Bankenkrise treibt Spanien in den Abgrund
Angeschlagene Banken mit geschönten Bilanzen brauchen Milliarden und treiben Risikoaufschläge auf gefährliche Rekordwerte
Die Bankenkrise bricht sich nun in Spanien, wie zu erwarten war (Ist die Euro-Krise plötzlich vorbei?) voll durch, weil sie nicht mehr zu beschönigen ist. Die Regierung muss nun die Großbank Bankia teilweise oder ganz verstaatlichen. Das hat der neue Bankia-Präsident offen gefordert. Mit einer weiteren Bankenreform will die konservative Regierung die Geldinstitute auch dazu bringen, die ausfallgefährdeten Kredite besser abzusichern. Doch damit bekommen weitere Banken im Land Probleme. Die Zweifel an den Kreditinstituten lassen die Bankaktien tief in den Keller gehen, während die Renditen für Staatsanleihen sich erneut gefährlich auf die Absturzmarke von 7% zubewegen.
Erneut will die spanische Regierung die Kreditinstitute im Land dazu zwingen, ihre enormen Risiken besser abzusichern. Das ist Teil der Banken- und Finanzreform, welche die konservative Regierung am Freitag beschließen wird, war aus gut informierten Kreisen in der Hauptstadt zu erfahren. Das Wirtschaftsministerium gibt zwar dazu keine Stellungnahme ab, dementiert aber auch nicht. Die Absicherung ist dringend notwendig, denn die Notenbank hatte kürzlich aufgezeigt, dass in den Büchern spanischer Institute mindestens 184 Milliarden Euro an faulen und zweifelhaften Krediten sowie stark überbewerteten Immobilien und Grundstücke schlummern. Davon seien mindestens 120 Milliarden Euro nicht abgesichert.
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Summen noch höher sind. So rechnete die Tageszeitung El País am Mittwoch vor, dass sich schon aus offiziellen Zahlen von Banken und Sparkassen eine Summe von 188 Milliarden Euro errechnen lasse. Zudem ist bekannt, dass man sich bei vielen Instituten schwer tut, Kredite als ausfallgefährdet zu werten. So werden oft nicht einmal die Kredite als gefährdet gewertet, die kürzlich umgeschuldet wurden. Dabei wurde die Umschuldung nötig, weil der Kredit zuvor oft nicht bedient werden konnte. Trotz allem wird schon jetzt eine Kreditausfallrate von zuletzt 8,16% angegeben. Interessant an den Zahlen der Banco de España ist, dass die Immobilienrisiken Ende 2011 in die zweite Reihe rückten und mit etwa 85 Milliarden Euro beziffert wurden. Faule Kredite wurden dagegen mit etwa 100 Milliarden Euro angegeben. Das hat neben der Rezession auch damit zu tun, dass angesichts der Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 24% immer neue Hypothekenkredite nicht mehr bedient werden können("Krise gigantischen Ausmaßes"). So wird erwartet, dass Madrid von den Banken neue Rückstellungen von bis zu 40 Milliarden Euro fordern wird. Schon im Februar hatte sie verfügt, dass Grundstücke und Immobilien in den Bilanzen anders bewertet werden müssen, wofür Rücklagen in Höhe von 54 Milliarden Euro gebildet werden mussten.
Teilweise Verstaatlichung der Großbank Bankia
Von den Banken war stets zu vernehmen, das aus eigener Kraft leisten zu können. Das stimmt ganz offenbar nicht, wie Nachrichten in dieser Woche gezeigt haben, dass die Regierung die große Bankia mit bis zu zehn Milliarden Euro stützen will. Die neuen Auflagen für Banken werden aber weitere Institute überfordern, weshalb Banker von "Unverhältnismäßigkeit" und schwerwiegenden Auswirkungen auf das Bankensystem sprechen Bankia, dessen Präsident Rodrigo Rato am Mittwoch durch José Ignacio Goirigolzarri ersetzt wurde, konnte schon bisherige Anforderungen nicht erfüllen und wird nun teilweise verstaatlicht. Sogar Goirigolzarri der von der Großbank BBVA kommt und mit einer Jahresrente von drei Millionen Euro 2009 in den Ruhestand befördert wurde, fordert nun diesen Schritt. Die 4,5 Milliarden, die einst in die Fusion der Sparkassen geflossen sind, werden in Aktien umgewandelt. Dadurch wird die Regierung zum Hauptaktionär mit einem Anteil von knapp 50%. Angeblich soll damit die geplante Kapitalspritze von bis zu zehn Milliarden vermieden werden können.
