Bayern: 1980er Offensive von Strauß und Ärztezeitung gegen Bonn
Seite 2: 2. Bayern: Profitzone Europas ?
- Bayern: 1980er Offensive von Strauß und Ärztezeitung gegen Bonn
- 2. Bayern: Profitzone Europas ?
- 3. Export-Surplus durch Niedriglohn-Dumping: Bayerns Weg durch die "Stagflation"
- 4. Kampfplatz Sozial- und Gesundheitspolitik: Eine "Ärztezeitung" gegen die konservativen und neoliberalen "Gesundheitsökonomen"
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Zwei der Straußschen Großprojekte, der Main-Donau-Kanal und die WA-Wackersdorf, scheiterten kläglich. Auch blieb das Bruttoinlandsprodukt, d. h. die geldwerte Arbeits- und Güterleistung Bayerns auch in der Regierungszeit Strauß’ unter dem Bundesdurchschnit6) - trotz überdurchschnittlichem Zuwachs.
Gleichwohl überstand Bayern den Ölpreisanstieg ab den frühen siebziger Jahren und den Schock vor allem der zweiten Ölpreiskrise der späten siebziger Jahre besser als gleichzeitig von Kohle-, Stahl- und Werftenkrise geplagte andere Bundesländer. Der seit den späten fünfziger Jahren laufende Ausbau der Kernkraft in Bayern und die modernere Wirtschaftsstruktur Bayerns haben hierzu beigetragen.
Wie der angesehene Ökonom Elmar Altvater für alle kapitalistischen Länder analysiert hat, konnten nur Wirtschaftsräume mit deutlichen Handelsüberschüssen, wie etwa Bayern, die von der Energieseite, d h von den Ölimportpreisen her enorm gestiegenen Produktionskosten kompensieren.7
Altvater versäumte in seiner damaligen Analyse nicht, darauf hinzuweisen, dass die Hauptursachen für den Ölpreisanstieg in den siebziger Jahren8 der Wertverfall des Dollar infolge der Kosten des US-Vernichtungskrieges in Vietnam und des US-Militärimperialismus in allen Regionen der Welt waren. Das in Dollar fakturierte Rohöl brachte den Förderländern immer geringere Erlöse. Eine Erhöhung der Rohölpreise durch das Ölländer-Kartell war die Folge. Auf diesem Wege wälzten die Vereinigten Staaten ihre inflationäre Imperialismusfinanzierung an die übrigen Industrieländer weiter und schwächten damit zugleich die Exportposition ihrer Konkurrenten.
Bayerns Wirtschaft hingegen zeigte einen seit den Nachkriegsjahren stetigen Anstieg der Exportquote, d. h. des Auslandsaumsatzes am Gesamtumsatz. Während der neunzehnhundertsiebziger Krisenjahre flachte die Exportquote Bayerns zwar ab, stieg in der Regierungszeit von Franz Josef Strauß aber wieder steil an.9 Dabei lagen die Exportwerte fast durchgängig über den Importwerten, d. h. Bayern erzielte wachsende Handelsbilanzüberschüsse.10)
Wenn eine derartige "positive" Handelsentwicklung bei krisenhaftem Weltmarkt und "negativen" Schocks gleichwohl erreicht wird, dann ist dies selbstverständlich nicht genialen Persönlichkeiten zu verdanken. Vielmehr müssen materiell-objektive Voraussetzungen vorliegen, die politisch richtigem Handeln erst den Erfolg sichern.
Im Falle Bayerns ist dies dessen Zentrallage in Europa, die es schon seit dem Mittelalter vor allem mit seinen beiden Handelsstädten Nürnberg und München zu einem zentralen Marktplatz Europas gemacht hat. In der Tat hatte Bayern dann nach Kriegsende trotz der zeitweiligen Teilung Deutschlands und Europas große geographische Vorteile für seine Industrie: die Nähe zu Italien, das in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten der zweitwichtigste Außenhandelspartner für Bayerns Exporte war. Auch heute, trotz erweitertem Weltmarkt, ist Italien weiterhin einer der Hauptexportmärkte für Bayern.11
DDR-Kredit sabotierte Wiedervereinigung und brüskierte die USA
Gleichzeitig war die jahrzehntelang heuchlerisch beklagte "Teilung Deutschlands" für Bayern als wirtschaftsgeographisches Zentrum Europas ein weiterer wesentlicher Standortvorteil. Mit seiner breiten Grenze zur späteren Deutschen Demokratischen Republik schloss Bayern bereits 1945 als erstes späteres Bundesland mit Ostdeutschland ein interzonales Handelsabkommen. 1976 verzeichnete dann Bayern neben Westberlin die höchsten Importe im Rahmen des so genannten"Innerdeutschen Handels" aus dem anderen Teil Deutschlands.12
Diese engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen München und Ost-Berlin bedeuteten für die Wirtschaft Bayerns ganz erhebliche Vorteile. Die Deutsche Demokratische Republik fungierte dank ihres niedrigen Lohnniveaus für zahlreiche bayerische Firmen und Konzerne als profitträchtiger Zulieferer. Hauptabnehmer preisgünstigster DDR-Produkte waren u a. das Fürther Großversandhaus Quelle und die oberbayerischen Fleischkonzerne März und Moksel. Nachdem die ostdeutsche Wirtschaft dank günstiger Rohöllieferungen aus der Sowjetunion auch geraume Zeit von den Folgen der Ölpreiskrisen verschont blieb, waren insbesondere ihre billigeren Mineralölprodukte auch bei der bayerischen Wirtschaft begehrt. Der Verlust des bayerischen Osteuropahandels an die ostdeutsche Wirtschaft wurde so erheblich abgemildert.
Vor diesem Hintergrund des hohen Nutzens eines Handels zwischen zwei deutschen Wirtschaftsgebieten mit extrem niedrigen Produktionskosten im Ostteil und dadurch hohen Gewinnspannen für Bayern wird auch der Milliardenkredit nachvollziehbar, den der bayerische Ministerpräsident 1983 für die Deutsche Demokratische Republik organisiert hatte. Dieser Milliardenkredit war das Instrument, um die zunächst von der Regierung Schmidt und dann von der Regierung Kohl verfolgte US-konforme Politik einer Konföderation durch Annäherung zwischen beiden deutschen Staaten zu sabotieren.
Dieser politische Coup Franz Josef Strauß’ erfolgte mit Billigung von Erich Mielke, Staatssicherheitschef des ostdeutschen Staates, und unter Vermittlung des oberbayerischen Fleischkonzernherren und Strauß-Freundes Josef März. Ferdinand Kroh klassifizierte den bayerischen Ministerpräidenten als "Steuermann eines deutsch-deutschen Abgrenzungsmövers". Eine deutsch-deutsche Konföderation oder gar Wiedervereinigung hätte der bequemen zollfreien Billigproduktion vor der Haustüre Bayerns ein Ende bereitet.
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