Betrügen in Berlin macht Spaß

Polizei und Justiz in Berlin

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Polizei und Justiz sind in unserem Land fast überall und immer „unterbesetzt und überlastet“. Das mag auch stimmen. Aber in Berlin stellt sich die Frage, ob nicht weniger manchmal mehr wäre. Was „gegen Links“ an Manpower investiert wird, fehlt an anderer Stelle - beispielsweise in der Betrugsbekämpfung.

Bezahlt wird nicht

Dass es sich als Betrüger in der deutschen Hauptstadt sehr gut leben lässt, hat auch Ludwig G.(59) verstanden. Hier genügt es schon mal, gegenüber einem Kripobeamten telefonisch zu erklären, man wohne gar nicht in Berlin, sondern in Italien. Dem Beamten fällt ein Stein vom Herzen – denn für Italien ist er nicht zuständig. Der stets überlastete Beamte bedankt sich artig beim Betrüger und lässt die Akten zurückgehen – im Beispielfall zur Staatsanwaltschaft Koblenz. Dort wurde auch nur deshalb ermittelt, weil der Betrogene – ein Pelzhändler aus der Nähe von Koblenz - heimatnah seine Anzeige gegen G.. erstattet hatte. Unser Betrüger war während eines Hafturlaubs im Februar 2006, wenige Wochen vor seiner Entlassung, mit neuer Freundin ins schöne Österreich gereist. Frisch verliebt und voller Tatendrang ließ er sich in einem noblen Ferienhotel nieder und ging shoppen – für sich und seine frische Liebe. Edlen Schmuck und eben einen Pelzhandel für sie, teure Maßanzüge für sich selbst.

Gekauft wurde viel, bezahlt grundsätzlich nicht - allenfalls eine Anzahlung. G wusste die Geschäftswelt zu blenden. Jeder zuvor auf Kredit getätigte Einkauf wirkte im nächsten Geschäft - unausgesprochen – als Nachweis seiner Bonität. Nach der Devise „Schau mal auf die Tasche, die haben wir auch schon in dem teuren Laden eingekauft“. Nach der Entlassung aus der Dresdner Haft machte sich das Paar auf nach Berlin, der Stadt mit dem großen Herzen für Betrüger aller Art. G. und seine junge Liebe mieteten großzügige Wohnungen im edlen Grunewald und zwischendurch wurde auch mal ein Haus für rund 2 Millionen Euro „gekauft“. Allerdings ohne zu bezahlen. Als das Finanzamt um Zahlung der Grunderwerbssteuer bat, sprang der betrugserprobte Ludwig G. ein und verfasste ein vermeintlich anwaltliches Schreiben an das zuständige Finanzamt. Darin heißt es:

„Sehr geehrter Herr K.,
ich nehme Bezug auf unser Telefonat vom 3.3.06, in dem ich Ihnen mitteilte, dass unsere Mandantin, Frau Anja N., aufgrund einer Verzögerung bei der Gutschrift einer Auslandsüberweisung die im Betreff genannte Grunderbsteuer noch nicht bezahlen konnte.

Sie hatten mit freundlicherweise bestätigt, dass sie mit einer Zahlung bis zum 15.3.06 einverstanden sind. Mit freundlichen Grüßen G., T.. Kollegen Rechtsanwälte“

Die fragliche Steuerschuld betrug stolze 87.500 Euro, zum Zeitpunkt des Briefes an das Finanzamt war G,. noch immer Freigänger der JVA Dresden. In den offenen Vollzug nach Dresden schaffte es der zuvor in München bereits zum wiederholten Male zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte G. durch die tatkräftige Hilfe Dresdner Freunde, u.a. aus der FDP. Die Dresdner Justizbeamten sind offenbar ebenso überlastet wie ihre Polizeikollegen in Berlin. So konnte G.. dank freundlicher Unterstützung seines Sohnes bereits als Freigänger – also Häftling – mit seiner Tätigkeit als „Finanzkaufmann“ fortfahren, etwa so wie vor dem Haftantritt. Dabei gelten auch in Dresden eigentlich klare Vorschriften für die Ausgestaltung des Freiganges. Zu den, ähnlich in allen Bundesländern geltenden Vorschriften gehört es, so das Bundesjustizministerium gegenüber dem Autor,

dass der Freigang so zu gestalten ist, dass die Gefahr des Missbrauchs nicht besteht. Ob ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Gefangenen und deren Arbeitgebern der Begründung eines Arbeitsverhältnisses entgegensteht, ist in jedem Einzelfall zu prüfen.

Weiter heißt es in der Antwort aus dem Hause Zypries:

Die Tatsache, dass ein Gefangener oder eine Gefangene bereits mehrfach vorbestraft ist, schließt die Gewährung des Freiganges nicht generell aus. Der dargelegte Grundsatz, nämlich dass die Gefahr des Missbrauchs nicht bestehen darf, ist jedoch auch zier zu beachten. Das bedeutet, dass bei mehrfach vorbestraften Gefangenen eine besonders gründliche Prüfung vorzunehmen ist. Dies gilt in besonderem Maße, wenn zwischen Gefangenen und deren Arbeitsgeber ein Verwandtschaftsverhältnis gleich welcher Art besteht...

