Begehrte Vermittlerin

Kanzlerin Merkel und US-Präsident Bush setzen auf Einigkeit

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Nach dem Regierungswechsel war die erste Begegnung von Merkel mit dem US-Präsidenten Bush noch ein großes Medienereignis. Schließlich hatte die konservative Kanzlerin in dieser Frage den größten Dissens zu ihren Vorgänger auch nach ihrer Amtsübernahme gezeigt. Während Schröder mit seinen Parolen vom deutschen Weg die US-Regierung verärgerte, betonte Merkel die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und den USA. Das sorgte beim sozialdemokratischen Koalitionspartner für Irritationen. Doch auch bei ihrem aktuellen US-Besuch, der längst nicht mehr so viel mediale Aufmerksamkeit erhält, ist die Kanzlerin ihrer Linie treu geblieben. Sie betont die Gemeinsamkeiten mit den USA gerade auch in der Iran-Frage. Beide Politiker wollen eine möglichst breite Front aufbauen, um den Iran vom Bau von Atomwaffen abzuhalten.

”Well, I'm talking to a very sophisticated leader who knows what it's like to live in a world that isn't free.” US-Präsident Buch über Merkel. Foto: Weißes Haus

Dabei betonen beide Politiker unisono, dass eine militärische Lösung zur Zeit nicht auf der Tagesordnung stehe. "Wir sind uns einig, dass wir diplomatische Lösungen finden müssen." Die Erfolgsaussichten dafür seien gut, wenn es gelinge, möglichst viele Partner mit einzubinden, erklärte Merkel. Sie hatte als Oppositionspolitikerin Kanzler Schröder vorgeworfen, mit seiner nationalpazifistischen Rhetorik gerade Chancen auf eine gemeinsame Lösung unterhalb der militärischen Schwelle verbaut zu haben. Jetzt will sie beweisen, dass es auch anders geht.

Dabei haben die USA natürlich auf eine militärische Option nicht verzichtet. Die Pläne dafür liegen schon lange in der Schublade. Aber selbst den Hardlinern in Washington ist klar, dass ein Angriff auf Iran unkalkulierbare Folgen haben könnte. Gerade vor dem Hintergrund der verfahrenen Situation im Irak, die für die USA alles andere als eine Erfolgsgeschichte ist, hält sich die Lust auf ein neues militärisches Abenteuer mit ungewissem Ausgang selbst bei überzeugten Neokonservativen in Grenzen. Auch dort ist man inzwischen zu der die Einsicht gekommen, dass die Pläne für einen Sturz der diktatorischen und korrupten Regime im arabischen Raum nur auf dem Papier verlockend erscheinen. Daher dürfte in Washington die Bereitschaft größer sein, im Falle Irans Optionen unterhalb der militärischen Ebene mehr Zeit und Raum zu lassen. Die Pläne für eine militärische Lösung sind in diesem Szenario kein Widerspruch, im Gegenteil. Sie verfolgständigen die Drohkulisse und die Veröffentlichung dürfte aus diesem Grunde von den zuständigen Planungsstäben daher gar nicht so ungern gesehen werden.

Aufwertung Merkels

In diesem Szenario kommt gerade Merkel eine besondere Bedeutung zu. Sie ist in die Rolle einer Vermittlerin getreten, die bei den divergierenden Interessen innerhalb des westlichen Bündnisses einen Ausgleich erreichen und damit die breite Front gegen den Iran schmieden könnte. Eine andere Mittlerrolle will Merkel hingegen nicht einnehmen. „Wegen der guten bilateralen Beziehungen, könnte Deutschland als Vorreiter agieren, um den Atomstreit aus der Sackgasse herauszuführen”, sagte der Leiter des Auswärtigen Ausschusses im iranischen Parlament, Alaeddin Borudscherdi. Allein dieses Ansinnen zeigt die gewachsene Rolle Deutschlands in der Weltpolitik. Doch Merkel hat sich längst für die Mittlerrolle im Sinne von Bush entschieden.

Dabei kann sie die Priorität einer friedlichen Lösung in den Mittelpunkt stellen. Über die Pläne einer militärischen Lösung, die es offiziell nicht gibt, äußert sie sich nur allgemein. Ein US-Präsident könne militärische Optionen nicht grundsätzlich ausschließen. Damit kann vielleicht auch der sozialdemokratische Koalitionspartner leben, der sich schon aus Gründen der Abgrenzung vom Koalitionspartner und der eigenen Milieupflege gegen einen Angriff auf den Iran wendet.

Wiedersehen in Stralsund

Doch vielleicht sind die Konflikte nur verschoben. Denn Merkel hat Bush zu einem Kurzbesuch in ihren Wahlkreis Stralsund eingeladen. Der US-Präsident will der Stadt auf dem Weg zum G8-Gipfel nach Petersburg Mitte Juli seinen Besuch abstatten.

Der Termin hat innenpolitische Brisanz, denn Besuche des US-Präsidenten haben in den letzten Jahren immer zu Massendemonstrationen von Friedens- und Globalisierungsgegnern geführt. Mecklenburg-Vorpommern befindet sich im Vorfeld einer Landtagswahl, bei der sich eine SPD-PDS-Landesregierung bestätigen lassen will. Die beiden Parteien dürften sich die Gelegenheit nicht entgegen lassen und andere Akzente als Merkel gegenüber Bush setzen. Ob davon auch die große Koalition unberührt bleibt, wird sich zeigen.