch permanent unzählige kosmische Objekte geboren. Die Geburt, das Leben, das Aufblühen und Werden von Sternen und Planeten und anderer astronomischer Gebilde stimmen fürwahr hoffnungsvoll und beseelen das Weltall vielleicht sogar auf jenem Niveau, wie es Olaf Stapledon in dem unvergleichlich genialen Science-Fiction-Klassiker Star Maker einst auf unnachahmliche Weise philosophisch-literarisch verklärte.

Verdächtig große Lücke

Zeuge von den unmittelbaren Nachwirkungen eines solchen Aufblühens wurde jüngst ein US-Astronomenteam von der University of Arizona (UA), während es einen gerade mal 10 Millionen Jahre alten Stern, der selbst noch im Prozess seiner Entstehung ist, im infraroten Wellenlängenbereich observierte. Bei dem anvisierten Objekt handelt es sich um den jungen Stern HD100546, der zirka 335 Lichtjahre von der Erde entfernt im südlichen Sternbild Musca (Fliege) zuhause ist. Von diesem ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass er von einer dichten Scheibe aus Staub und Gas umgeben ist, was - so lehrt die Erfahrung - auf eine "baldige" Geburt eines oder mehrerer Planeten hinausläuft. Zwar fand man bis vor kurzem in diesem System keinen einzigen Hinweis auf die Existenz eines Exoplaneten etc.; dies hat sich jetzt aber geändert.

Im Rahmen einer neuen intensiven Beobachtungssequenz gelang nämlich den UA-Astronomen der Nachweis, dass sich in der bekannten Staub- und Gasscheibe um HD100546 eine verdächtig große Lücke befindet, eine Region, die wie leergefegt aussieht. Diese Lücke könnte nach Ansicht der Forscher die Schwerkraft eines großen Planeten bewirkt haben. "Wir beobachten hier ein Objekt, das gerade dabei ist, ein Hauptreihenstern zu werden - und erwischen es zugleich in der Phase der Planetenentstehung", erklärt Doktorand Wilson Liu, der an dem Projekt beteiligt ist.

Wir können nicht nur die Anwesenheit einer protoplanetaren Scheibe um einen jungen Stern bestätigen, sondern sehen auch, dass in dieser Scheibe ein jupiterähnlicher Planet herangeformt wird.

Dies sei ein deutlicher Beleg dafür, dass der Stern auf dem besten Wege sei, sich als Hauptreihenstern zu etablieren, der wie rund 99 Prozent aller Sterne Wasserstoff in einer thermonuklearen Reaktion in seinem Innern verbrenne.

Nulling-Interferometer machte den Unterschied

Bei dem angehenden extrasolaren Planeten hingegen müsse es sich um einen großen Planeten von mehreren Jupiter-Massen handeln, der seinen jungen Mutterstern in einer Entfernung von 10 Astromischen Einheiten umkreist, berichten die Forscher.

Seit drei Jahren fahnden Philip Hinz http, Wilson Liu und seine Crew nach erdnahen Sternen mit protoplanetaren Systemen. Zuvor hatten belgische und niederländische Astronomen den sonnenähnlichen Stern mit dem Infrared Space Observatory unter die Lupe genommen. Zwar entdeckten sie um den Babystern einen kometenartigen Staub. Aber für den endgültigen Nachweis einer dortigen protoplanetaren Scheibe reichte das Auflösungsvermögen des orbitalen Teleskops seinerzeit nicht aus. Als jedoch Philip Hinz und seine Kollegen HD100546 jüngst ins Visier nahmen, standen ihnen zwei hochleistungsfähige erdgebundene 6,5-Meter-Teleskope zur Verfügung. Fokussierten sich die Forscher Anfang dieses Jahres mit dem Smithsonian MMT-Observatorium am Mount Hopkins noch auf den Nordhimmel, so erfolgte die aktuelle Entdeckung am Südhimmel mit dem in Chile ansässigen Magellan-Teleskop. Bei beiden Beobachtungssequenzen kam eine neu modifizierte Technik zum Einsatz: die so genannte Nulling-Interferometrie.

Mit besagter Interferometrie können die Astronomen Einzelheiten in unmittelbarer Nähe eines Sterns sichtbar machen. Um dies zu realisieren, bringen sie mit Hilfe eines Zusatzspiegels im Teleskop das Licht des Sterns dergestalt zur Überlagerung, dass es sich nahezu vollständig auslöscht. Auf diese Weise gewinnt die im Vergleich zum Mutterstern erheblich schwächer emittierende Gas- und Staubscheibe deutlich an Konturen.

Effektiv und zukunftsweisend

Tatsächlich konnten die Wissenschaftler mit dem von Hinz entwickelten Nulling-Interferometer BLINC das Licht des Sterns gänzlich ausblenden, sodass lediglich der Schein anderer naher Objekte zu sehen war. In diesem Fall offenbarte sich eben eine hell leuchtende Staub- und Gasscheibe, die fast so hell wie HD 100546 emittierte. "Die Nulling Interferometrie ist deshalb sehr aufregend, weil es bislang die einzige Technik ist, mit der man einen direkten Einblick in die Umgebung eines Stern erhält", so Liu zu dem neuen effektiven Verfahren.

Das Nulling-Interferometrie-Verfahren soll auch bei der "Terrestrial Planet Finder"-Mission zum Einsatz kommen, die im Jahr 2014 im Orbit nach Kernen von Quasaren oder sterbenden Sternen, vor allem aber direkt nach erdähnlichen Planeten und zugleich nach dortigen Spuren von fremden Lebensformen Ausschau halten soll. Fünf Jahre lang soll das aus fünf Infrarot-Fernrohren bestehende Weltraum-Observatorium, das im Orbit zu einem Interferometer verkoppelt wird, im Erdorbit operieren und erdähnliche Planeten in einer Entfernung von bis zu 50 Lichtjahren observieren - die meisten Objekte davon 100 Mal genauer als Hubble. Schließlich kann der TPF die eingefangene Strahlung mehrfach überlagern, so dass die Bildschärfe eines 100 Meter großen Fernrohres erzielt wird.

Da der vermeintliche Exoplanet bislang weder mit der Transit- noch der Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen werden konnte, bleibt die aufgespürte "Lücke" in der protoplanetaren Staubscheibe um HD100546 im offiziellen Jean-Schneider-Exoplanetenkatalog vorerst ohne Namen respektive ohne entsprechende Katalognummer. Das wie auch immer geartete "Etwas" um HD100546 gilt offiziell noch nicht als extrasolarer Planet.

Ein ausführlicher Bericht über die aktuelle Entdeckung folgt in der nächsten Ausgabe der Astrophysical Journal Letters.