Berliner Klimabürgerrat: Wird der Verbrenner verbannt?
Seite 2: Ablenken mit Atom-Debatte
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Eigentlich sollte man meinen, dass angesichts der sich verstärkenden Anzeichen der globalen Klimakrise in Deutschland alle Alarmglocken angehen. Bei den Klimaschützern und -wissenschaftlern ist das auch der Fall, die in Berlin derzeit immer wieder Stadtautobahnen blockieren und in Kiel Kreuzfahrtschiffe an der Ausfahrt hindern.
Nicht hingegen offensichtlich beim grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck, der, wie mehrfach berichtet, Fracking-Gas importieren will und es dafür auch mit dem Gesetz nicht so genau nimmt, und schon gar nicht bei der Union oder der FDP, die im letzten Jahrzehnt maßgeblichen Anteil daran hatten, Solar- und Windenergie auszubremsen.
Während bei Letzterer der Ausbau immer noch nicht wieder Fahrt aufgenommen hat, scheint die Solarenergie – gesunkene Anlagenpreise machen es möglich – immerhin vor einem neuen Boom zu stehen. Aber hätte es im vergangenen Jahr nicht die Verhinderungspolitik der verschiedenen Merkel-Regierungen mit FDP und SPD gegeben, dann hätten wir heute – wie die Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme nahelegen – etwa 42 Gigawatt mehr Solar- und 13,8 Gigawatt mehr Windleistung zur Verfügung.
Damit ließen sich in einem normalen Jahr etwa 69 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen, was 133 Prozent der Erzeugung der Gaskraftwerke im vergangenen Jahr wäre. Oder mit anderen Worten: Die erneuerbaren Energieträger hätten schon heute die Gaskraftwerke spielend überflüssig machen können, hätte man ihren Ausbau weiter auf dem Niveau von 2011 bzw. 2017 laufen lassen.
Doch nicht, dass Unionsparteien oder die FDP aus ihrem fulminanten Versagen gelernt hätten. Statt sich endlich für den raschen Ausbau von Sonne, Wind & Co. ins Zeug zu legen und zum Beispiel in den von ihnen regierten Bundesländern die Regeln abzuschaffen, die für Windkraftanlagen einen wesentlich größeren Abstand zu Wohnhäusern als für Tagebaue, Kraftwerke, Mülldeponien oder auch Steinbrüche vorsehen, versuchen sie – in Eintracht mit der AfD – dem Land eine Geisterdebatte über Atomkraft aufzuzwingen.
Am Donnerstag muss sich der Bundestag damit befassen. Die Unionsparteien wollen die Laufzeit der letzten drei noch im Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke verlängern und haben dazu nach Aussagen von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn, der vom Grippe- zum Energieexperten mutiert ist, eine namentliche Abstimmung im Bundestag beantragt.
Ebenfalls diese Woche wird sich entscheiden, ob Atomkraft und Erdgas in der Europäischen Union künftig als grüne Technologie gelten und entsprechend bessere Konditionen für neue Investitionen bekommen. Das EU-Parlament stimmt am heutigen Mittwoch über einen entsprechenden Antrag der EU-Kommission ab. Der Umweltausschuss des Parlaments hatte sich bereits dagegen ausgesprochen, doch die Mehrheiten im Parlament sind ungewiss.
Die Zukunft des Verkehrs
Auch über das Neun-Euro-Ticket wird im Bundestag diese Woche diskutiert. Die Linkspartei hat einen Antrag gestellt, die günstige Fahrkarte für alle mindestens bis zum Jahresende weiter anzubieten. Allerdings wird das Anliegen wohl am Freitag vorerst scheitern. Es liegt eine Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses vor, in der die Vertreter der Regierungsparteien gemeinsam mit jenen der Union und der AfD dem Parlament die Ablehnung nahelegen.
Dabei ist der günstige Fahrschein offensichtlich ein voller Erfolg. ÖPNV und Regionalbahnen sind voll und die Straßen leerer als sonst. Das legt zumindest eine Untersuchung nahe, über die die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Demnach hat in 23 von 26 untersuchten Städten im Juni nach Einführung des Neun-Euro-Tickets die Zahl und Dauer von Staus abgenommen. Für die Untersuchung wurden Feiertage ausgenommen.
Vor allem in Hamburg und Wiesbaden haben Pendler in den zurückliegenden vier Wochen weniger Zeit im Stau verloren. Das Ticket, mit dem für neun Euro einen Monat lang bundesweit der Nahverkehr sowie die Züge der Regionalbahnen genutzt werden können, war von der Bundesregierung als Teil des Programms eingeführt worden, mit dem die Bürgerinnen und Bürger angesichts der steigenden Energiepreise entlastet werden sollen. Ende August läuft die Maßnahme aus.
Der Ausbau des ÖPNV und eine Reduktion des Autoverkehrs in der Stadt ist derweil auch ein Anliegen des Berliner Klimabürger:innenrats, der vor kurzem seine Empfehlungen vorgelegt hat. Hundert ausgeloste Bürgerinnen und Bürger – so ausgewählt, dass sie einen Querschnitt der Stadtgesellschaft widerspiegeln – haben acht Wochen lang untereinander sowie mit Experten diskutiert und 47 Vorschläge an die Politik ausgearbeitet.
In der Verkehrspolitik werden unter anderem dauerhaft günstige Fahrpreise im ÖPNV und attraktivere Angebote gefordert. Die Zahl der Tempo-30-Zonen soll erhöht und im Bundesrat Werbung für ein generelles Tempo-30-Limit in den Städten gemacht werden. Zudem soll Radfahren sicherer werden.
Weitere Punkte sind eine City-Maut, die Verbannung von Verbrennern aus der Innenstadt ab 2030 und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, wobei auch der E-Auto-Verkehr so gering wie möglich gehalten werden sollte. In Sachen Energieversorgung fordert der Klimarat von Senat und Gesetzgeber einen stufenweisen Austausch der Gas- und Ölheizungen, eine Solarpflicht für die Dächer, Abbau bürokratischer Hürden für kleine Solaranlagen, den Ausbau der Fernwärme und den Stopp der Förderung von neuen Gasheizungen.