Beton statt Blumen?

Seite 2: Projekte zur Begrünung im Westen und Süden

In Nordrhein-Westfalen berät das "Team Biodiversität" der Landwirtschaftskammer von Köln aus über die verschiedenen Möglichkeiten, Blühstreifen anzulegen und fördern zu lassen. Etwa als ökologische Vorrangfläche oder als Agrarumweltmaßnahme.

Das Team weist auch darauf hin, wie wichtig in Ruhe gelassene Blühflächen auch im Winterhalbjahr sind. Dann brummt und summt es zwar nicht mehr auf ihnen, aber Insektenlarven und unter- wie oberirdische Pflanzenteile bilden die Grundlagen für das Erblühen der Wiese im kommenden Frühjahr.

Im schwäbischen Stuttgart hat die Stadt schon seit Jahren Methoden wie die insektenfreundliche Mahd im Standardrepertoire. Parks, Blühstreifen und Grünflächen werden sorgsam nach diesen Prinzipien in Schuss gehalten.

Derzeit begrünt die Stadt gemeinsam mit lokal organisierten Vereinen mehr als 40 Betriebsflächen zusätzlich, um dem Insektensterben entgegenzuwirken. Das ist wirklich eine hervorragende Leistung.

Aber auch die kleinere sächsische Stadt Leipzig strengt sich an. An immerhin 11 Standorten hat sie seit 2019 schon Blühwiesen-Regeln eingeführt. Damit sich Ringelblumen, Bocksbart und Margeriten richtig wohlfühlen können - und mit ihnen bestimmte Ameisen, Bienen, Käfer, Spinnen, Bremsen und Schmetterlinge.

Diese Tiere sind sowohl in ihrer Biodiversität, also in ihrer Vielfalt, bedroht als auch von starkem Rückgang betroffen. So ging die Artenzahl der Insekten und Gliederfüßler in Deutschland seit 2008 um mehr als ein Drittel zurück. Und ihre Gesamtanzahl schrumpfte in den Wäldern um 40 Prozent, in den Graslandschaften sogar um etwa 70 Prozent.

Als Gründe werden neben der zunehmenden Versiegelung vor allem der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in der Landwirtschaft genannt, aber auch die Lärm- und Lichtverschmutzung, weil sie unmäßigem Stress oder sogar den direkten Tod für die Tierchen bedeuten.

Weil aber vor allem Wiesen, die von konventionell bewirtschafteten Äckern umgeben sind, von sehr starkem Insektenschwund betroffen sind, liegt der Zusammenhang zur Abdrift von Pestiziden, die auf den Äckern eingesetzt werden, auf der Hand. Pestizide schwächen das Immunsystem der Kleintiere, sodass sie an Krankheiten, die sie sonst abgewehrt hätten, versterben.

Das Insektensterben ist wohl jedem, der älter als zwanzig Jahre ist, auch schon persönlich aufgefallen. Besonders prägnant ist die Veränderung an den Windschutzscheiben der Autos auf der Autobahn. Bei hohen Geschwindigkeiten der Gefährte können entgegenkommende Fluginsekten in der Luft nicht mehr ausweichen und prallen auf die Windschutzscheibe.

Das Problem der sauberen Windschutzscheiben

Früher waren die Fensterfronten der Autos darum nach wenigen Stunden Fahrzeit voll mit verunfallten Insekten. Man musste anhalten und die zarten Tierleichen mühsam abwaschen. Dieser Aufwand entfällt heute weitestgehend, denn es gibt nicht mehr genügend Insekten, als dass sie den Autofahrern stetig Probleme machen könnten. Und das ist kein gutes Zeichen.

Auch in den sommerlichen Abendstunden bewirkt der Insektenschwund verändertes menschliches Verhalten. Früher ließ man im Sommer bei Nacht besser keine Minute ein Fenster oder eine Tür offenstehen, wenn drinnen im Haus ein Licht an war.

Denn dann schwirrten so viele Insekten herbei, dass man sich bald in einer Art Notunterkunft für Motten und Mücken wähnte. Diese Zeiten sind vorbei. Nicht mal bei Lichterketten oder Scheinwerfern auf nächtlichen Balkonen und Terrassen sind ernsthafte Maßnahmen gegen Stechinsekten noch wirklich nötig. Die Umsätze der Anti-Mücken-Mittel-Hersteller brachen ein.

Dieser Insektenschwund ist für das biologische Gleichgewicht schwer problematisch. Dabei sind viele Bundesländer nicht gerade frühzeitig daran gegangen, ihren Insektenbestand zu mehren. In Brandenburg etwa ist es, wie in vielen Ländern, erst seit 2019 möglich, Blühstreifen mit Fördergeldern des Landes anzulegen und zu pflegen.

Heute klären immerhin auch Berufsverbände wie der Bayerische Bauernverband ihre Mitglieder gezielt und ausführlich über Blühstreifen und -flächen auf. Solange direkt neben einem Blühstreifen Pestizide eingesetzt werden, ist der Erfolg allerdings fragwürdig.

Die überwiegende Umstellung der Landwirtschaft auf Bio wäre hier wahrscheinlich die beste Lösung. Allerdings würden dann die Ertragszahlen bei der Ernte deutlich sinken.

Gisela Sonnenburg ist Magistra Artium und Journalistin. Sie lebt in Berlin, gründete 2014 das Online-Portal www.ballett-journal.de und ist neben der journalistischen Arbeit auch choreografisch tätig.

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