Baubranche: "Wirtschaftsminister, der sich nicht um die Wirtschaft kümmert"

(Bild: Ralph, Pixabay)

Bauwirtschaft äußert Unmut über Bundesregierung. Branche steckt in der Krise und fordert Investitionsanreize. Warum die Baukrise auch zum sozialen Problem wird.

Die Bundesregierung hatte viel versprochen: Jährlich sollten 400.000 Wohnungen gebaut werden, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Doch im vergangenen Jahr verfehlte sie das Ziel meilenweit: Nur rund 295.000 Wohnungen wurden neu gebaut, teilte das Statistische Bundesamt Ende Juli mit.

Wie viele es in diesem Jahr sein werden, ist noch offen. Die vergangenen Monate waren von schlechten Nachrichten aus der Baubranche geprägt. Inzwischen wird vermutet, dass nicht einmal die Hälfte des Zielwertes erreicht wird.

Vertreter von Branchenverbänden machen ihrem Unmut nun lautstark Luft und richten scharfe Kritik an die Bundesregierung. Der Präsident des Bauindustrieverbandes HDB, Peter Hübner, griff am Montag in der Bild-Zeitung die Minister Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) frontal an.

"Wir haben einen Wirtschaftsminister, der sich nicht um die Wirtschaft kümmert", sagte er und betonte, dass mit dieser Politik zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr seien. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und Liberalen steuere "sehenden Auges in eine wirtschaftspolitische Sackgasse". Und sie tue nichts, um das Land wieder auf die Beine zu bringen.

Am Mittwoch will die Bundesregierung ein Wachstumspaket beschließen – und die Baubranche könnte dabei leer ausgehen. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte Steuererleichterungen für Baufirmen vorgeschlagen. Sie wurden aber von Finanzminister Lindner abgelehnt.

"Die steuerliche Erleichterung für den Wohnungsbau wäre ein gutes Signal gewesen", erklärte Hübner gegenüber Bild. Doch Lindner sehe offenbar "keine Notwendigkeit, den Wohnungsbaumotor anzuschmeißen".

Bauherren und Investoren sind verunsichert

Die Firmen bekämen keine Aufträge mehr, so Hübner, weder im Neubau noch in der Sanierung. Investoren und Bauherren seien maximal verunsichert.

Ein Grund dafür ist das neue Heizungsgesetz, das zunächst für die Zeit vor der parlamentarischen Sommerpause groß angekündigt war, dann aber verschoben werden musste. Die Bundesregierung müsse sich entscheiden, auf welche Rahmenbedingungen sich Bauherren künftig verlassen könnten, erklärte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller kürzlich in der Wirtschaftswoche (Wiwo).

Wenn die Aufträge ausbleiben, könnte es zu einer Entlassungswelle kommen, so Müller. Und dann kämen die Fachkräfte in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr zurück. Künftige Kapazitätsengpässe seien damit vorprogrammiert.

Es müssten verlässliche Rahmenbedingungen für einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren geschaffen werden. Und dafür müsse die Bundesregierung jetzt Geld in die Hand nehmen.

Zum Gesamtpaket gehöre auch, so Müller, "die sehr hohen Umweltstandards vorübergehend auszusetzen". Denn der Bau eines Energiesparhauses, das nur 40 Prozent der Energie eines Standardhauses verbrauche, erhöhe die Baukosten um mehr als zehn Prozent, rechnete er der Wiwo vor. Aber: "Genau an dieser Stelle fehlt im Forderungspaket der Grünen das Verständnis für das Gesamtsystem", macht er deutlich.

Baukrise zeigt sich beim altersgerechten Wohnen

Die Baukrise ist längst zu einem sozialen Problem geworden. Steigende Mieten sind ein Problem, der Mangel an altersgerechten Wohnungen ein anderes. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) stellte am Montag eine Studie vor, nach der rund zwei Millionen altersgerechte Wohnungen fehlen.

Demnach gab es im vergangenen Jahr bundesweit rund drei Millionen Haushalte, in denen Menschen mit eingeschränkter Mobilität lebten. Gleichzeitig zählten die Ökonomen nur rund 1,2 Millionen barrierearme Wohnungen, also solche ohne Stufen.

Beziehe man auch Appartements mit ein, die zudem besonders große Räume und Flure haben, sinke die Zahl auf eine Million. Für zwei von drei Haushalten, die auf altersgerechten Wohnraum angewiesen sind, gibt es demnach derzeit keine geeignete Wohnung, so das arbeitgebernahe Institut unter Berufung auf eine Sonderauswertung des Mikrozensus 2022.

Bis 2035 werde die Zahl der Haushalte, in denen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen leben, auf 3,7 Millionen steigen, schätzt das Institut. Der Wohnungsbau sei darauf kaum vorbereitet.

Hinzu komme ein weiteres Problem: Da die oft großzügig geschnittenen Wohnungen auch für alle anderen Haushalte attraktiv seien, konkurrierten mobilitätseingeschränkte Menschen mit anderen Gruppen um den knappen Wohnraum. Die tatsächliche Versorgungslücke sei daher deutlich höher.

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