Diese Grundsätze sind zumindest im Fall G. eher locker gehandhabt worden. Ein Sprecher des sächsischen Justizministeriums argumentierte in einem Telefonat mit dem Autor mit den begrenzten finanziellen und damit auch personellen Ressourcen der Justiz. Außerdem habe das Münchener Justiz ja auch keine Sicherheitsverwahrung gegen G. verhängt.

Anschrift im Ausland schützt vor Ermittlungen

Die Briefbögen des Sohnes machten es möglich, Papa Ludwig konnte sich als Anwalt gerieren. G. lieh sich Geld mit dem Versprechen, er würde das ganz große Rad schon noch drehen, und versprach wundersame Gewinne. So versprach er einem in der Berliner Fußballszene bekannten Sportarzt gleich zwei Millionen Euro als Gegenleistung für derzeitige finanzielle Unterstützung, die G. benötigt, weil er, sich „momentan in einem extrem engen Liquiditätsengpass befinde...“

G. seinerseits schmückt sich gerne mit großen Namen. So suggeriert ein anderes Schreiben, dass G. ausgerechnet einem (vermeintlichen) Spross der Milliardärsfamilie Quandt bei der Geldanlage in der Schweiz zu Diensten sei. Daraus, so hoffen Gläubiger des Herrn G.., werde dieser 200.000 Euro Reinerlös erzielen.

Während dieser und eine unbekannte Zahl weiterer Gläubiger auf den plötzlichen Reichtum des „Finanzkaufmanns“ G. hoffen, wandten sich eher bodenständige Personen an die Berliner Polizei und Justiz, doch, wie beschrieben, bisher ohne Erfolg. Denn Betrugsbekämpfung macht viel Arbeit...

Das Beispiel G. steht nicht alleine, auch sein zeitweiliger Partner im „Finanzbusiness“ W. Z. übt seine Tätigkeit vorrangig in Berlin aus. Auch der gibt gegenüber den Behörden gerne Adressen in Frankreich oder Luxemburg an, und auch er bleibt somit (bisher) ungeschoren. Staatsanwälte beschimpften im Fall Z. schon mal einen Anzeigeerstatter, der ihnen die Ergebnisse seiner privaten Ermittlungen „aufdrängen“ wollte. Auch im Fall des G.. zeigten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft Interesse an „sachdienlichen Hinweisen“ aus der Bevölkerung.

550 Beamte im Einsatz zur Personalienfeststellung von 14 Personen

Ganz anders geht es in Berlin etwa zu, wenn es gilt, die Personalien von Linken festzustellen. Da scheuen Polizei und Justiz weder Kosten noch Mühen. Jüngstes Beispiel dieses aufopfernden Engagements der Berliner Rechtswahrer: die „Personalienüberprüfung“ vom 1. August 2007 in der Brunnenstraße 183.

Frühmorgens um 6.30 Uhr mussten die Personalien von angeblich nicht ordentlich gemeldeten Bewohnern festgestellt werden. Insgesamt 548 Polizeibeamte waren im Einsatz, wie der Berliner Innensenator in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bürgerschaftsabgeordneten der Linken, Evrim Baba bestätigte.

Die Aktion vom 1. August in der Berliner Brunnenstraße kostete rund 100.000 Euro. Würde die Berliner Polizei bei der Bekämpfung und Aufklärung von Alltagskriminalität und Betrugt diese Mittel einsetzen, hätte sie sicher einen noch besseren Ruf. Aber Berlins SPD-geführter Innensenat ist auch so ganz zufrieden. Auf kritische Fragen nach überzogenene Polizeimaßnahmen reagiert er mit Journalistenschelte. So schrieb ein Mitarbeiter der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung, an den Autor:

Abschließend gestatte ich mir, nicht auf Ihre polemischen und ungerechtfertigten Anwürfe gegen die Polizei im Einzelnen einzugehen. Ich darf aber betonen, dass es das "tägliche Brot" der Polizeibeamten ist, beispielsweise in Form von Streifen, Aufnahme von Unfällen, Schlichtung von Partnerstreitigkeiten, Aufklärung von Diebstählen und Einbrüchen, sich auch um eigentlich "private" Dinge zu kümmern und diese sich deshalb um die Sicherheit und Ordnung in unserer Stadt verdient machen. In einer repräsentativen Befragung

"Readers`s Digest European Trusted Brands 2007", kamen Polizisten mit einem Vertrauenswert von 73 Prozent auf Platz sechs von 20 ausgewählten Berufen. (freie) Journalisten rangieren in einer Vertrauensskala der Bevölkerung an drittletzter Stelle. Allerdings kann ich mir angesichts des Inhalts Ihres E-Mails und der von Ihnen verwandten Wortwahl nicht erklären, warum das so ist.(...)

Wenn das so ist, muss sich ja nichts ändern....