Bekannt wurde nun auch, dass die Bilanzen von Bankia geschönt sind, weshalb ohne weitere Staatsmilliarden die Bank kaum zu retten sein dürfte. Wirtschaftsprüfer von Deloitte hatten sich geweigert, die Bilanzen vor dem Stichtag am 30. April abzusegnen. Ein Streitpunkt war, dass Bankia mit einem Wert von 12 Milliarden Euro geführt wurde, obwohl der Börsenwert nur bei zwei Milliarden lag. Dabei war sogar Deloitte bereit ihn auf 8,5 Milliarden Euro anzusetzen, doch die Differenz hätte das gesamte Vermögen aufgezehrt.
Das ist ein Grund, warum Rato zurücktreten musste. Dazu kommt, dass die regierende Volkspartei (PP) Distanz zu dessen Scheitern bei der Sanierung der Bank schaffen will. Denn er war Vize-Ministerpräsident in der Regierung unter José María Aznar, die Spanien bis 2004 regierte, bevor er zum Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde und danach als Banker aus Washington nach Madrid zurückkehrte. Man darf es als Realsatire ansehen, wenn Rato zum Abschied davon sprach, dass Bankia nichts zu befürchten habe, da es sich um "ein solides Institut mit Ressourcen" handele.
Eine "Rettung" werden auch andere Banken benötigen
Dass allein Bankia verstaatlicht wird oder viel Geld braucht, darf bezweifelt werden. José Garcia Montalvo, Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität Barcelona, meint, das spanische Banken oft ihre Verluste verschleierten. Sie hätten bisher versucht, sich "mittels Fusionen Zeit zu kaufen". Vor allem Kleinanleger sollten damit nicht verschreckt werden, weil bei Verlusten auf Anleihen und Aktien keine Kupons oder Dividenden gezahlt werden dürfen. Sie waren in den letzten zwei Jahren stark umworben worden und haben einen Großteil der Aktien gekauft, mit denen spanische Banken ihr Kapital aufgestockt haben, weil Großinvestoren aus dem Ausland längst ihr Kapital aus Spanien abziehen (Die EZB hat ihr Pulver verschossen und ist ratlos). So sind vor allem Kleinanleger davon betroffen, dass die Bankia-Aktien seit Tagen in den Keller rauschen und am Mittwoch erneut fast 7% verloren. Zweifel bestehen auch an anderen großen Banken. So waren die Verluste für die zum Bankenriesen fusionierte CaixaBank sogar noch größer und auch die Aktien von BBVA und Santander verloren fast 5%.
Die EU-Kommission ist offenbar von der Verstaatlichung informiert worden. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sprach im baskischen Radio Euskadi am späten Dienstag davon, dass Bankia "gestützt, gestärkt und umstrukturiert" werden müsse. Wenn das mit Privatkapital nicht möglich sei, dann müsse Geld der öffentlichen Hand fließen. Der Vizepräsident der Kommission erklärte, Madrid müsse Brüssel nun aber einen Plan vorlegen. Es müssen klare Bedingungen aufgestellt werden und forderte dabei auch "Opfer" von "Aktionäre und anderen Gläubigern", womit eigentlich nur ein Teilverzicht der Gläubiger gemeint sein kann.
Nachdem schon in die Fusion der Sparkassen zu Bankia Milliarden an Direkthilfen geflossen sind, sagte Almunia, nun müsse als Gegenleistung für öffentliche Gelder in der Zukunft eine "solvente und lebensfähige Bank" entstehen. Er meinte zwar, dass die schon in die Diskussion gekommene Aufweichung der Defizitziele noch keine beschlossene Sache sei, doch wenn das Land nur massiv Banken stützen muss, bleibt gar kein anderer Weg. Entsprechende Schritte werden beim EU-Sondergipfel am 23. Mai auf den Weg gebracht werden.
Schließlich kommt für Spanien nun noch ein weiterer Kostenfaktor hinzu. Waren die Zinsen für Staatsanleihen ohnehin die letzten Wochen wieder deutlich gestiegen, sind sie am Mittwoch auf einen neuen Rekordwert geklettert. Der Risikoaufschlag gegenüber Bundesanleihe schnellte auf fast 460 Punkte hoch. Das sind noch einmal 30 Basispunkte mehr als im April und zehnjährige Anleihen rentieren wieder deutlich über 6%. Derlei Zinsen kann sich ein Land nicht leisten, dessen zweitgrößter Haushaltsposten schon unter positiveren Betrachtungen der Schuldendienst ist. Die Zinsen streben nun erneut gefährlich auf die Marke zu, an der Griechenland, Irland und Portugal Nothilfe beantragen mussten. Die Bankenkrise in Spanien ist der Katalysator, der Spanien in den Abgrund treibt und damit wird es nun ebenfalls eng für den Euro.