Bayern: 1980er Offensive von Strauß und Ärztezeitung gegen Bonn

Seite 3: 3. Export-Surplus durch Niedriglohn-Dumping: Bayerns Weg durch die "Stagflation"

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In der Regierungszeit des Kabinett Strauß stieg, analog zum zunächst Abflachen der Wirtschaftsleistung als Krisenfolge, die Arbeitslosigkeit bis zur Mitte der achtziger Jahre stark an, die Beschäftigung nahm kaum noch zu.13 Jedoch blieb die bayerische Arbeitslosigkeit damals unter dem westdeutschen Durchschnitt.14

Dass gleichwohl in dieser Zeit das Bruttoinlandsprodukt in Bayern deutlich stärker als im Bundesdurchschnitt anstieg15, ist sicherlich der kontinuierlich steigenden Exportquote des Freistaates zu verdanken, die von ebenfalls steigenden Exportüberschüssen begleitet wurde.16

Die mitten in einem Krisenjahrzehnt wachsende Profitabilität des bayerischen Kapitals lässt sich zu einem wesentlichen Teil, neben dem schon erörterten Zentrallagevorteil, aus dem Charakter Bayerns als ausgesprochenem Niedriglohnland erklären. Sowohl 1978 wie 1988 lagen die durchschnittlichen Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer in Bayern deutlich unter denen der überwiegenden Mehrzahl der übrigen westdeutschen Bundesländer. Die später zu einem Grundmuster des "Geschäftsmodells Deutschland" gewordene Exportforcierung durch Lohndumping wurde in diesen Krisenjahren von Bayerns Wirtschaft vorexerziert.

Niedriglohnland Bayern 1978 – 1988
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer
Jahre
Bayern (Durchschnitt)
West-Deutschland (Durchschnitt)
1978 12.888 € 13.409 €
1988 18.360 € 19.156 €
Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder VGRdL: Bruttolöhne und -gehälter (Inland) 1970 – 1990

Die schon während der Regierungszeit von Alfons Goppel geförderte Nebenerwerbslandwirtschaft spielte dabei für die Niedriglohnprägung Bayerns eine wesentliche Rolle. Sie bedeutete wegen ihrer finanziellen Begünstigungen und Förderungen eine Art "Aufstockersystem", das allerdings im Unterschied zum späteren Hartz IV-Antreibersystem der Regierung Schröder von der Bevölkerung positiv aufgenommen wurde.

Familiensozialpolitik und Wohnortkrankenhäuser dämpften Lohn-Nebenkosten

Ein weiterer wesentlicher Faktor für das niedrige Lohn- und Gehaltsniveau in Bayern war das vom Freistaat verfolgte Konzept einer "Familiensozialpolitik". Die hohen Quoten von Kinder- und Großfamilien vor allem in den strukturschwachen Regionen17 mit ihrem vermuteten höheren Selbsthilfepotential erlaubten Bayern eine gegenüber anderen Bundesländern minimale vorschulische, dürftige kindergesundheitliche und auch magere altenpflegerische Infrastruktur18 und entsprechend niedrige Kosten auch bei den Ortskrankenkassen.19

Entsprechend zum instrumentalisierten Selbsthilfepotential der Familien in Bayern behielt der kostenträchtigste Sektor der Gesundheitsversorgung, der Krankenhausbereich, in Bayern auch in der Regierungszeit des Kabinett Strauß eine dezentrale, wohnort- und familiennahe Struktur, die stark durch kleinere Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung geprägt war. Diese Krankenhäuser zeichneten sich durch niedrige Pflegesätze aus und schonten damit die Finanzmittel der in Bayern vorherrschenden Allgemeinen Ortskrankenkassen.20 Die Ausgaben der bayerischen Allgemeinen Ortskrankenkassen lagen dementsprechend auch während der Ära Strauß weit unter denen der anderen westdeutschen Bundesländer.21 Entsprechend niedrig waren die AOK-Beitragssätze in Bayern, d. h. die gesundheitsbezogenen Lohn-Nebenkosten und damit die Bruttolöhne und -gehälter.22

Das schon in den siebziger Jahren beginnende negative Zusammenspiel von Dollarentwertung, Kapitalflucht in die Deutsche Mark, Rohölverteuerung einerseits und rückläufiger Wirtschaftsleistung andererseits, ging unter dem Label "Stagflation" in die Wirtschaftsgeschichtsschreibung ein. Bayern hatte mit Niedriglohn als Exporttreiber die Folgen dieser Doppelkrise schon vorweggenommen.

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