Berliner dürfen voraussichtlich über die Offenlegung von Geheimverträgen abstimmen

Das Volksbegehren "Unser Wasser" nahm trotz knapper Mittel die zweite Unterschriftenhürde

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1999 teilprivatisierte das Bundesland Berlin seine Wasserversorgung. Seitdem stiegen die Beiträge für die Bürger um 35 bis 40 Prozent, obwohl Investitionen ausblieben und 2000 Arbeitsplätze gestrichen wurden. 2006 nahm die Regierung auf Druck des neuen Koalitionspartners zwar eine Rekommunalisierung der BWB in den Koalitionsvertrag auf, machte jedoch bisher keine relevanten Schritte zur Umsetzung dieses Versprechens. Als Grund dafür gelten Verträge, in denen Politiker dem französischen Veolia- und dem deutschen RWE-Konzern Gewinngarantien zugebilligt haben sollen, welche diese bei einer Vertragsauflösung vor 2029 erstattet bekommen müssten. Weil diese Verträge auch Geheimhaltungsklauseln enthalten, konnten sie vor Gericht bislang weder überprüft noch angefochten werden.

Deshalb starteten die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch und das Bündnis gegen Privatisierung 2007 die Initiative "Unser Wasser". Der von ihnen formulierte Gesetzentwurf hat nicht die direkte Rekommunalisierung der Wasserversorgung zum Inhalt, sondern nur die Offenlegung der Geheimverträge, welche die Initiatoren als Voraussetzung dafür sehen.

Die erste Hürde, den Antrag auf ein Volksbegehren, nahmen sie bereits im Januar 2008. Allerdings versuchte der Senat das Vorhaben als unzulässig zurückzuweisen, weil es gegen "höherrangiges Recht" und "private Geheimhaltungsinteressen" verstoße, weshalb die Initiatoren sich ihre Zulassung vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof erkämpfen mussten. Das entschied 2009 zwar nicht über die materiellrechtliche Zulässigkeit, teilte aber der Landesregierung mit, dass die von ihr angeführten Bedenken, selbst wenn sie zuträfen, nicht schon im Vorfeld einen Volksentscheid blockieren können.

Nachdem es im Juni im Amtsblatt verkündet wurde, nahm das Volksbegehren in dieser Woche auch die zweite Unterschriftenhürde. Dem Berliner Wassertisch zufolge brachte man es innerhalb von vier Monaten auf ungefähr 265.400 Unterschriften - nötig gewesen wären diejenigen von mindestens sieben Prozent der Wahlberechtigten, also etwa 172.000. Die Initiatoren sehen dies insofern als großen Erfolg, als sie ihr Anliegen mit nur 19.000 Euro an Spendengeldern bekannt machen konnten - sehr viel weniger, als Initiativen wie "Pro Reli" und "Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen!"für vergleichbare Vorhaben aufwendeten.

Voraussichtlich am 9. November wird die Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach bekannt geben, wie viele der 265.400 Unterschriften tatsächlich als gültig gewertet werden. Beim Volksbegehren zum Erhalt des Flughafens Tempelhof waren das 204.907 von 208.049 und bei Pro Reli 265.823 von 308.787. Liegt die Anzahl der gültigen Stimmen offiziell vor, dann beginnt eine fünfzehntägige Frist zu laufen, während der der Senat dem Gesetzentwurf entweder "inhaltlich in seinem wesentlichen Bestand unverändert" zustimmen oder einen beliebigen Sonn- oder Feiertag innerhalb der nächsten vier Monate auswählen kann, an dem ein Volksentscheid darüber abgehalten wird.

Weil in diesem Volksentscheid mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten beziehungsweise ungefähr 610.000 Berliner dem Vorschlag zustimmen müssen, damit er als angenommen gilt, hoffen die Initiatoren darauf, dass sich die Politiker nicht für einen Adventssonntag entscheiden, an dem sie eine eher geringe Wahlbeteiligung erwarten. Gut möglich ist, dass das Parlament einen eigenen Gesetzentwurf zu dem Thema verabschiedet und diesen als Alternative auf die Stimmzettel drucken lässt. Weil die Regierung derzeit mit Veolia und RWE über eine Offenlegung einzelner Vertragsteile verhandelt, steht zu erwarten, dass solch ein Parlamentsvorschlag ebenfalls in diese Richtung geht.

Michael Efler, der Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie, der sich für den Ausbau von Instrumenten wie Volksabstimmungen einsetzt, sieht im Erfolg des Berliner Volksbegehrens gegen Geheimverträge auch einen "Erfolg für die Transparenz politischer Entscheidungsprozesse", auf welche nicht nur die Berliner ein Recht hätten. "Ohne freie Information" so Efler, gebe es "keine Demokratie" weshalb Mehr Demokratie in diesem Fall nicht die sonst übliche Neutralität zum Inhalt einer Initiative wahre.

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