"Balkan-Merkel" Borissov: "Wir schaffen das"

Seite 2: Medienfreiheit in Osteuropa: Auf dem Weg in "sanfte Diktaturen"

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Bereits am Tag vor dem EU-Westbalkangipfel alarmierten Teilnehmer einer von europäischen Journalisten- und Herausgeberverbänden organisierten Konferenz zum Thema "Freiheit der Medien und Pluralismus. Wie stärken wir diese tragenden europäischen Pfeiler?" über Missstände in Europas Medienlandschaften. Journalisten aus den EU-Ländern Bulgarien, Kroatien, Slowakei, Polen und Ungarn und den jugoslawischen Nachfolgestaaten Serbien und Montenegro berichteten auf dem Podium über ihre Erfahrungen mit Gewalt gegen Journalisten, politischen und institutionellen Druck auf Herausgeber und den Missbrauch von Medien zur Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Ziele.

In der zum Abschluss der Konferenz verbreiteten Sofioter Deklaration "Medienfreiheit in Europa. Code Rot" heißt es, die Etablierung kontrollierter Medien sei "der erste Schritt zu Herrschaftsmodellen, die man 'sanfte Diktaturen' oder 'captured states' nennt. Sie zeichnen sich durch mangelnde Hoheit des Rechts, Korruption und Organisiertes Verbrechen und Bedrohung der Medienfreiheit aus".

Der amtierende EU-Ratspräsident Bulgarien rangiert in der der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Rang 111. Er trägt damit nicht nur die Rote Laterne aller EU-Mitglieder, sondern auch aller Balkanländer. Probleme mit der Medienfreiheit seien nicht seine Sache, sondern die der Journalisten und Herausgeber, kommentierte Premier Borissov Bulgariens nachhaltig miserables Abschneiden im RoG-Ranking mit der ihm eigenen Lakonie.

Die Erfahrung journalistischer Tätigkeit im Pressezentrum der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft im Sofioter NDK spricht dagegen. Will man sich dort über das bereitgestellte drahtlose Internet einen Überblick über die Nachrichtenlage im Land verschaffen und surft dabei auch das Onlinemedium www.afera.bg an, erhält man den abschlägigen Bescheid: "This site is blocked due to content filtering. Sorry, afera.bg has been blocked by your network administrator".

Bild: F. Stier

Der EU-Ratspräsident Bulgarien gesteht damit in entwaffnender Offenheit ein, den Zugang zu Inhalten oppositioneller Medien wie Afera.bg gezielt zu sperren. Afera.bg ist mit seiner brachialen Schmähkritik an der Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissov nicht gerade ein Medium, das sich um die Einhaltung der Standards journalistischer Ethik besonders scheren würde. Dies legitimiert die bulgarische Regierung aber nicht, den Zugang zu seinen medialen Inhalten zu unterbinden. Bulgarien gibt damit ein beredtes Beispiel dafür, warum es als Land auf der Weltkarte von Reporter ohne Grenzen rot eingezeichnet ist und eine "schwierige Situation" der Medien bescheinigt bekommt.

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