Bewaffnete Wutbürger im Dreispitz und Aliens

Falling Skies und die amerikanische Tea Party

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Alien Invasion: Der Außerirdische Besatzungszustand

Das Motiv der Invasion der Erde durch Außerirdische hat in der Science Fiction eine lange Geschichte. An den Neuauflagen und Bearbeitungen eines einzigen Stoffes über einen langen Zeitraum hinweg lässt sich die Flexibilität dieses Motivs ablesen, eine Flexibilität, die wesentlich für die Langlebigkeit und Vitalität des Motivs verantwortlich ist. H.G. Wells Roman War of the Worlds (1898) z.B. hat als eine Art rückgekoppelter Fabel über den britischen Kolonialismus zur Zeit seines einsetzenden historischen Untergangs das Licht der Welt erblickt. Orson Welles hat den Stoff dann medienwirksam als Hörspiel ins Radio gebracht (1938), und bei seiner Ausstrahlung eine von der Weltwirtschaftskrise in einen Zustand dauerhafter Nervosität versetzte Bevölkerung in Panik ausbrechen lassen.

Als Byron Haskin den Stoff 1953 zum ersten Mal auf die Kinoleinwände brachte, war es nicht nötig, dem Publikum in den U.S.A. und anderswo die Ähnlichkeiten zwischen den Kriegsmaschinen der Invasoren vom Mars und denen der Sowjetunion zu erklären. Nach Ende des Kalten Krieges bescherte uns Stephen Spielberg die bisher letzte Version des Stoffes im Kino (2005), und diesmal war die Invasion vom Mars vorbereitet und unterstützt durch Maschinen, die—genau wie die konspirativen Zellen islamischer Terroristen, die nach den Anschlägen des 11. September 2001 überall im Land vermutet wurden—unbemerkt im heimatlichen Boden geduldig auf ihren verheerenden Einsatz gewartet hatten.

Andere Klassiker der Science Fiction, wie etwa Jack Finneys The Body Snatchers (1955), in dem die Invasion leise in den Körper des Einzelnen eindringt und nicht als militärischer Grosseinsatz in der Lautstärke des Blockbusters daherkommt, haben es auf ähnlich beachtliche Zahl von Neuauflagen gebracht. Auch hier stammt die bisher letzte Variante (mit dem schlichten Titel The Invasion und dem Deutschen Oliver Hirschbiegel, trotz beachtlichem Staraufgebot, erfolglos in der Regie (2005)) aus den Tagen der Regierung George W. Bushs und steht dementsprechend ganz unter dem ominösen Vorzeichen amerikanischer Terrorismusängste nach dem 11. September.

Mehr als zehn Jahre nach diesem einschneidenden Termin haben zwar der Schock und seine Nachbeben deutlich nachgelassen, und mit ihnen Invasionsfantasien, die aus dieser historischen Periode und ihrem spezifischen kollektiven Trauma ihre Dringlichkeit beziehen. So wie Hirschbiegels Invasionsfilm weitgehend unbeachtet blieb, hatte das Thema auch im Fernsehen sein letztes Aufgebot, als alle drei großen amerikanischen Sender im Jahre 2004 jeweils eine Science Fiction Serie starteten - Invasion, Threshold und Surface—von denen keine ihre erste Staffel überleben sollte.1

Auch wenn diese Versuche, „Alien Invasion“ in lukrative Serien zu verwandeln, nicht immer verlässlich Erfolg beschert war, blieb die Invasionsthematik selbst von dieser Flaute ausgeschlossen. Gemäß der schier endlosen Verwandlungs- und Anpassungsfähigkeit des Motivs, haben Invasionsfantasien der letzten Jahre neue Reizthemen gefunden, an denen sich Autoren und Regisseure abarbeiten können. So hat sich z.B. seit dem Dringlichkeitsverlust der 9/11 Thematik das Thema amerikanischer Einwanderungspolitik als ergiebige Quelle dramaturgischer Einfälle erwiesen (auch nichts neues, wenn man an die Serie Alien Nation (1989) zurückdenkt).

Amerikanische Science Fiction seit dem Übergang von Bush zu Obama, insbesondere in den Massenmedien, und hier insbesondere im Fernsehen, beschert seit 2011 eine neue Variante den Themas: die Serie Falling Skies produziert von Stephen Spielberg und seiner Firma DreamWorks für den Kabelkanal TNT, zum gegenwärtigen Zeitpunkt in seiner dritten Staffel, eine Serie, die wie kaum eine andere ihren Finger am Puls der US amerikanischen Politik hat.

Die Normalisierung des Ausnahmezustands: Falling Skies

Die Serie beginnt mit einer Titelsequenz, in der eine Kinderstimme, begleitet von einer Montagesequenz, in der wir Zeichnungen von Kinderhand sehen, erzählt von der Ankunft der Invasoren—einer teils reptilien-, teils spinnenartigen Spezies, kurz als Skitters bezeichnet— dem kurzen und aussichtslosen Widerstand des Militärs, und der mehr oder weniger totalen Kapitulation der Menschheit vor der technologischen und militärischen Überlegenheit der außerirdischen Besatzer.

