Bau und Gegenbau

Seite 3: Wahrzeichen der Nachkriegsmoderne

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Die Westberliner Politik stand unter Legitimationsdruck und antwortete auf einen Schlag: mit der "Interbau" 1957 auf dem Gelände des zerbombten Hansaviertels. Die Beteiligung war international, darunter etliche von den Nazis vertriebene Architekten. Zentralität und Axialität waren aufgelöst, Raster und Raumkanten verschwunden. Der Grundrissplan insgesamt wie auch der einzelner Häuser bzw. Wohnungen ist offen.

Hofseite. Bild: Bernhard Wiens

Verschiedenste Haustypen, Punkt- und Scheibenhäuser bis hin zu Einfamilienhäusern, sind in loser Folge und asymmetrisch angeordnet, ohne Hierarchie, und das heißt: freiheitlich. Aus der Auflockerung im Sinne der Charta entwickelt sich tatsächlich eine Durchgrünung und nicht, wie andernorts, die autogerechte Stadt. Der Tiergarten fließt in die Siedlung und umgekehrt. Die Moderne ist im Hansaviertel grün geworden, das Grün modern.

Großer Tiergarten mit Blick auf die Punkthochhäuser des Hansaviertels. Bild: Claus Rodemer/Staedte-Fotos

Das Konzept des fließenden Raums scheint überall durch. Wenn die Häuser - nicht nur bei Le Corbusier - auf Stützen gestellt sind, wenn die sechste Seite der Gebäude sichtbar ist, wird im ebenerdigen Luftgeschoss die Materie transparent in der Durchdringung mit dem Raum. Das Haus ist ins Gesicht des frei zugänglichen parkaffinen Grüns eingeschrieben wie die (ideale) Stadt ins Gesicht der Landschaft. Stärker ausdifferenziert ist im Hansaviertel die Funktionstrennung zwischen Wohnen und Gewerbe, aber die kleine Ladenstraße ist fußläufig und ungestört von "Auto-Aggression" zu erreichen. Das Viertel liegt in der Mitte Berlins an der großen Ost/West-Achse, verzichtet aber auf jede autoritäre Geste.

Auch Oscar Niemeyer stellte sein Scheibenhaus auf Stützen. Bild: Bernhard Wiens