Gemäß der Prämisse, mit der deutsche Zuschauer aus der Asterix-Lektüre vertraut sein dürften, hat sich natürlich nicht die gesamte Menschheit ergeben; so wie Einzelne hier und da die globalen Verwüstung überlebt haben—manche als Kollaborateure, für die die Serie besondere Verachtung zeigt—so gibt es versprengte Gruppen, die weiter im Widerstand existieren. Solche eine Gruppe—das Zweite Kolonne der bewaffneten Miliz von Massachusetts—liefert den Drehbuchautoren die Grundlage für das Ensemble von Figuren, denen die Serie, einzeln und als Kollektiv, bereits über mehr als zwei Staffeln folgt: zum einen ihrem Guerillakrieg gegen die Invasoren, zum anderen in ihren familiären, sozialen, und weltanschaulichen Konflikten untereinander.

Auch wenn der erste dieser beiden Themenkomplexe die dramatische Grundlage der Serie bildet, und damit ein breites Publikum über die Genretreue der Serie rekrutiert, so bilden der ständige interne Zwist, das politische Manövrieren der Figuren um soziale Allianzen und Dominanz, die romantischen Verstrickungen, und die Eifersüchteleien unter Geschwistern die eigentliche Substanz der Serie. Die Second Mass, wie sich die paramilitärische Truppe kurz nennt, ist ein Mikrokosmos, in dem sich die Wünsche und Ängste der U.S.A. im gegenwärtigen Moment in dramatisch übersteigerter und ideologisch vereinfachter Form manifestieren.

Mit dieser Konzeption wird das Novum der Serie sichtbar, mit dem Stephen Spielberg als Produzent und Robert Rodat als Schöpfer und Autor das vertraute Motiv der Alien Invasion bereichert haben. Auch wenn die Serie reich an militärischer Action ist, und zudem ein hohes Maß an paranoidem Kapital aus der Frage schlägt, wer zu den wahren amerikanischen Patrioten zählt und wer insgeheim für die Invasoren arbeitet, so steht von Anfang an explizit fest, dass der Krieg der Menschheit gegen die Invasion verloren ist—ein Verlust, der bereits vor Beginn der ersten Episode stattgefunden hat.

Die Welt der Serie ist eine Welt unter fremder Herrschaft, im permanenten Besatzungszustand, eine Welt nach der Katastrophe, traumatisiert von Normalitätsverlust, nationaler und militärischer Demütigung, und Daseinsbedingungen am Rande der Existenz. Auf der Flucht vor Säuberungskommandos, fehlt es der Gruppe an allem lebensnotwendigem; ökonomische Beschränkung, Entbehrung, und Kargheit stehen visuell und thematisch im Vordergrund.

Gemäß dem Maxim, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt, werden sich Leser von Science Fiction an die meist literarischen Vorläufer dieses modifizierten Motivs erinnern—von, u.a., L. Ron Hubbards Battlefield Earth (1982) bis hin zu Thomas Dischs satirischem Roman The Puppies of Terra (auch unter dem Titel Mankind under the Leash, 1966). Was Spielberg und Rodat mit Falling Skies vorlegen, hat in seinem Beharren auf dem Verlust von ökonomischem Überfluss, Sicherheit und Bequemlichkeit deutlichen Bezug auf das Leben in den reduzierten Formen kapitalistischen Überflusses nach der Wirtschaftskrise von 2008 (nicht als realistische Abbildung, sondern als Ausdruck der subjektiven Erfahrung).

In dramatischer Übersteigerung führt die Serie vor, wie das Leben nach dem Zusammenbruch der technologischen und ideologischen Infrastruktur des Spätkapitalismus weitergeht. Mit Fantasie und Geduld improvisieren die Figuren so gut es geht, ergehen sich in romantischen Erinnerungen an die Annehmlichkeiten ihres vergangenen Lebens, und besinnen sich—darin besteht letztendlich die ideologische Substanz der Serie—auf die wahren Werte, für die sich das Weitermachen lohnt: militärische Effizienz, Gehorsam und Treue zur Gewährleistung von Familie, Ehe, und Freundschaft.

Als Fußnote zu dieser Verarbeitung der amerikanischen Wirtschaftskrise sei erwähnt, dass die Szenerie des „Lebens nach der Katastrophe,“ die sich ursprünglich so gut an das Selbstverständnis der U.S.A. nach den Anschlägen des 11. September 2001 angepasst hatte, sich auch in anderen post-apokalyptische Fernsehserien auf die neuerlich so trübe wirtschaftliche Lage umorientiert hat. So imaginiert z.B. J.J. Abrams neue Serie Revolution (2013) eine Welt nach dem globalen und finalen Blackout, genau so wie The Walking Dead (seit 2010) ein (Über)leben in den Ruinen der Überflussgesellschaft zum Thema hat. In all diesen Serien findet sich dasselbe kuriose Lebensgefühl, in dem Erleichterung über das Überleben, Melancholie über den Verlust, und die Bestätigung konservativer ideologischer Grundwerte wie Vaterland und Familie zusammenkommen.

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